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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 26. August 2018 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Demokratien werden von ihren Eliten zerstört
  2. Griechenland
  3. Blick in den Norden
  4. Geschäfte mit der Wasserknappheit
  5. Staatsgeld für Turbobauern
  6. Zuwanderungsregeln: Jetzt kommt es auf die Ausgestaltung an
  7. Vom unrentablen Menschen
  8. Wohnungsnot
  9. Vier VW-Mitarbeiter belasten Winterkorn und Diess
  10. Österreich als sozialpolitischer Prügelknabe der Merkel-EU?
  11. Israels Apartheid
  12. Das Letzte: Bundeswehr ist »der beste Multiplayer« – Scharfe Kritik für Gamescom-Werbung

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Demokratien werden von ihren Eliten zerstört
    Die wahre Parallelgesellschaft bilden die Topmanager: Mit ungeheurer Ignoranz tragen sie die Demokratie zu Grabe. Damit seien Sie die wirkliche Gefahr für Deutschland, sagt Michael Hartmann.
    Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Das ist, jeder weiß es, eine Lüge. Die einzigen, die ihr noch anzuhängen vorgeben, sind die, die so tun, als glaubten sie, sie würden so gut bezahlt, weil sie zu den Leistungsträgern gehören. Spätestens seit wir beobachten können, dass Manager, die ihre Firmen ruinieren, nicht nur ihre exorbitanten Gehälter, sondern auch weiter ihre Boni beziehen, glauben wir nicht mehr an die Leistungsgesellschaft. Der Dieselskandal hat jetzt auch dem letzten gläubigen Anhänger der Rede von der Leistungsgesellschaft gezeigt, dass zu den besonders gut vergüteten Leistungen der Betrug gehört. (…)
    Vor allem die Vorstellung, die berühmten Business Schools oder Eliteuniversitäten wären die Brutstätten einer globalen Elite, erweisen sich als falsch. Nicht einmal 10 Prozent der Topmanager und der Milliardäre haben überhaupt eine Hochschule im Ausland besucht, gerade einmal fünf Prozent eine Elitehochschule.“ Es gibt keine globale Wirtschaftselite. Es gibt auch keinen globalen Stellenmarkt für sie. Unsere Elite ist unsere und niemandes sonst. Sie hält sich an uns schadlos.
    Das ist zu lesen im neuesten Buch von Michael Hartmann: „Die Abgehobenen – Wie die Eliten die Demokratie gefährden“. Bevor demnächst uns Thilo Sarrazin, Ex-Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, wieder weiszumachen versuchen wird, dass es der Islam und die Muslime sind, die unsere Welt zerstören, kommt Hartmanns Buch gerade rechtzeitig, um uns darüber aufzuklären, dass unsere Probleme zwar nicht verstanden werden können ohne die globalen Zusammenhänge, in denen sie stehen, dass sie aber eben doch hausgemacht sind.
    Die wahre Parallelgesellschaft in Deutschland bilden nicht die Hinterhof-Scharia-Gerichtshöfe, die es tatsächlich gibt, die aber für die weite Mehrheit auch der eingewanderten Bevölkerung irrelevant sind, sondern die von Hartmann beschriebenen Eliten. Das wird aus jeder seiner Untersuchungen deutlich. In seinem neuesten Buch, das die Erkenntnisse der früheren zusammenfasst, zitiert er Peer Steinbrück: „Das ist der Hauptvorwurf, den ich den so genannten Eliten mache: Diesen Leuten fehlt jegliches Verständnis dafür, was ihr Tun in der Gesellschaft auslöst. Die Ignoranz ist enorm.“
    Quelle: FR Online

    dazu: Primat der Politik zurückerobern
    Sammlungsbewegung »Aufstehen« soll Möglichkeiten zur Selbstermächtigung eröffnen
    Angesichts der postdemokratischen Auflösungserscheinungen im Lande, in Europa und in der Welt wollen sich viele Menschen mit den mangelnden Möglichkeiten zu Einmischung und Selbstermächtigung nicht mehr abfinden. Gerade im weitesten Sinne Linksorientierte wollen nicht in Ratlosigkeit und Resignation verharren. Das zeigt der große Widerhall, den die Idee einer Sammlungsbewegung schon in den ersten Tagen des Registrieren-Könnens erfährt. Bislang war für Hunderttausende die einzige Möglichkeit, ihre Veränderungswünsche durch Resolutionen und Appelle an die Politiker zu erbitten. Das war mitunter nicht ohne Wirkung, befriedigt aber das Bedürfnis aktiv mitzugestalten nicht.
    Dazu sind die noch aus dem vorigen Jahrhundert mitgeschleppten und aufgestauten Probleme zu grundsätzlich. Ob eine vernünftige Politik die Bürger vor dem globalen Finanzkapitalismus schützen kann, ist bisher nicht bewiesen. Denn die Macht der Wirtschaft ist größer als die der Politik. Die zersplitterte nationale und internationale Linke stellt derzeit keine konzept- und handlungsfähige Opposition dagegen dar. Opposition aber ist die Seele der Demokratie.
    Der Auftrag der Sammlungsbewegung wäre, das Primat der Politik zurückzuerobern. Kann man dafür sammeln, ohne zu spalten? Den drei quasi-linken Parteien im Bundestag war bisher die Kultivierung ihrer Unverträglichkeiten wichtiger als das Ergreifen einer gemeinsamen Veränderungsoption. Dabei sind die programmatischen Schnittstellen nicht gering. Es bleiben dennoch markante Unterschiede, innerhalb und zwischen den Parteien. Insbesondere in der Friedens- oder Interventionspolitik, in der angeblichen Notwendigkeit von Rüstung und deren Export. Hier ist auch die Kluft zwischen dem Willen der Wähler und deren Repräsentanten besonders groß.
    In solches Vakuum könnten Bewegungen vordringen und damit Abgeordnete ermutigen, ihr vermeintlich freies Mandat mehr am Wählerauftrag zu orientieren, als an den Partei-Hierarchien. Außerparlamentarischer und außerpropagandistischer Druck muss klarstellen: Parteien, Parlament und Regierung sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Und zwar nur diesem – im Gegensatz zur Wirtschaft, die pflichtschuldig nur der Rendite ist. Diese dient nur dann dem Gemeinwohl, wenn sie gerecht verteilt wird. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist ein sicheres Maß dafür, wie ungezügelt die vermögende Elite schaltet und waltet.
    Quelle: Daniela Dahn in Neues Deutschland

    dazu auch: “Der Einfluss der Konzerne ist sehr stark geworden.”
    Der Einfluss der Konzerne auf die Politik sei in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen, sagte der Verbraucherschützer und Gründer von Foodwatch, Thilo Bode, im Dlf. Wähler seien heute nicht mehr in der Lage, die Politik zu lenken.
    Der Einfluss von Konzernen auf die Politik sei in den letzten 20 bis 30 Jahren stark gewachsen, sagte der Gründer der Organisation Foodwatch, Thilo Bode, im Deutschlandfunk. Die Wähler seien nicht mehr in der Lage, diesen Einfluss zu begrenzen: “Die Politik – so ist meine These – greift immer weniger ein, weil die Konzerne zunehmend mehr Erpressungspotential haben. Sie kaufen sich ja auch Politiker nach ihrer Amtszeit, die als Berater bei den Konzernen tätig werden. Sie beeinflussen Stiftungen, sie kaufen Lehrstühle, sie finanzieren Universitäten – alles in ihrem Sinne. Und das schafft ein großes Ungleichgewicht und die Demokratie wird dadurch entwertet.”
    Quelle: Deutschlandfunk

  2. Griechenland
    1. Griechenland: Die Memoranden der Austerität sind tot …
      Mit dem 20. August endete für Griechenland das dritte Kreditprogramm der Institutionen. Theoretisch sollte sich das Land nun aus eigenen Mitteln finanzieren…
      Die Kreditfinanzierung des Landes ist damit offiziell zu Ende. Die Austeritätspolitik ist es aber nicht. Diese gilt vertragsgemäß noch bis mindestens 2060. Bis 2022 sind Primärüberschüsse des Staatshaushalts von mindestens 3,5 Prozent vorgeschrieben. Danach sind bis 2060 jährlich mindestens 2,2 Prozent fällig. Die Staatsschulden müssen abgebaut werden. Während der Kreditprogramme stiegen sie weiter.
      (…) Die Austerität geht weiter
      Bereits jetzt wurden für Griechenland neue Rentenkürzungen und Steuererhöhungen für die kommenden Jahre beschlossen und eingeplant. Insgesamt muss Griechenland von bis 2022 weitere 250 Maßnahmen umsetzen. Ergo beginnt am 21. August die Periode des Metamemorandums. Denn bis 2060 steht das Land mit quartalsmäßig durchgeführten Inspektionen eng unter Beobachtung der Kreditgeber.
      (…) Mehr als 5.000 sozial einschneidende Gesetze und Regelungen bleiben in Kraft. Sobald Griechenland von den Vorgaben des Primärüberschusses abweicht oder davon abzuweichen droht, können die Kreditgeber weitere Maßnahmen verordnen. Ebenfalls in Kraft bleiben trotz des Endes des Kreditprogramms die Kapitalverkehrskontrollen…
      Quelle: Telepolis
    2. Unsere Schuldenkolonie
      In dem jetzt vereinbarten Paket wird bis 2022 ein Primärüberschuss (vor Schuldendienst) von jährlich 3,5 Prozent angenommen und dann bis 2060 jährlich 2,2 Prozent. Das hat noch kein Land der Welt geschafft.
      Doch Finanzminister Scholz traut unserer Schuldenkolonie offenbar fast alles zu. Auf die Frage, ob die Ziele denn realistisch seien, sagte der SPD-Politiker: “Ich glaube, dass das Anstrengungen zur Folge hat.” Sein Amtsvorgänger Schäuble hätte es nicht “besser” sagen können…
      P.S. Übrigens ist eine solche Schuldenkolonie durchaus lukrativ. Deutschland kassierte 2,9 Mrd. Euro aus Zinseinnahmen auf griechische Staatsanleihen. Gleichzeitig musste Schäuble dank der Krise viel weniger Zinsen für deutsche Anleihen zahlen…
      Quelle: Lost in Europe
    3. Warum die Griechenland-Rettung den Euro nicht gerettet hat
      Das Krisenprogramm für Griechenland geht zu Ende, doch der Euro ist immer noch in Gefahr. Was die EU aus der Krise hätte lernen können – aber nicht gelernt hat.
      Am Ende mimten die Minister und Kommissare wieder die guten Europäer. „Ein historischer Tag für die Euro-Zone“ sei gekommen, „die Krise liegt nun hinter uns“, erklärte Pierre Moscovici, EU-Kommissar für die Währungsunion. „Es ist geschafft“, bestätigte Portugals Finanzminister Mario Centeno, derzeit Vorsitzender der Euro-Gruppe. „Mit unserer Solidarität“ sei das gelungen, meinte sein deutscher Kollege Olaf Scholz, und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker befand, „Europa sollte stolz sein auf die Gemeinschaftswährung“.
      So begingen die Regenten der Euro-Zone jüngst das für den morgigen 20. August angesetzte Ende ihres Krisenprogramms für das überschuldete Griechenland mit kollektivem Selbstlob. Athens Ministerpräsident Alexis Tsipras legte sogar ausnahmsweise eine Krawatte an, um das „historische Ereignis“ zu begehen.
      Doch die Inszenierung war nur ein Bluff. In Wirklichkeit gibt es nichts zu feiern. Im Gegenteil: Griechenland ist wirtschaftlich ruiniert und hat keine Chance, dem Diktat seiner Gläubiger zu entkommen. Diese erzwangen gegen die Warnung der Experten des Internationalen Währungsfonds die Kürzung der Staatsausgaben um ein Drittel innerhalb von nur vier Jahren und verursachten damit die schwerste Rezession, die je einem Land im Frieden widerfahren ist. Das machte ein Fünftel der Bevölkerung arbeitslos, trieb 300.000 Griechen ins Ausland und erhöhte die Verschuldung auf 180 Prozent der Wirtschaftsleistung.
      Quelle: Harald Schumann im Tagesspiegel
    4. Düstere Prophezeiung
      Im Sommer 2008 lag die Industrieproduktion in Griechenland bei einem Wert von 130, gemessen mit einem Index auf der Basis 2015 von 100. Im Sommer 2018, zum Abschluss der Programme, die Griechenland helfen sollten, hatte die Industrieproduktion den Wert 107 erreicht, nachdem sie zwischenzeitlich auf etwas unter 100 gefallen war. Der Umsatz des Einzelhandels lag 2008 bei 150 und liegt seit 2013 unverändert bei 100. Die offizielle Arbeitslosenquote lag im Sommer 2008 bei sieben Prozent und liegt heute, zehn Jahre später, bei 20 Prozent, nachdem sie zwischenzeitlich auf einen Wert von über 25 Prozent gestiegen war.
      »Der Abschluss des Griechenland-Programms ist ein Erfolg. Die düsteren Prophezeiungen der Untergangspropheten sind nicht eingetreten. Das ist gut«, sagte der Bundesfinanzminister am Montag dem Handelsblatt. Was hätte eigentlich noch Schlimmeres passieren können? Ein Land hat dreißig Prozent seiner Produktion, seines Einkommens und seiner Lebensgrundlage verloren. Zehn Jahre nach Beginn der Krise, fünf Jahre nach Beginn der Intensivbehandlung gibt es kein Anzeichen dafür, dass der Patient sich erholen könnte. Aber die behandelnden Ärzte sagen, die Therapie sei erfolgreich gewesen, und es sei alles gut. […] Nichts ist gut.
      Quelle: Heiner Flassbeck in junge Welt
    5. Journalist über Griechenland “Hier gibt es wirklich Massenarmut”
      Nach dem Ende des internationalen Hilfsprogramms für Griechenland gibt es für die Bevölkerung wenig Aussichten auf eine Verbesserung ihrer Lage. Von der grassierenden Armut, die den Alltag sehr stark dominiert, spricht der Journalist Niels Kadritzke, der zeitweise im Land lebt.
      Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und den niedrigen Löhnen bestimmen in Griechenland Armut und soziale Exklusion den Alltag. Auf den ersten Blick grenze es an ein Wunder, dass die Griechen nach acht Jahren Hilfsprogramm immer noch irgendwie durchhielten, sagte der Journalist und Griechenland-Kenner Niels Kadritzke im Deutschlandfunk Kultur.
      “Wenn man sich überlegen würde, dass ähnliche soziale Verwerfungen in Deutschland eingetreten wären, ich glaube, dann hätten wir ein hartes rechtsradikales Problem, was es in Griechenland so nicht gegeben ist.” Dass die Griechen relativ apathisch auf die Krise reagierten, habe viel mit der Dauer über viele Jahre zu tun. Die Menschen hätten sich der Lage angepasst, sagte Kadritzke.
      Quelle: Niels Kadritzke auf Deutschlandfunk Kultur
  3. Blick in den Norden
    Norwegen hat sich zweimal per Referendum gegen einen EU-Beitritt entschieden. Heute steht das Land an der Spitze der weltweiten Wohlstandsskala. Welche Rückschlüsse lassen sich daraus für den Brexit ziehen?
    Im ökonomischen und politischen Mainstream der Rest-EU ist das Brexit-Votum schlicht irrational. Die immer wieder angeführten Folgeabschätzungen gehen von einem Verlust an Wirtschaftskraft aus. Der Austritt der Briten bringe sie selbst um einen guten Teil ihres Wohlstands – die Szenarien reichen von einem kräftigen, aber verkraftbaren Rückgang bis zum regelrechten Kollaps der britischen Volkswirtschaft.
    Ein Blick nach Schweden zeigt, wie herausfordernd die EU-Regeln für großzügige Wohlfahrtsstaaten und Volkswirtschaften mit einem breiten öffentlichen Sektor sind. Bis zum EU-Beitritt galt das Land als Idealtyp des skandinavischen Wohlfahrtsmodells: hohe und gleichmäßige Verteilung der Einkommen, ein breiter öffentlicher Sektor, eine starke Umverteilung durch Steuer- und Sozialpolitik etc. Doch seither hatte die EU mehr Einfluss auf Schweden genommen als umgekehrt.
    Quelle: Makroskop
  4. Geschäfte mit der Wasserknappheit
    Laut den UN haben weltweit rund 750 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Mit der wachsenden Weltbevölkerung und den zunehmenden Dürreperioden wegen des Klimawandels dürfte sich die Wassernot noch verschärfen.
    Wassernotstand selbst in Deutschland
    Selbst im eigentlich wasserreichen Westeuropa hat der “Dürresommer” Spuren hinterlassen. In Deutschland trocknen Flüsse aus, manche Landkreise haben der Bevölkerung verboten, Wasser von dort zu entnehmen. In ein paar Kommunen wurde sogar der Notstand ausgerufen. Das Vogelsberg-Städtchen Ulrichstein muss Tanklaster einsetzen, um die Einwohner mit ausreichend Trinkwasser zu versorgen.
    In dem beschaulichen Kurörtchen Vittel in den französischen Vogesen ist die Lage besonders angespannt. Die Bürger liefern sich einen Kampf mit dem Mineralwasser-Konzern Nestlé Waters um ihr Wasser. Künftig sollen die 5000 Einwohner von Vittel über eine Pipeline mit Trinkwasser aus 15 Kilometer Entfernung versorgt werden, weil der Grundwasserspiegel jährlich um 30 Zentimeter sinkt. Nestlé Waters kann hingegen weiter rund 750 Millionen Liter Wasser jährlich aus dem Boden von Vittel schöpfen.
    (…) Tatsächlich sprudelt das Mineralwasser-Geschäft so kräftig wie nie. In Deutschland stieg zuletzt die Mineralwasserproduktion auf ein Rekordniveau. Und in Schwellenländern boomt die Nachfrage nach in Flaschen gefülltes Trinkwasser, weil viele Städte keine ausreichende kommunale Wasserinfrastruktur besitzen. Nestlé mit den Marken Vittel und San Pellegrino, Coca-Cola mit Vio sowie Danone mit Volvic und Hayat liefern sich hier einen Kampf um den Durst der Asiaten und Südamerikaner.
    Quelle: Tagesschau
  5. Staatsgeld für Turbobauern
    Die Dürrehilfen belohnen extrem wachstumsorientierte Unternehmen. Diese verdrängen kleine Familienbetriebe – und rechnen sich jetzt künstlich arm.
    Die von Bundesagrarministerin Julia Klöckner versprochenen Dürrehilfen für Bauern sind vor allem eins: ein Fehler, der die Falschen belohnt. Denn diese 340 Millionen Euro für Ernteausfälle bevorteilen Unternehmer, die leichtsinnig gewirtschaftet haben. Diese Betriebe haben zu viel in schnelles Wachstum investiert.
    Sie haben überhöhte Preise für Äcker und Wiesen gezahlt und dadurch kleinere Höfe verdrängt. Sie haben sich dermaßen spezialisiert, dass sie Verluste bei ihrem Hochleistungsweizen nicht durch bessere Erträge bei anderen Früchten ausgleichen können. Sie haben zu wenig wasserspeichernden Humus in ihren Böden aufgebaut, weil sie auf kurzfristigen Gewinn schielen.
    Diese Turbobauern mit ihren oft riesigen Betrieben können sich nun arm rechnen. Schließlich haben sie ihre Unternehmen zum Beispiel als Gesellschaften mit beschränkter Haftung organisiert. So können sie weiter ihre Gehälter kassieren, aber die Reserven des Betriebs ausgeben und ihn als existenzbedroht darstellen, um die Bedingungen für die Subventionen zu erfüllen. So bereits bei der Dürrehilfe 2003 geschehen, was etwa der Landesrechnungshof Sachsen kritisierte.
    Auch dieses Mal werden nicht 10.000 Betriebe pleitegehen. Schon weil wegen des geringeren Angebots etwa die Weizenpreise um 25 Prozent höher sind als vor einem Jahr und weil viele frühere Ernten hervorragend waren. Selbst die für lange Zeiträume festgelegten Milchpreise werden über kurz oder lang steigen.
    Echte Familienbetriebe dagegen sind meist Einzelunternehmen oder Personengesellschaften, bei denen der Bauer mit seinem Privatvermögen haftet. Auch deshalb handeln sie vorsichtiger und nach der Regel „Eine Ernte im Feld, eine Ernte im Lager, eine Ernte auf der Bank“. Wer so wirtschaftet, überlebt auch diese Dürre.
    Quelle: taz

    dazu: Wer Steuergeld will, muss anders arbeiten
    Das Geld der Steuerzahler macht schon jetzt einen großen Teil ihrer Einnahmen aus. Fast die Hälfte des EU-Haushalts zahlt die Europäische Kommission Landwirten in Form von Subventionen. Die Bundesregierung stockt die Milliarden aus Brüssel regelmäßig noch auf. Zwischen 80 und 400 Millionen Euro jährlich steckte der Bund in den vergangenen Jahren in zusätzliche Hilfen. Was liegt für Bauern da näher, als in einem schlechten Jahr einfach das Doppelte zu fordern? […]
    Doch auch wenn dieses Mal weniger Geld als gefordert fließen sollte – es ist längst Zeit für eine viel größere Wende in der deutschen Agrarpolitik: Die große Koalition muss neuerliche Hilfen an eine Reform des Agrarsektors knüpfen.
    Denn es hilft langfristig nicht, wenn die Nöte nur mit Geld gekittet, die Ursachen der Probleme aber nicht beackert werden. Niedrige Preise für gesunde Lebensmittel, die Pflege von Landschaft und Gewässern: Es gibt viele Gründe, Landwirte mit Steuergeld zu unterstützen. Doch die Mitschuld am Klimawandel und wachsende Umweltprobleme bei der Qualität von Böden und Gewässern durch Massentierhaltung und extensive Landwirtschaft machen klar: In der heutigen Form sind viele Praktiken nicht zukunftsfähig. Stützt die Regierung das alte System, drohen die Probleme größer statt kleiner zu werden.
    Schon die Dürre zeigt, dass sich die Branche verändern muss. Wo früher Bäume und Sträucher die Äcker säumten, wachsen heute Mais oder Raps auf immer größeren Feldern. Böden trocknen so schneller aus, Insekten können in solchen Monokulturen schwer überleben. Vielfalt im Ackerbau, ein geringerer Verbrauch von Pflanzengiften und Dünger wären ein guter Ansatz für eine bessere Umweltbilanz. Zum Umsteuern fehlen den Landwirten bislang aber Vorgaben und Anreize. Während Energiebranche oder Verkehrssektor von der EU immer strengere Auflagen für ihr Wirtschaften bekommen, werden die Subventionen in der Landwirtschaft zum Großteil nach Fläche ausgezahlt. Die 350 Milliarden Euro, die Brüssel in Siebenjahreszyklen ausschüttet, sind nur zum kleinen Teil an Bemühungen um Umweltschutz auf den Feldern geknüpft.
    Der Zeitpunkt zum Umsteuern könnte kaum besser sein: Gerade wird in Brüssel der Verteilungsschlüssel für die Agrarsubventionen von 2021 an festgelegt. Neue Auflagen wären machbar. Doch die Bundesregierung droht die Chance zu vergeben. An der Seite des Bauernverbands will Agrarministerin Julia Klöckner Umweltvorgaben verhindern. Von zu viel Bürokratie ist die Rede.
    Quelle: Süddeutsche

  6. Zuwanderungsregeln: Jetzt kommt es auf die Ausgestaltung an
    “Schon heute fehlen 1,6 Millionen Arbeitskräfte”, betonte Schweitzer gegenüber dem “Handelsblatt”, “daher brauchen wir neben großem Engagement mit Blick auf inländische Potenziale dringend auch parallel bessere Zuwanderungsregeln.”
    Nun komme es auf die konkrete Ausgestaltung der großen Linien an, fuhr der DIHK-Präsident fort: “Der vereinfachte Zugang zum Arbeitsmarkt für beruflich Qualifizierte kann den in vielen Branchen wachsenden Fachkräftemangel lindern. Ebenso muss ein befristeter Aufenthalt für Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung zur Arbeitsplatzsuche ermöglicht werden.” Es gelte, unnötige Hürden bei den Kriterien hierfür zu vermeiden.
    Schweitzers Angebot: “Wir sind seitens der Wirtschaft bereit, uns in der Umsetzung mit zu engagieren, damit die Betriebe dringend benötigte Fachkräfte auch aus dem Ausland einstellen können.”
    Quelle: DIHK

    Anmerkung Christian Reimann: Dass sich die hiesigen Konzerne über den Eckpunkte-Entwurf der Bundesregierung freuen würden, war abzusehen. Insbesondere bei den SPD-Mitgliedern der Merkel-Regierung sollten jedoch die „Alarmsirenen“ läuten, wenn Lob und Bereitschaft zur Mitwirkung vom falschen Lager kommt. Die Folgen für das Ausland dürften verheerend sein, da dort dann die Fachkräfte fehlen werden.

    Bitte lesen Sie dazu auch Der Grundwert der westlichen „Werte“gemeinschaft: Egoismus. Ein neuer Beleg: Fachkräfte-Einwanderungsgesetz.

    dazu: Einwanderungsgesetz: Was im neuen Einwanderungsgesetz stehen sollte
    Endlich schreibt die Regierung ein echtes Einwanderungsgesetz. Diese Inhalte sollte es enthalten, um den Fachkräftezuzug und Teile des Asylrechts neu zu regeln.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung J.K.: “Der Vorschlag stammt in ähnlicher Form vom Bundesverband der Arbeitgeber.” Lange Rede kurzer Sinn, Linksliberale und Neoliberale ziehen hier am gleichen Strang.

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Hier wird im Wesentlichen gefordert, alle noch bestehenden Beschränkungen (Qualifikationsschutz, Gehaltsgrenzen für Zuwanderer…) nieder zu reißen. Der Staat darf z. B. die deutschen Botschaften im Ausland, die sicher Langeweile haben, in Anwerbeämter im Dienste der “deutschen Wirtschaft” umfunktionieren und soll munter jedwede Qualifikation “unbürokratisch” anerkennen – man fragt sich schon, wofür man 3 Jahre und eine Abschlussprüfung im vielgelobten deutschen dualen System braucht, wenn auch ein oder zwei Jahre Praxiserfahrung in Pakistan oder Brasilien genügen.

    Allen Ernstes werden die viel zu niedrigen, bis heute geforderten Einkommensgrenzen für Akademiker, in “Mangelberufen” (40.000 Euro, ein normales Anfängergehalt) als zu hoch und Hindernis gescholten.

    Vorrangprüfung weg, Einkommensgrenzen auf das Mindesteinkommen senken, “Jugendliche dürfen auch ohne Job einwandern”, denn “[i]n Deutschland gibt es einen ungedeckten Bedarf an geringqualifizierten Arbeitskräften.” Dieser Teil ist besonders faszinierend, denn genau das, die mangelnde Qualifikation, wird durch die Bank den Arbeitslosen in Deutschland vorgeworfen.

  7. Vom unrentablen Menschen
    Der Neofaschismus ist in Europas Regierungen angekommen. Die Konsequenzen insbesondere für Geflüchtete und Minderheiten sind mörderisch
    (…) Kurz: »Es gibt soziale Spaltung nicht nur zwischen immer weniger Gewinnern und immer mehr Verlierern, sondern auch unter den Verlierern selbst. Noch-Beschäftigte und Arbeitslose, Frauen und Männer, Junge und Alte, prospektive Erben und Kinder von Vermögenslosen, Gesunde und Kranke, Nichtbehinderte und Behinderte, Inländer und Ausländer stehen gerade auf Armutsniveau einander gegenüber; und es geht darum, ›für wen es noch reicht.‹«
    Und es geht auch darum, wer »noch dazugehört«. Wer einen Ausweis bekommt und wer bleiben darf. …Gleichwohl haben sich die bedrohten Minderheiten einem System zu fügen, das ihnen eben diesen Schutz mehr und mehr verweigert und sie stattdessen in einen Konkurrenzkampf unter ihresgleichen treibt.
    Noch einmal Robert Kurz: »Mitten in den Demokratien findet eine strukturelle Entzivilisierung und Enthumanisierung statt, die man bisher weit draußen in der sowieso schon großenteils abgeschriebenen Peripherie des Weltmarkts wähnte (…). Unter diesen Bedingungen befinden sich die klassischen Krisenreaktionen und Krisenideologien des Sexismus, Rassismus und Antisemitismus weltweit im Vormarsch, quer durch alle sozialen Schichten (…). ›Survival of the fittest‹ ist als gar nicht mehr klammheimliche Parole wieder angesagt. Die zugrundeliegende Logik besagt, dass nicht das zum Naturgesetz erklärte warenproduzierende Patriarchat zur Disposition steht, sondern das Lebensrecht und das Lebensinteresse der unrentablen Menschen.«
    Quelle: junge Welt
  8. Wohnungsnot
    1. Regierungsberater: Sozialen Wohnungsbau zurückfahren
      Ein Beratergremium der Bundesregierung empfiehlt in einem Gutachten, die Mietpreisbremse zu streichen und den sozialen Wohnungsbau zurückzufahren. Vielmehr solle das Wohngeld angepasst werden. Die Vorschläge stoßen vor allem beim Deutschen Mieterbund auf Kritik.
      Der soziale Wohnungsbau soll zurückgefahren, die Mietpreisbremse ersatzlos gestrichen werden. Vor allem diese zwei Vorschläge des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie haben es durchaus in sich.
      “Nur der Marktmechanismus schafft es, dieses Verteilungsproblem oder das Knappheitsproblem zu lösen. Alle Maßnahmen, mit denen man die Preissteigerungen verhindert, lösen ja das Verteilungsproblem nicht”, sagt einer der Autoren Friedrich Breyer.
      Die Ausrichtung in der Wohnungspolitik ist für den Wissenschaftler klar: So viel Staat wie nötig, so viel Markt wie möglich. Auf der Vorschlagliste steht auch: Bodensteuer statt Grundsteuer, damit sich das Spekulieren mit leerstehenden Gebäuden nicht lohnt. Oder auch: Die Grunderwerbssteuer in allen Bundesländern auf etwa 3,5 % zu senken.
      Auch eine wirkungsvolle Mietpreisbremse würde die Anreize für Neubauten verringern und die Wohnungs-Knappheit in Ballungsgebieten nur weiter verschärfen, sagt Breyer. Sozialer Wohnungsbau führe zu sozialen Ghettos und es gäbe Fehlbelegungen. Das heißt: Viele, die sich auch teurere Wohnungen leisten könnten, kriegen eine mit sozialer Bindung.
      “Sozialer Wohnungsbau kann niemals dazu führen, dass alle Bedürftigen eine Sozialwohnung bekommen. Also Sozialer Wohnungsbau löst das Problem nicht, um das es geht. Und deswegen muss man sich eben nach einem anderen Instrument umschauen. Wir sind der Meinung, Sozialer Wohnungsbau soll zurückgefahren werden. Wenn überhaupt Politiker meinen, Sozialen Wohnungsbau aus wahltaktischen Gründen, sagen wir mal, aufrecht erhalten zu müssen, dann nur mit einer konsequenten Fehlbelegungsabgabe und in durchmischten Wohngebieten.”
      Quelle: Deutschlandfunk

      Anmerkung unseres Lesers M.W.: Der sogenannte Wissenschaftliche Beirat findet, es gäbe gar keinen Mangel an bezahlbaren Wohnraum, die Einkommen seien lediglich zu niedrig um die sehr bezahlbaren Wohnungen auch zu bezahlen(!). Alle Vorschläge gehen dahin, Wohnraumspekulanten staatliches Geld in den Rachen zu werfen, durch Senkung der Grundsteuer und ein Wohngeld, bei dem die anrechenbare Höhe stetig weiter aufgeweicht werden soll. Damit wird jede rationale Preisbildung ausgehebelt. Vermieter können dann astronomische Mieten verlangen: der Staat zahlt ja eh. Dazu soll die Wohnungsnot mutwillig weiter verschärft werden durch Abbau von Sozialwohnungen und Streichen der Mietpreisbremse. Die Tagesschau tut so, als handele es sich um einen seriösen, wissenschaftlichen Vorschlag und versäumt es damit einmal mehr, ihrem Bildungsauftrag nachzukommen.

      Anmerkung André Tautenhahn: Ein wesentlicher Punkt wird gar nicht betrachtet. Und zwar der Ausverkauf des öffentlichen Wohnungsbestandes. Gerade erst hat wieder ein Pensionsfonds für eine Milliarde Euro Wohnungen erworben und will die Mieten erhöhen. Die NachDenkSeiten haben in der letzten Woche darauf hingewiesen. Bezahlbaren Wohnraum kann es nur geben, wenn man zurückkommt zum Gedanken der Gemeinnützigkeit. Stattdessen lässt man aber die Renditejäger ständig gewähren und streitet dann über eine Mietpreisbremse.

    2. Realitätsfremd: Beirat des Wirtschaftsministeriums gegen Mietpreisbremse und sozialen Wohnungsbau
      Zu heute bekannt gewordenen Vorschlägen des Wissenschaftlichen Beirats beim Wirtschaftsministerium, nach denen die Mietpreisbremse abgeschafft und auf den sozialen Wohnungsbau weitgehend verzichtet werden soll, erklärt Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied:
      “Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung lebt offensichtlich auf einem anderen Stern. Was dieses Gremium vorschlägt, hat mit der Lebenswirklichkeit der Menschen in unserem Land nichts zu tun. Das ist nichts anderes als Wohnungspolitik nach dem Motto ‘Der hat, dem wird gegeben’. Eine weitere Spaltung der Gesellschaft wäre damit vorprogrammiert.
      Mehr sozialer Wohnungsbau ist notwendig und nicht weniger. Die Verdrängung von Arbeitnehmern aus den Innenstädten muss endgültig beendet werden. Dazu braucht es mindestens 100.000 preis- und belegungsgebundene Neubauten jährlich. Auch die Mietpreisbremse muss verschärft werden, um die Explosion der Mieten endlich einzugrenzen. In das Gesetz müssen ein Rechtsanspruch auf Auskunft über die Vormiete und Sanktionen für die Vermieter, die sich dem verweigern.
      Dass Arbeitnehmer in der Spitze bis zu 50 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden müssen ist ein Skandal. Doch das können sich gut abgesicherte und besoldete Wissenschaftler selbst wohl nicht vorstellen.”
      Quelle: DGB
    3. Wie die Immobilienkonzerne von der Wohnungsnot profitieren
      Steigende Mieten haben dem Immobilienkonzern Deutsche Wohnen im ersten Halbjahr im laufenden Geschäft mehr Gewinn eingebracht. Die meisten Immobilien des Unternehmens liegen in Ballungszentren, wo es immer weniger bezahlbaren Wohnraum für geringere Einkommen gibt. Knapp drei Viertel der Wohnungen befinden sich in Berlin.
      In der ersten Jahreshälfte legte das Betriebsergebnis im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12,5 Prozent auf 248,5 Millionen Euro zu, wie der MDax-Konzern aus der Hauptstadt am Dienstag mitteilte. Für das Gesamtjahr peilt die Deutsche Wohnen hier weiterhin rund 470 Millionen Euro an. Das wären fast neun Prozent mehr als 2017.
      Außerdem setzt der zweitgrößte deutsche Wohnungskonzern seine Expansion im Geschäft mit Pflegeheimen fort. Das Unternehmen erwarb 30 Pflegeeinrichtungen mit rund 4700 Pflegeplätzen, wie der Konzern mitteilte. Der Kaufpreis liege bei rund 680 Millionen Euro. „Mit über 12.000 Pflegeplätzen werden wir als einer der größten Eigentümer von Pflegeimmobilien in Deutschland von den positiven Makrotrends im Pflegemarkt stark profitieren“, sagte Konzernchef Michael Zahn.
      Quelle: FAZ
    4. Wohnen ist ein Menschenrecht
      Fehlende Wohnungen, zunehmende Obdachlosigkeit, steigende Immobilienpreise und Mieten: Das grundlegende menschliche Bedürfnis nach einer angemessenen Wohnung wird in Deutschland zunehmend nicht erfüllt. Wie eine fortschrittliche Wohnungspolitik aussehen könnte, zeigt der neue Attac-Basistext „Wohnen ist ein Menschenrecht“. Die Autoren untersuchen die Ursachen der Wohnungskrise und machen Vorschläge, wie das Menschenrecht auf Wohnen als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge besser verwirklicht werden kann.
      „Durch die steigende Konzentration des Reichtums gibt es weltweit immer mehr Vermögen, das nicht gewinnbringend angelegt werden kann. Die Folge: Kapital fließt zunehmend in den Immobiliensektor. Wohnen wird zur Ware, Immobilien werden zu Anlageobjekten“, sagt Autor Thomas Eberhardt-Köster. Eine weitere Ursache der Krise sind den Autoren zufolge die Privatisierungen öffentlicher Wohnungen und die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit Ende der 1980er Jahre.
      Der Text zeigt aber auch, dass es Alternativen gibt und schildert, wie sich Betroffene gegen Mieterhöhungen und Vertreibung wehren. Der Widerstand geht von der Unterschriftensammlung bis zur Hausbesetzung. Die anstehende Reform der Grundsteuer muss den Autoren zufolge genutzt werden, um Bodenspekulation einzudämmen. Zudem stelle sich die Frage, ob Privateigentum an Grund und Boden noch angemessen ist oder Kommunen Grundstücke Privaten nur zur Nutzung überlassen sollten.
      Mit den Folgen der Krise auf dem Wohnungsmarkt sind vor allem die Städte konfrontiert. „Die Wohnungsfrage wurde in den letzten Jahren zunehmend auf die Kommunen abgewälzt. Gleichzeitig haben diese aufgrund der prekären finanziellen Lage vieler Kommunen nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, die Krise zu bewältigen“, stellt Autor Wolfgang Pohl fest.
      Quelle: attac
    5. Bürgerbewegung für mehr Sozialwohnungen
      Weil es immer schwerer wird, an eine bezahlbare Wohnung zu kommen, haben sich Bürger in Frankfurt am Main zu einem Bündnis zusammengetan. Ihr Ziel: Über einen Bürgerentscheid die städtische Wohnungsbaugesellschaft zu verpflichten, in Zukunft nur noch Sozialwohnungen zu bauen.
      Der Saal im Frankfurter DGB-Haus ist gut gefüllt. Rund 100 Menschen sind zum ersten Treffen der Initiative “Mietentscheid” Frankfurt gekommen. Plakate werden aufgehängt mit Sprüchen wie: “Ein Leben lang hart gearbeitet? Mieterhöhung kommt bestimmt”. Oder “Für ne gute Wohnung zahlst Du gerne mehr? Hier sind auch die schlechten unbezahlbar.” Auch die alte Hassliebe zur Nachbarstadt wird bemüht, um die Wohnungsnot deutlich zu machen: “Wohnraum in Frankfurt? Gibt es nur noch in Offenbach.” Der Politikwissenschaftler Alexis Pasadakis von Attac ist der Sprecher des “Mietentscheids” Frankfurt am Main:
      “Was wir zurzeit in Frankfurt erleben, ist eine krasse Verdrängung von Haushalten mit niedrigen und mittleren Einkommen. Diese Verdrängung führt zu Verzweiflung bei vielen Menschen. Der geförderte Wohnungsbau wurde viele Jahre lang vernachlässigt, sowohl von Sozialwohnungen als auch von Mittelschichtswohnungen. Und deshalb sind wir der Überzeugung, dass rasch zusätzlich viele zusätzliche geförderte Wohnungen geschaffen werden müssen. Und deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die ABG in Zukunft zu 100 Prozent geförderten Wohnbau errichtet.”
      Quelle: Deutschlandfunk

      Anmerkung Christian Reimann: Solche Bündnisse/Initiativen sind zu begrüßen. Vermutlich gibt es sie bereits in vielen Kommunen – so erfreulicherweise z.B. auch in Osnabrück.

  9. Vier VW-Mitarbeiter belasten Winterkorn und Diess
    In der VW-Dieselaffäre geraten der ehemalige Konzernchef Martin Winterkorn und der amtierende Vorstandsvorsitzende Herbert Diess immer stärker in den Blick der Justiz. Nach SPIEGEL-Informationen haben vier in der Affäre beschuldigte Techniker und ehemalige Manager bei der Staatsanwaltschaft in Braunschweig Aussagen getätigt, die Winterkorn und Diess belasten könnten. (…)
    Dabei stimmen sie im Kern in ihren Aussagen überein, dass die VW-Führungsspitze frühzeitig und umfassend über die in den USA eingesetzte Umschaltsoftware in Diesel-Pkw und über drohende Strafzahlungen informiert worden seien. Trotzdem seien die US-Behörden später hingehalten worden. Auch eine Information für die Aktionäre gab es nicht.
    Bei ihren Aussagen beziehen sich die Mitarbeiter auf den sogenannten Schadenstisch am 27. Juli 2015, eine Veranstaltung, die Ex-Chef Winterkorn ins Leben gerufen hatte, um Missstände und Fehler zu besprechen, und an der auch der damalige VW-Vorstand Diess teilnahm.
    Bei dem Treffen soll im Kreis von etwa einem Dutzend Managern ungefähr eine halbe Stunde lang über wesentliche Aspekte der später als illegal eingestuften Umschaltsoftware, über drohende Schäden, Strafen und Handlungsoptionen in den USA gesprochen worden sein. Es wurden auch Folien präsentiert, aus denen das Ausmaß des US-Betruges sichtbar geworden sein soll. Ausgeteilte Kopien habe man aus Sicherheitsgründen später wieder eingesammelt.
    Quelle: Spiegel Online

    dazu: Die Trickreichen – wie Manager und Unternehmer versuchen, ihren Reichtum zu schützen
    Martin Winterkorn, der ehemalige VW-Chef, ist daher ein idealer Kunde für ein verschwiegenes Gewerbe: “Asset Protection” oder Vermögensschutz nennt sich die Dienstleistung, die spezialisierte Berater und Anwälte anbieten. Sie verstehen sich auf Tricks, die Güterstandsschaukel, Familienheimschaukel oder privatnützige Stiftung heißen. Meist bleiben sie geheim, öffentlich werden sie oft nur, wenn etwas schiefgeht.
    So wie bei Winterkorn, gegen den wegen des Dieselskandals ermittelt wird. Die “Bild am Sonntag” berichtete, dass er womöglich Geld in die Schweiz geschafft und seiner Frau Anita 3,4 Millionen überschrieben habe, ohne Schenkungsteuer zu bezahlen. Alles streng legal, versichern Winterkorns Anwalt und Steuerberater.
    Aber es geht nicht nur um die Steuer. In den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber die Haftung von Managern drastisch verschärft. “Vor zehn Jahren hat Asset Protection kaum einen interessiert. Das ist heute anders”, sagt der Münchner Rechtsanwalt Johannes Fiala, “natürlich sind Vorstände gut beraten, Vorsorge zu treffen.” Alarmiert hat viele Wirtschaftsleute der Fall des früheren Deutsche-Bank-Chefs Rolf Breuer. Der hatte 2002 im Fernsehen die Kreditwürdigkeit des Filmmoguls Leo Kirch infrage gestellt, der dann tatsächlich pleiteging. Die Deutsche Bank musste Kirchs Erben 928 Millionen Euro Schadensersatz zahlen und holte sich einen Teil bei Breuer zurück. 90 Millionen übernahm dessen Managerhaftpflichtversicherung, aber 3,2 Millionen musste er aus eigener Tasche zahlen. Auch ehemalige Siemens-Vorstände wurden für die Folgen der Schmiergeld-Affäre in Haftung genommen. Ein Manager wurde zu 15 Millionen Euro Schadensersatz verurteilt.
    Bei VW sind die Dimensionen nun viel größer: Rund 27 Milliarden Euro hat den Konzern der Diesel-Betrug bisher gekostet. Der Aufsichtsrat ist gesetzlich verpflichtet, Schadensersatzansprüche auch durchzusetzen. Und diesmal könnte sogar die Managerhaftpflichtversicherung die Zahlung verweigern, wenn Winterkorn bei den Manipulationen vorsätzlich gehandelt haben sollte. Als Vorstandschef hat er im Lauf der Jahre mehr als 100 Millionen Euro verdient, dazu Pensionsansprüche von rund 30 Millionen Euro erworben. Bei VW dauern die Prüfungen an. Aber im Extremfall wäre Winterkorn ruiniert.
    Quelle: Stern

  10. Österreich als sozialpolitischer Prügelknabe der Merkel-EU?
    Der Zentralisierungsangriff auf die Regionalkrankenkassen der Alpenrepublik
    Zu den Kronjuwelen des österreichischen Sozialstaats zählen die 9 Gebietskrankenkassen. Jede von ihnen ist für die große Mehrheit der Bevölkerung in einem der neun österreichischen Bundesländer zuständig. Die menschenfeindliche Regelung einer aus der Krankenversicherung ausgesonderten kümmerlichen Teilkasko-Pflegeversicherung, wie sie in Deutschland besteht, kennt man in Österreich nicht.
    Ebenso wenig gibt es im Nachbarland den abstoßenden “Wettbewerb” von angeblich sozialen Kassenkonzernen um “gute Risiken”: Das sind Versicherte mit möglichst hohem Einkommen und mit möglichst guter Gesundheit. Unmöglich sind bei den österreichischen Gebietskrankenkassen auch so ekelhafte Deals, wie sie manche deutschen Krankenkassen mit Ärzten machen. Diese diagnostizieren dann Kranke als noch Kränkere, damit deren Kassen für sie dadurch “Morbiditätsausgleich” kassieren können.
    Vor allem aber hat in Österreich der Staatshaushalt keinen direkten Zugriff auf die Kassenfinanzen. Immerhin sind diese ja Lohnfonds, gebildet aus den Beitragszahlungen der Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer aus deren Bruttolöhnen. Im Unterschied dazu hat sich Deutschland mit dem so genannten zentralen “Gesundheitsfonds”, der als Finanzkarussell zwischen den Kassenkonzernen fungiert, eine ergiebige Geldquelle erschlossen.
    Mit Hilfe von Krankenversicherungsbeiträgen kann auch über ihn ein verschuldungsfreier Bundeshaushalt erreicht werden. Die außerdem bei den Kassenkonzernen zu Lasten der Versicherten zusammengesparten Milliardenüberschüsse erlauben es der Berliner Regierung zusätzlich, gegenüber der Rest-EU finanzstatistisch Schuldenfreiheit vorzutäuschen. Dieser Beitragsmissbrauch heißt “Schwarze Null”.
    Zu welchen Abwegigkeiten es der deutsche Sozialstaat mittlerweile gebracht hat, zeigt sich im Zusammenhang der Minus-Zins-Debatte: Dass die EZB-Geldpolitik eine zwangsläufige Folge der Austerity-Offensive des Berliner Regimes vor allem gegen die südeuropäischen Volkswirtschaften und Gesellschaftsordnungen ist, hat sich herumgesprochen.
    Nicht durchschaut ist bisher, wie das Berliner Parlament die bei der EZB-Geldpolitik unvermeidlichen Zinsverluste der Beitragsüberschüsse benutzt, um nach der Rentenversicherung nun auch die Krankenversicherung der globalen Finanzspekulation auszuliefern. Mit dem Alibi der Zinsverluste wurde es kurz vor der Bundestagswahl den deutschen Kassenkonzernen noch rasch erlaubt, ihre Pflichtrücklagen auch auf dem internationalen Aktienmarkt anzulegen.
    Quelle: Telepolis
  11. Israels Apartheid
    Sogar Staatspräsident Reuven Rivlin und Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit hatten protestiert. Dazu die Vertreter der arabischen Bürger Israels, etwa 20 Prozent der Bevölkerung, Sprecher bürgerlicher Parteien, die Friedensbewegung, Menschenrechtler, die Kommunistische Partei, die Homosexuellen, prominente Vertreter zahlreicher anderer Minderheiten – sie und viele mehr hatten gefordert, das höchst umstrittene rassistische Nationalitätengesetz zurückzuziehen. Doch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drückte es mit der knappen Mehrheit von 62 der 120 Abgeordneten durch die Knesset.
    Staatspräsident Rivlin beklagte zusammen mit Menschenrechtsorganisationen »Diskriminierung« von Muslimen sowie den Ausschluss von Bürgern »auf der Basis ihrer ethnischen Herkunft«. Parlamentsabgeordnete mit arabischen Wurzeln verurteilten das Gesetzeswerk als »Apartheidgesetz«. Ayman Odeh, der Vorsitzende der Liste arabischer Abgeordneter, sprach von einem Akt »jüdischer Vormacht«, der arabische Israelis zu »Bürgern zweiter Klasse« mache.
    Laut dem Zentrum für arabische Minderheiten in Israel enthält das Gesetz wesentliche Elemente der Apartheid, was international verboten sei, darunter den Paragrafen: »Der Staat sieht die Entwicklung jüdischer Gemeinden als nationalen Wert an und wird diese ermutigen und fördern.« Das Gesetz verankere die Identität des Landes als ausschließlich jüdisch – trotz seiner 1,5 Millionen palästinensischer Bürger. Das Nationalitätengesetz, das Hebräisch statt der bisherigen Zweisprachigkeit als offizielle Landessprache sowie ein »vereintes Jerusalem« als Hauptstadt festlegt, definiert Israel als nationale Heimstatt des jüdischen Volkes. Es wird Teil des israelischen Grundgesetzes, das praktisch als Verfassung fungiert.
    (…) Als EU-Vertreter Emanuele Giaufret gegenüber Abgeordneten der Knesset nur andeutete, das Gesetz »rieche nach Rassismus«, erteilte ihm der Ministerpräsident eine Rüge. Denn, so Netanjahu, »im Nahen Osten ist es nur Israel, das die Rechte aller Bürger respektiert«.
    (…) Erst im März hatten die Vereinten Nationen (VN) eine Untersuchung zweier US-Wissenschaftler veröffentlicht, die Israel der Verübung internationaler Apartheid-Verbrechen für schuldig erklärte. Israels »Politik, Methoden und Maßnahmen schaffen ein System rassischer Diskriminierung, die den regionalen Frieden und die Sicherheit der Region bedrohen«, heißt es dort. Mitautorin Virginia Tilley erklärte: »Wir reden nicht länger vom Risiko der Apartheid, sondern von der Anwendung von Apartheid.«
    Vereinten Nationen hätten ihr Dokument nicht unter dem Druck der USA und Israels zurückziehen sollen. Die Verabschiedung des Nationalitätengesetzes bestätigt: Der VN-Bericht stimmte.
    Quelle: Ossietzky
  12. Das Letzte: Bundeswehr ist »der beste Multiplayer« – Scharfe Kritik für Gamescom-Werbung
    Die Gamescom-Plakate der Bundeswehr lassen Krieg wie ein Spiel klingen, klagen viele Twitter-Nutzer an. So heißt es da etwa: »Mehr Open World geht nicht.«
    Jedes Jahr ist die Bundeswehr auf der Gamescom, um unter den Besuchern neue Bewerber zu finden – aber auf der Gamescom 2018 ernteten ihre Werbeplakate heftige Kritik. Sie klingen wie Werbeslogans für einen neuen Shooter: »Multiplayer at its best!« verkündet eines, »Mehr Open World geht nicht!« das andere. Erst im Kleingedruckten wird klar, worum es wirklich geht. »Echte Kameradschaft statt Singleplayer-Modus? Mach, was wirklich zählt. Lerne Teamwork kennen und bewirb dich für eine Karriere bei der Bundeswehr.«
    Quelle: GameStar

    Anmerkung unseres Lesers A.T.: Wie in fast jedem Jahr wird auf der Messe die Bundeswehr für ihre fragwürdigen Auftritte kritisiert. Doch der aktuelle Werbeauftritt ist die Krönung! Besonders zynisch: Die aktuelle Kriegsministerin war damals die Person, die in Deutschland die “Killerspiel-Debatte” ausgeschlachtet hat (Stichwort Zensursula).


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