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Titel: Die Kandidatur von Simone Lange zum Parteivorsitz der SPD ist wichtig – aus sachlichen und formal demokratischen Gründen

Datum: 23. März 2018 um 11:37 Uhr
Rubrik: Demokratie, SPD
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Die SPD-Zentrale weigert sich, Simone Langes Kandidatur im Wettbewerb mit Andrea Nahles überhaupt bekanntzugeben. Anfragen beim SPD-Vorstand werden abschlägig beschieden. Siehe hier. Frau Lange darf sich beim SPD-Parteivorstand auch erst am Tag vor der Vorsitzendenwahl, also am 21. April, vorstellen. Um diese Bunkermentalität wenigstens öffentlich zu machen, schrieb Simone Lange jetzt einen Offenen Brief an die Bundestagsfraktion. Auch aus sachlichen und wahlstrategischen Gründen wäre es gut, die Delegierten des Parteitages in Wiesbaden würden am 22. April dafür sorgen, dass die SPD nicht alleine von Andrea Nahles in beiden Ämtern, als Vorsitzende der Bundestagsfraktion und als Vorsitzende der Partei, repräsentiert wird. Ich will das sachlich begründen. Albrecht Müller.

Erstens: Es ist dringend notwendig, dass eine Volkspartei wie die SPD einen breiten Kreis von Wählerinnen und Wählern und auch solche aus sehr unterschiedlichen Wählergruppen anspricht. Angela Merkel weiß das, Helmut Kohl wusste das. Bei allen Wahlkämpfen, an deren Planung ich beteiligt war, war die Pluralität der Repräsentanten der SPD eine wichtige Voraussetzung für einen Erfolg. Deshalb haben wir diese Pluralität auch immer bewusst eingeplant. Der Wahlerfolg Schröders von 1998 ist – auch wenn Schröder das nicht wahrhaben will – wesentlich dem Umstand zu verdanken, dass er den Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine an seiner Seite hatte. Dass Helmut Schmidt als Bundeskanzler 1976 gegen Kohl gerade noch gewonnen hat, hat er dem Umstand zu verdanken, Willy Brandt als Parteivorsitzenden an seiner Seite zu haben. Auch Helmut Schmidt wollte das zwar nie wahrhaben; diese Einsicht widersprach seiner Eitelkeit. Aber es war so. – Jetzt will die auf ein eng begrenztes Wählerpotenzial ausgerichtete Andrea Nahles beide Ämter besetzen und dabei auch noch Punkte machen. Das ist wahrlich grotesk. Dem sollten die Delegierten, wenn sie es gut meinen mit ihrer Partei, am 22. April widersprechen. Sie sollten die Chance nutzen, dass die SPD von der Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles und einer anderen Parteivorsitzenden, von Simone Lange, der Oberbürgermeisterin von Flensburg repräsentiert wird.

Zweitens: Hinzu kommt, dass Andrea Nahles mit den Fehlern und falschen Festlegungen aus der Vergangenheit der jetzigen SPD-Führung verbunden und belastet ist und selbst auch keinen Versuch zu einem Befreiungsschlag gemacht hat. Im Gegenteil. Dafür nur zwei Belege: sie hat nicht den Versuch gemacht, die Agenda 2010 zu bedauern und zu revidieren. Und sie hat beim Thema Altersvorsorge als zuständige Ministerin in der letzten Koalition und als zuständige Fachfrau in der SPD-Führung für die Fortsetzung auf dem falschen Weg der vom Steuerzahler geförderten Privatvorsorge beharrt. Sie hatten nicht das Notwendige getan, alle Mittel auf die Stärkung der gesetzlichen Rente zu konzentrieren und die Minderungen ihrer Leistungsfähigkeit, die in der Zeit der Kanzlerschaft von Schröder und Merkel beschlossen worden waren, zu revidieren. Und sie hat uns Wählerinnen und Wählern obendrein dann auch noch die 48 % Durchschnittsrente, die bei den meisten Menschen hinten und vorne nicht reicht, als großen Erfolg verkauft. Dafür verdient sie Misstrauen. Und so jemand wird die SPD, wenn sie diese Partei alleine in beiden wichtigen Ämtern repräsentiert, nicht aus dem Ghetto eines Wahlergebnisses von unterhalb oder knapp oberhalb der 20 % befreien. Auch ihre aggressive Sprache, ihr öffentlicher Auftritt und ihr Umgang mit anderen ist nicht attraktiv.

Der SPD-Vorstand und die Delegierten des Parteitages von Wiesbaden müssten deshalb glücklich darüber sein, dass es jetzt eine zweite und noch dazu eine respektable Bewerbung für das Amt der Parteivorsitzenden gibt.

Drittens kommt hinzu, dass, beide Ämter auszufüllen, eine ungemein große Last und Verantwortung bedeutet. In erfolgreichen Zeiten waren die beiden Ämter auch von verschiedenen Personen besetzt, zum Beispiel in der Legislaturperiode zwischen 1965 und 1969, die immerhin damit endete, dass bei der darauf folgenden Wahl 1969 zum ersten Mal ein Sozialdemokrat zum Bundeskanzler gewählt wurde. Da war Helmut Schmidt Fraktionsvorsitzender und Willy Brandt Parteivorsitzender. Wenn Andrea Nahles eine Überfliegerin mit einer unglaublichen intellektuellen und Schaffenskraft wäre, dann könnte man dem Doppelmandat ja nähertreten. So aber ist das doppelte Amt von ihr einfach viel zu viel verlangt. Und gegen sie spricht doppelt und dreifach, dass sie selbst das nicht sieht und nicht einsieht. Wer sich so selbst überschätzt, ist nicht wählbar.

Simone Lange hat aus meiner Sicht schon an drei wichtigen inhaltlichen Punkten Flagge und Mut gezeigt.

Sie hat sich für die Agenda 2010 entschuldigt und hält dies auch für die SPD für notwendig. Sie ist für eine neue Phase der Entspannungspolitik mit Russland und die Beendigung der Konfrontation. Und sie wendet sich gegen Rüstungsexporte und plädiert für Abrüstung statt Aufrüstung. Das sind schon drei Schwerpunkte der beteuerten Erneuerung ihrer Partei. Schon deshalb lohnt es sich, sie zu unterstützen.

Der Terminkalender von Simone Lange bis zur Vorsitzendenwahl:

Für den Fall, dass Sie sie auch persönlich kennenlernen wollen, hier ist die Liste der Termine und Orte, wo Frau Lange sich vorstellen wird. Das reicht von Schwäbisch Hall und Heidelberg bis Berlin und Neubrandenburg, und von Köln bis Bautzen.

P.S.: Ich hoffe und bitte darum, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, diesen Artikel nicht in die Kategorie Parteipolitik einordnen. Hier geht es im Kern nur um die Bewahrung eines Restes von Demokratie.


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