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Titel: Zurzeit kann man studieren, wie die Nazis die Kriegsbereitschaft hochgepeitscht haben

Datum: 2. März 2018 um 14:32 Uhr
Rubrik: Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
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In der Oberstufe und unter befreundeten Studenten mit historischen und politischen Interessen, haben wir uns oft und grübelnd darüber unterhalten, wie die Nazis in Deutschland eine Mehrheit bekommen konnten und auch noch Rückhalt für ihre Kriege. Zurzeit kann man jeden Tag studieren, wie das geht. Unsere Medien belegen uns mit Unterstützung von Politikern und Geheimdiensten mit einem Dauer-Trommelfeuer der feindseligen Propaganda. Wir damals jungen Menschen hätten nicht für möglich gehalten, dass so etwas noch einmal passiert. Aber es ist möglich und es ist die harte Realität, die uns umgibt. Albrecht Müller.

Heute bringt meine Regionalzeitung diesen Aufmacher auf der ersten Seite:

Er besteht aus zwei Teilen, aus einem Artikel zum jetzt nach langer Zeit entdeckten Hackerangriff, wieder mit Hinweisen auf Russland. Darüber schwebt eines dieser üblichen schlimmen Fotos von Putin, versehen mit dem Hinweis auf die neuen Atomwaffen Russlands und verbunden mit einer Formulierung, die vermutlich 90 % der Leserinnen und Leser als Ironie und als unglaubwürdig verstehen.

Gestern galt der Aufmacher dem gleichen Thema:

Dort wird im ersten Satz des Textes gleich behauptet, dass es eine russische Gruppe gewesen sei, hinter der sogenannte Computerfachleute russische Regierungsstellen vermuten.

Der Kommentar auf der zweiten Seite der heutigen Ausgabe der Rheinpfalz gilt der von Putin beschriebenen Aufrüstung mit Atomwaffen und ist überschrieben mit: „Einstieg in neues Wettrüsten“. Das ist eine der typischen manipulierenden Behauptungen. Jetzt wird Putin und Russland der „Einstieg“ in das Wettrüsten unterstellt, und alles was vorher war, wird weggeschoben, weil das die Verantwortung des Westens für diese schlimme Entwicklung sichtbar machen würde.

Nach der gleichen Manipulationsmethode, eine Geschichte nämlich verkürzt zu erzählen, wird auch im heutigen Wirtschaftsteil der Zeitung verfahren. Dort heißt es in einem Bericht darüber, dass der US-Ölkonzern Exxon wegen der US-Sanktionen Projekte zur Zusammenarbeit mit dem russischen Mineralölunternehmen Rosneft stoppt:

„Infolge der russischen Übergriffe auf die Ukraine gelten seit 2014 Sanktionen der EU und USA gegen Russlands größten Ölkonzern.“

So einfach kann man die Ukraine-Krise erzählen, wenn man die Geschichte verkürzt erzählt.

Aus Gesprächen und Beobachtungen weiß ich, dass das Dauertrommelfeuer wirkt. Diese Erfahrung machen nach Berichten unsere Leserinnen und Leser auch. Sprachlos muss man mit ansehen, wie der Feindbildaufbau ähnlich wie vor 85 Jahren funktioniert. Mit ganz ähnlichen Methoden: mit ständiger Wiederholung, mit Lügen, mit angeblichen Indizien, mit unterschwelligen rassistischen Andeutungen bei der visuellen Darstellung wie bei vielen Fotos von Putin.

dpa ist so etwas wie das ausgelagerte Goebbels Propagandaministerium

Meine Regionalzeitung ist in dieser Kampagne wahrlich nicht das schlimmste Medium, sie hat sich ihre Berichterstattung auch nicht aus den Fingern gesogen. Ähnlich wie bei häufigen Meldungen des Fernsehens und in anderen Tageszeitungen kommen auch bei der Rheinpfalz die Meldungen von dpa. Welche dubiose Rolle diese Agentur spielt, das fällt auch NachDenkSeiten-Lesern auf. Einer hat uns gerade eine Mail geschickt, die er an dpa nach Berlin geschickt hat. Siehe hier:

Sehr geehrte Damen und Herren,

meine Tageszeitung druckt auch regelmäßige Berichte Ihrer Agentur ab, die oft sehr tendenziell ausgerichtet sind. Gestern z.B. lese ich “Russen hacken das Netz der Bundesregierung”. Wer sich genauer informiert, weiß, dass das so nicht stimmt. Das wird heute ebenfalls in den Aachener Nachrichten in einem sorgfältigen Eigenbericht auf S. 2 deutlich. Ich empfehle, den Artikel zu lesen. Gleichzeitig wird aber auf S. 4 ein demagogischer dpa-Artikel veröffentlicht, bebildert mit einem ebenfalls demagogischen Bild, “Putin schwingt in seiner Vorwahlrede die Atomkeule”. Seriös ist das nicht. Im übrigen fällt mir auf, dass der gesamte Aufsichtsrat aus Männern besteht und in den Redaktionen vorwiegend Männer in leitenden Positionen sitzen u.a. der Chefredakteur mit Bildzeitung-Bildung. Ich empfehle der Redaktion das Buch von Frau Krone-Schmalz zu lesen “Eiszeit – wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist”. Ebenfalls empfiehlt es sich, ein journalistisch empfehlenswertes Gespräch anzuschauen unter der Moderation von Fritz Pleitgen:

Schlüterhofgespräch “Russland und Deutschland” – Die Diskussion vom 11.12.2017 – YouTube

Das ist ein sehr freundlicher Rat unseres Lesers. Aber es steht zu befürchten, dass er auf keinen fruchtbaren Boden fällt. Dass dpa und in der Nachfolge so viele Zeitungen und Sender so einseitig berichten und so deutlich Kampagnen der Manipulation fahren bzw. in Kampagnen eingebaut sind, ist keine lässliche Zufallssünde. Das hat Methode.

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich nicht weiß, ob es überhaupt noch eine Chance gibt, in dieser Gesellschaft Aufklärung zu betreiben. Die zuvor geschilderte Pro-Kriegs-Agitation hat weite Kreise erfasst. Sie hat auch Kreise erfasst, die man vor 40 Jahren noch zum kritischen, nachdenklichen und skeptischen Bürgertum hätte zählen können. Das ist vorbei.

Nehmen Sie mir bitte diese skeptische Einschätzung und noch dazu als Wochenrückblick nicht übel. Aber mein Konto der freundlichen und zu diesem Zweck beschönigenden Analysen ist schon weit überzogen.

Anhang – der Leserbrief eines NachDenkSeiten-Lesers, der noch nicht aufgegeben hat:

Peter Schneider an den Chefredakteur der Rheinpfalz, Ludwigshafen, am 1. März 2018 zum oben wiedergegebenen Artikel:

Sehr geehrter Herr Garthe,

die bösen Russen Hacker haben es wieder auf die erste Seite der Rheinpfalz geschafft.

Die dpa Meldung, über den angeblichen Hack des IT Netzes der Bundesregierung, wird ohne Nachzudenken und ohne kritischen Kommentar abgedruckt.

Selbst wenn der Angriff wahr wäre, ist doch die erste Frage: Wer ist für die Sicherheit des IT Netzes verantwortlich? Bei schweren Mängeln muss hier sofort reagiert werden. Mit Entlassung der Verantwortlichen. Das Regierungsnetz betreibt ja ein Externer, nämlich T-Systems. Wenn die nicht fähig sind das Netz ausreichend zu schützen, muss man sich von solch einem inkompetenten Dienstleister trennen.

Wieder die Russen zu verdächtigen mit wagen Hinweisen, ist geradezu lächerlich. Jeder IT Fachmann kann heute die Herkunft von Angriffen verschleiern oder einem Anderen unterschieben.

Der ganze Artikel gehört wieder mal zu dem allgemeinen “Russland Bashing” welches die Rheinpfalz zu Zeit pflegt.

Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer “kompetenten” Berichterstattung.

Übrigens, ich war vor meiner Pensionierung 15 Jahre für die IT Sicherheit einer Mannheimer Firma zuständig, deshalb weis ich wovon ich rede.

Grüße
Peter Schneider


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