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Titel: Claus Kleber: „Trotzdem gibt es in Deutschland ungebrochen ein Gefühl der Verbundenheit mit Russland, das nicht restlos mit Logik zu erklären ist“

Datum: 10. Juni 2018 um 11:45 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
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„Ende nächster Woche beginnt die Fußball-WM in Russland.“, sagte Nachrichtenmoderator Claus Kleber am Donnerstag im ZDF-heute-journal. Kaum hatte er den Satz gesagt, kam, worauf man hätte wetten können: „Das ist schon ein problematischer Gastgeber“, fügte der Welterklärer an. Mit diesen Worten war dann der Rahmen gesetzt für einen Beitrag unter dem Titel: „Russland-Bild: Beziehungen in schwierigen Zeiten“ (ab Minute 23:30). Ein Beitrag von Marcus Klöckner.

„Krim-Annexion, schlimme Zustände bei Menschenrechten und Pressefreiheit und so weiter und trotzdem gibt es in Deutschland ungebrochen ein Gefühl der Nähe, der Verbundenheit mit Russland, das Krisen übersteht und nicht restlos mit Logik zu erklären ist“, so Kleber weiter, bevor dann der Beitrag von Reporter Andreas Postel folgte.

Die Aussagen von Kleber lassen tief blicken. Ungetrübt der Einsprüche eines der profiliertesten Rechtsprofessoren der Republik, Reinhard Merkel, wonach es sich nicht um eine Annexion der Krim handelt, spricht der Nachrichtenmann vor einem Millionenpublikum von einer „Annexion“. Wieder einmal wird deutlich: Für eine differenzierte, die Widersprüche in der Debatte um die Besetzung der Krim thematisierende Moderation und Berichterstattung, ist kein Raum. Die Krim wurde annektiert. Das sagen schließlich alle führenden Medien im Land – und die können sich bekanntlich nicht irren (es sei denn, es geht um einen Toten, der plötzlich wieder lebendig wird). Und so wie trotz logischer Zweifel unaufhörlich Medienvertreter von einer „Annexion“ der Krim sprechen, so dürfen die Zuschauer des heute journal auch an diesem Abend wie in einer Endlosschleife erfahren, wie kritikwürdig die Zustände in Russland doch sind.

Man kann sich leicht vorstellen, wie Kleber auf diesen Vorwurf, wonach Medien Russland im Dauermodus kritisieren, reagieren dürfte. Für Journalisten, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, sei es doch Pflicht, immer wieder auf die schweren Missstände im Land hinzuweisen.

Eindeutig: Wenn es um Russland geht, ist die Selbstinszenierung für Journalisten als wackere Kämpfer gegen das Autoritäre ein Leichtes. Wer wollte ernsthaft leugnen, dass in dem Land, das Wladimir Putin seit langem regiert, schwere Schieflagen in allen möglichen Bereichen zu finden sind.

Doch, und das merken mittlerweile viele Bürger auch: Die Dauerkritik an Russland steht in einem eigenartigen Missverhältnis im Vergleich zum Umgang der Medien mit den schweren Völkerrechtsverstößen (man denke nur an den Kosovo-Krieg, den Krieg gegen den Irak) des Westens und der kritikwürdigen Schieflagen im eigenen Land (Armut, Kinderarmut, Abgehobenheit der politischen Eliten usw.). Um keine Missverständnisse entstehen zu lassen: Bei der Kritik an Staaten und ihrer Politik gilt es nicht „gegenzurechnen“. Völkerrechtsverstöße, Demokratiedefizite usw. sind immer schlimm – egal, wo wir sie finden. Der Völkerrechtsbruch des einen Landes rechtfertigt nicht den Völkerrechtsbruch eines anderen. Nur: Wie unterschiedlich sich Medien, die sich einer „objektiven“ Berichterstattung verpflichtet fühlen, verhalten, wenn es um Kritik an Russland und um Kritik vor der eigenen Haustür geht, das fällt einfach auf – auch im heute journal.

Viele Medien in Deutschland, sprechen wir es doch einfach aus, berichten beim Thema Russland durch eine Brille, die nicht einmal mehr ansatzweise eine objektive Betrachtung zulässt. Eine Berichterstattung ist zu erkennen, bei der es sich fest eingeschliffen hat, dass ein Beitrag über Russland nur dann journalistischer „Qualität” entspricht, wenn er das Land von vorne bis hinten kritisiert. Naiv könnte man sagen: Gut gemeint ist nicht unbedingt immer gut gemacht. Weniger naiv gesagt: Bei dieser Berichterstattung entsteht der Eindruck, dass auch massive Propaganda eine Rolle spielt (im Hinblick auf die Berichterstattung zum Fall Skripal sprach die Grünen-Politikerin Antje Vollmer gar von „Zügen einer vorbereitenden Kriegspropaganda“).

Es stimmt dann auch sehr nachdenklich, wenn man hört, was Kleber kurz vor Beginn des heute-journal-Beitrags gesagt hat. Kleber wundert sich allen Ernstes darüber, dass es trotz der Zustände in Russland in Deutschland ein starkes Gefühl der Verbundenheit mit dem Land gibt und spricht davon, dass man diese Verbindung nicht „restlos mit Logik“ erklären könne.

Hier spricht also eine der Hauptnachrichtenfiguren des Öffentlich-Rechtlichen Millionen von Bürgern, die zu wissen scheinen, dass – um es zuzuspitzen – in Russland nicht „der Feind“ sitzt, sondern Menschen leben, die Rationalität ab. Hier wird die Verbundenheit der Menschen in Deutschland zu Russland zu einer Art irrationalem Akt erklärt. Ein naheliegender Erklärungsversuch, wonach viele Bürger gut erkennen, dass man mit den Menschen eines Landes, mit seiner Kultur und seinen Eigenheiten auch dann eng verbunden sein kann, wenn man die Entscheidungen seiner Politiker mit einem kritischen Auge betrachtet, scheint Kleber nicht so recht in den Sinn zu kommen.

Diese Fähigkeit zur Unterscheidung wünscht man sich beim Thema Russland auch und gerade in den Hauptnachrichtensendungen. Doch offensichtlich haben die Bürger hier den Medienvertretern etwas voraus. Immerhin bemüht sich dann der Beitrag um einen Blick auf die kulturelle Verbundenheit beider Länder. Nachdem der Beitrag zu Ende ist, kommentiert Kleber abmoderierend mit den Worten: „Schön, und jetzt wird Fußball gespielt“. Ob sich die Berichterstattung in den nächsten Wochen tatsächlich nun auf den Fußball konzentrieren wird? Man darf es bezweifeln.


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