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Titel: Nachzulesen mit Tucholsky

Datum: 8. Februar 2005 um 9:07 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Aufbau Gegenöffentlichkeit, Hartz-Gesetze/Bürgergeld
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Das unten wieder gegebene Gedicht von Kurt Tucholsky passt auf unsere Situation mit den permanenten Versuchen von Arbeitgebern, Druck auf die Löhne auszuüben und erkämpfte Rechte der Arbeitnehmer auszuhebeln.
Zum gleichen Thema eine Besprechung des Buches von Gabriele Gillen: “Hartz IV. Eine Abrechnung”.
Beide Hinweise verdanke ich einer Leserin.

Die freie Wirtschaft
Kurt Tucholsky (1930)

Ihr sollt die verfluchten Tarife abbauen.
Ihr sollt auf Euren Direktor vertrauen.
Ihr sollt die Schlichtungsausschüsse verlassen.

Ihr sollt alles weiter dem Chef überlassen.
Kein Betriebsrat quatsche uns mehr herein.
Wir wollen freie Wirtschafter sein!

Wir diktieren die Preise und die Verträge-
Kein Schutzgesetz sei uns im Wege.

Ihr braucht keine Heime für Eure Lungen,
keine Renten und Versicherungen.
Ihr sollt Euch allesamt was schämen,
von dem armen Staat auch noch Geld zu nehmen!

Ihr sollt nicht mehr zusammenstehen-
Wollt Ihr wohl auseinander gehen!

Ihr sagt: Die Wirtschaft müsse bestehen.
Eine schöne Wirtschaft! Für wen? Für wen?

Das laufende Band, das sich weiterschiebt,
liefert Waren für Kunden, die es nicht gibt.
Ihr habt durch Entlassung und Lohnabzug sacht
Eure eigene Kundschaft kaputtgemacht.
Denn Deutschland besteht-
Millionäre sind selten –
aus Arbeitern und Angestellten!

Und Eure Bilanz zeigt mit einem Male
einen Salda mortale.
Während Millionen stempeln gehen.
Die wissen, für wen!


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