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Titel: Aus Konjunkturproblemen macht man Strukturprobleme

Datum: 12. Januar 2004 um 9:52 Uhr
Rubrik: Strategien der Meinungsmache, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Für die besonders schwierige wirtschaftliche Lage unseres Landes zum Jahreswechsel 2003 auf 2004 ist ein Vorgang von Interesse, der vor gut drei Jahren die wirtschaftspolitisch Interessierten und die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger beschäftigte.

Damals, im Herbst des Jahres 2000, war für wache Beobachter der wirtschaftspolitischen Entwicklung deutlich erkennbar, dass Deutschland wie Europa und die westliche Welt insgesamt konjunkturelle Probleme bekommen könnten: die Aktienmärkte und vor allem der neue Markt waren in Europa und in den USA schon ein halbes Jahr zuvor eingebrochen, in den USA deutete sich ohnehin ein Konjunktur Einbruch an, die Binnennachfrage in Deutschland war wie bisher schon schwach. Trotz dieser erkennbaren kritischen Zeichen und trotz verschiedener Warnungen von Seiten wirtschaftswissenschaftlicher Institute hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten am 15. November 2000 verkündet, die Konjunktur laufe rund, sie sei gut, die nicht zu bestreitende hohe Arbeitslosigkeit sei das Ergebnis von Inflexibilität auf den Arbeitsmärkten, also ein Strukturproblem.

Die Politik hat sich nach dieser Diagnose gerichtet. Der Bundesfinanzminister hat seinen vermeintlichen Konsolidierungskurs fortgesetzt, jedenfalls nicht gegengehalten und nicht konjunkturell gegengesteuert. Heute blicken wir – auch nach seiner Diagnose – auf drei Jahre Stagnation zurück. Der Verlust an Sozialprodukt und die steigende Arbeitslosigkeit und wachsenden Schulden sind so auch das Ergebnis der (bewussten) “Fehldiagnose” der Verantwortlichen vom Herbst 2003.

Man kann mit Fug und Recht bestreiten, dass der Sachverständigenrat im November 2000 so unwissend war, wie sein Gutachten und seine Hauptbotschaft vermuten lassen. Der Sachverständigenrat will Strukturänderungen, Reformen, einige “Weise” auch den Systemwechsel in unserem Land. Um diese Absicht zu befördern, meinten die so genannten Weisen im Herbst 2000 offenbar, ihre Konjunkturdiagnose schönen zu müssen.

Das ist nur ein Beispiel von vielen, in denen man zeigen kann, dass die mangelhafte Auslastung unserer Volkswirtschaft und die Arbeitslosigkeit und damit das Leid vieler Menschen genutzt wird, um die Tendenz zu einer Änderung unserer sozialstaatlichen Ordnung zu forcieren.


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