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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 8. Dezember 2019 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Julian Assange
  2. Die Artenvielfalt stirbt – und wir schauen zu
  3. Im südlichen Afrika geht die schlimmste Dürre seit 1981 zu Ende – aber jetzt droht eine Hungersnot
  4. NATO-Gipfel
  5. Politik wie bei der Mafia: Die USA erpressen Schutzgeld von ihren „Verbündeten“
  6. French workers cherish their welfare state. That’s why they’re striking
  7. Windräder erzeugen so viel Strom wie noch nie
  8. Kein Recht auf Rendite, aber ein Grundrecht auf Wohnen
  9. Glyphosat: Gekaufte Studien?
  10. Spahn will Zugang für ausländisches Personal erleichtern
  11. Big Data in der Medizin: Die gläserne Zukunft
  12. Internationale Bildungsstudie: “PISA wird überinterpretiert”
  13. Peter Handke. Zum Beispiel
  14. SPD-Vorsitz

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Julian Assange
    1. Erst die Whistleblower, dann der Journalismus
      Bei einer Anhörung im Bundestag warnten Medienvertreter vor den Folgen des Feldzugs gegen WikiLeaks für die freie Presse
      Journalisten und Presseorganisationen haben sich bei einer Anhörung im Bundestag mit dem inhaftierten Kollegen und Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks, Julian Assange, solidarisiert. Zugleich warnten sie vor den Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gegen Assange auf den freien und investigativen Journalismus. Zu der Anhörung “Medien unter Beschuss”, an der rund 240 Gäste teilnahmen, hatte die Linksfraktion im Bundestag eingeladen. Im Beisein von John Shipton, dem Vater von Assange, ging es vor allem um die drohende Auslieferung des australischen Journalisten aus Großbritannien an die USA. Dort drohen dem 48-Jährigen lebenslange Haft oder womöglich sogar die Todesstrafe.
      Die Bundesgeschäftsführerin der Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union, Cornelia Berger, erklärte sich bei der Anhörung im Bundestag “an der Seite der Kolleginnen und Kollegen, um diese Auslieferung zu verhindern und Julian Assange vor weiteren Bedrohungen und Repressalien zu schützen”. Die Gewerkschaftsvertreterin wies auf die Notwendigkeit hin, die Whistleblower-Richtlinie der EU rasch in der bundesdeutschen Gesetzgebung zu überführen, denn “es gibt zunehmende Versuche, Journalistinnen und Journalisten zu kriminalisieren”. (…)
      Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen griff eine wiederkehrende Feststellung auf: “Nicht diejenigen, die Kriegsverbrechen aufdecken, gehören ins Gefängnis, sondern diejenigen, die sie befehlen, begehen oder vertuschen.” Ihre Fraktionskollegin und Mitorganisatorin Heike Hänsel verwies auf Analysen der New York Times, nach denen die Terroranklage gegen Assange “auf das Herz des ersten Verfassungszusatzes zielt”.
      Quelle: Telepolis

      Anmerkung: Lesen Sie dazu bitte auch: Offener Brief an den Erzbischof von Canterbury zum Thema Assange.

    2. Warum hilft kein EU-Land dem Wikileaks-Gründer?
      Assange geht es offenbar schlecht, UN-Experten und Ärzte beklagen psychische Folter. Das geht auch gegen die Pressefreiheit im Allgemeinen.
      (…) Über Assanges Methoden lässt sich streiten. Dass er die Klarnamen von Zuträgern der US-Regierung nicht geschwärzt hat, gefährdete Unschuldige. Ob es journalistisch nötig war, E-Mails von Hillary Clinton zu veröffentlichen und Donald Trump zum Wahlsieg zu verhelfen, ist fraglich. Aber nichts davon rechtfertigt die Auslieferung in die USA, wo ihm eine lebenslange Gefängnisstrafe droht. Umso unverständlicher ist, dass keine Regierung in Europa gegen die inhumane Inhaftierung interveniert. In der Schuld stehen auch die Medien, die sich mit den Wikileaks-Dokumenten als Enthüller profilierten. Die Verhandlung über seine Auslieferung soll am 25. Februar beginnen, vorausgesetzt er lebt dann noch.
      Quelle: Harald Schumann im Tagesspiegel

      Anmerkung Moritz Müller: Super, dass Harald Schumann vom Tagesspiegel sich für seinen Kollegen und Menschen Julian einsetzt.

      Anmerkung unserer Leserin S.B.: Es ist wichtig, dass dieser Kommentar am 02.12. in der Printausgabe des Tagesspiegels und nun auch online veröffentlicht wurde. Die von Journalist/innen gepflegte Mauer des Schweigens muss durchbrochen werden. In der Printversion lautete die Überschrift: “Haft für Assange – ein Anschlag auf die Pressefreiheit”.

    3. UN-Sonderberichterstatter über Folter widerlegt Aussagen des Auswärtigen Amtes zu Assange-Berichten
      Das Auswärtige Amt hat sich in einem wohl einmaligen Vorgang bis auf die Knochen blamiert. Von RT auf der BPK zu Berichten des UN-Sonderberichterstatters Nils Melzer über Julian Assange angesprochen, behauptet das AA, diese Berichte gebe es gar nicht. Dann kontert Melzer.
      Quelle: RT Deutsch
    4. Der Fall Julian Assange, der Fall Hans und Sophie Scholl
      von Dirk Pohlmann
      (…) Umso widerlicher ist es, wie der sogenannte freie Westen, der sich als Erfüllung der historischen Entwicklung zu einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung, zur Demokratie geriert, der sogar das Ende der Geschichte ausgerufen hat, jetzt mit Julian Assange, Chelsea Manning und Edward Snowden umgeht.
      Wer angesichts der Behandlung dieser politischen Gefangenen nicht an das Schicksal von Hans und Sophie Scholl denkt, wer behauptet, dass es keinerlei Ähnlichkeit zwischen ihnen gibt, weil das eine Verfahren in einer Diktatur, das andere in einem Rechtsstaat stattfindet, ist ein hervorragender Scherge, ein gehorsamer Untertan, aber kein Mensch mit Herz und Verstand.
      Was diesen Menschen droht, die Verbrechen der Mächtigen aufgedeckt haben, ist die Rache eines Systems, das nicht an seine eigenen Grundlagen glaubt, in dem sich die Verbrecher selbst straffrei stellen.
      Die Demokratie schützt die freie Rede, weil sie schlechthin konstituierend für die Demokratie ist, wie das Bundesverfassungsgericht in einem seiner klügsten Urteile schrieb. Sie schützt das Aufdecken von Missständen. Sie schützt die Medien, die darüber berichten, weil es ihre Aufgabe ist. Das Aufdecken von Missständen, Verbrechen und Korruption ist die konstante Reparaturarbeit an einem System, das um seine Unvollkommenheit weiß, aber auf Vollkommenheit zielt.
      Wäre das System annähernd das, was es vorgibt zu sein, ginge es ihm nur darum, ob die Verfehlungen, die von Assange, Manning und Snowden aufgedeckt wurden, so begangen wurden und wahrheitsgemäß berichtet wurden. Eine wahre Demokratie würde fragen: Stimmt das, was sie behaupten? Und wenn die Antwort „Ja“ ist, muss sie ihre Whistleblower schützen.
      Eine echte Demokratie würde Julian Assange die Möglichkeit geben, Wikileaks unter ihrem Schutz weiter auszubauen. Als Korrektiv, als Nachrichtenagentur, die konstant Rohmaterial über die übelsten Verfehlungen des Staates herausgibt. Sie würde Edward Snowden zum Minister für Informationssicherheit machen und Chelsea Manning an eine Universität berufen, wo sie praktische Ethik lehren würde.
      Sie würde diese 3 Helden nicht einkerkern und vernichten wollen.
      Aber die Realität ist anders, finster, der traurige Nachweis, dass unsere Staaten auf dem Holzweg sind.
      (…) Dass bei der Anhörung zum Fall Assange im Bundestag, die von der Linken veranstaltet wurde, kein Vertreter der Grünen anwesend war, nicht mal ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, und SPD, CDU AfD und FDP ebenfalls eine komplette NoShow aufführten, zeigt, wes Geistes Kind sie sind. Es zeigt, dass es nicht einmal bei dieser fundamentalen Frage den oft zitierten Konsens der Demokraten gibt. Es ist eine politische Bankrotterklärung der deutschen Parlamentarier…
      Quelle: KenFM
  2. Die Artenvielfalt stirbt – und wir schauen zu
    Heute wissen wir, dass das Aussterben von Arten etwas völlig Normales ist, Evolution eben. Die Wissenschaftler bezeichnen das gewöhnliche Entstehen und Vergehen von Arten in Zeiten ohne kosmische oder geologische Katastrophen als Hintergrundrate. Bei Säugetieren nimmt man an, dass etwa zwei von zehntausend Arten pro Jahrhundert aussterben.
    Der mexikanische Biologe Gerardo Ceballos und seine Kollegen haben diese Rate mit den in den letzten Jahrhunderten ausgestorben Säugetierarten verglichen (ohne die vielen gefährdeten und vom Aussterben bedrohten mitzurechnen) und sie sind zu dem beunruhigenden Schluss gekommen, dass die aktuelle Aussterberate bis zu hundert Mal höher als die Hintergrundrate liegt. Andere Forscher gehen vom Tausendfachen aus. In Zukunft könnte die Aussterberate sogar zehntausend Mal so hoch sein.[3] Doch selbst Ceballos vorsichtige Schätzungen lassen nur einen Schluss zu: nämlich, dass wir uns tatsächlich mitten im sechsten Massenaussterben der Erdgeschichte befinden.[4] (…)
    Die gute Nachricht ist: Es gibt einen großen Konsens unter Wissenschaftlern und Naturschützern darüber, welche Regelungen es bräuchte, um Biodiversität nicht nur an einzelnen Orten, sondern überall zu bewahren. Das gemeinsame Gutachten zum flächenwirksamen Insektenschutz, verfasst vom Sachverständigenrat für Umweltfragen und vom Wissenschaftlichen Beirat für Biodiversität und genetische Ressourcen sei nur als ein prominentes Beispiel genannt. Der Sachverständigenrat berät die Bundesregierung, der Beirat das Bundeslandwirtschaftsministerium, beides sind also Gremien mit Gewicht. Die wichtigsten Forderungen der beiden Räte: Wir müssen die Agrarförderung an ökologischen Belangen ausrichten. Wir müssen vielfältige Landschaftsstrukturen fördern. Wir brauchen weniger Pflanzenschutzmittel und Nährstoffeinträge. Wir müssen die bestehenden Schutzgebiete stärken, die künstliche Beleuchtung verringern und den Flächenverbrauch reduzieren.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  3. Im südlichen Afrika geht die schlimmste Dürre seit 1981 zu Ende – aber jetzt droht eine Hungersnot
    Die Folgen des Klimawandels sind im südlichen Afrika besonders stark zu spüren: In vielen Ländern hat es in diesem Jahr so wenig geregnet wie seit 1981 nicht mehr. Darunter dürften die Menschen noch monatelang leiden.
    (…) Von der Dürre betroffen sind nebst Simbabwe auch Teile von Sambia, Botswana, Angola, Namibia, Lesotho, Eswatini und Südafrika. Laut dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten hat es in diesen Ländern in diesem Jahr so wenig Niederschläge gegeben wie seit 1981 nicht mehr.
    Für die Hungerkrise sind in gewissen Regionen aber auch Sturmfluten und Überschwemmungen verantwortlich. So leiden Moçambique und Malawi sowie Teile Sambias und Simbabwes noch immer unter den Sturmschäden, welche die beiden Zyklone «Idai» und «Kenneth» im Frühling verursacht hatten.
    (…) Dürreperioden nehmen zu
    Für die außergewöhnliche Dürresituation im südlichen Afrika machen Experten hauptsächlich den Klimawandel verantwortlich. Dessen Folgen sind in der Region immer stärker zu spüren: Die Niederschläge bleiben seit einigen Jahren vermehrt aus, die Dürreperioden werden länger, die Gefahr von Hitzewellen steigt. So hat es laut dem Welternährungsprogramm in nur einer der fünf vergangenen Anbauperioden normal geregnet…
    Quelle: NZZ
  4. NATO-Gipfel
    1. Minimalkonsens Aufrüstung
      Angesichts heftiger transatlantischer und innereuropäischer Differenzen vor dem Londoner Jubiläumstreffen der NATO kämpft Berlin mit aller Macht für Geschlossenheit im Bündnis. “Der Erhalt der NATO” sei “in unserem ureigensten Interesse”, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits in der vergangenen Woche. Zur Beilegung der erbitterten Auseinandersetzungen zwischen den USA und Frankreich, zwischen Frankreich und der Türkei, zwischen der Türkei und den USA und zwischen anderen Mitgliedern der NATO soll auf Initiative von Außenminister Heiko Maas ein “Reflexionsprozess” gestartet werden, der neue Einigkeit schaffen soll. Die gegenwärtigen Streitigkeiten verdecken dabei, dass das westliche Kriegsbündnis eine beispiellose Aufrüstung eingeleitet hat, die innerhalb weniger Jahre fast eine halbe Billion Euro zusätzlich für militärische Zwecke mobilisieren wird. Bereits heute geben die NATO-Staaten knapp eine Billion Euro im Jahr für ihre Streitkräfte aus – beinahe sechsmal so viel wie China und sechzehn Mal so viel wie Russland. Erstmals übersteigt der deutsche Wehretat 50 Milliarden Euro.
      Quelle: German Foreign Policy
    2. Trump und der NATO-Gipfel – Plötzlich staatsmännisch?
      Drohungen, Vorwürfe, Eklats: Die Beziehung zwischen Trump und der NATO war bisher von wenig Harmonie geprägt. Doch auf dem Jubiläumsgipfel könnte der US-Präsident sich überraschend zugewandt zeigen.
      Quelle: Tagesschau.de

      Anmerkung Albrecht Müller: Diese Bericht der ARD aus Washington zeigt, wie verkehrt die bisherige Einschätzung des Verhältnisses des amerikanischen Präsidenten zur NATO gewesen ist. Die meisten Berichterstatter und Kommentatoren haben sich ins Bockshorn jagen lassen. Dabei war immer klar, dass der US-Präsident mit seinen Forderungen nach höheren Militärausgaben der Europäer und insbesondere Deutschlands als enger Freund und Unterstützer der NATO und ihrer militärischen Abenteuer gelten muss.

  5. Politik wie bei der Mafia: Die USA erpressen Schutzgeld von ihren „Verbündeten“
    Die USA behandeln ihre Verbündeten wie Vasallen oder Kolonien. Diese für viele provokante These konnte man in den letzten Tagen wieder in aktuellen Meldungen verfolgen. Wenn Sie das für undenkbar halten, lesen Sie es hier mit allen Quellen nach.
    (…) „Unter der Führung des Weißen Hauses fordert die Administration, dass Deutschland, Japan und eventuell andere Länder, die US-Truppen bei sich aufgenommen haben, die vollen Kosten für die in ihrem Land stationierten amerikanischen Soldaten tragen sollen — Plus 50 Prozent Aufschlag für Ehre, sie bei sich zu beherbergen, so teilte es ein Dutzend Mitarbeiter der Administration und andere Leute mit, die darüber informiert wurden. In einigen Fällen, können Nationen, die amerikanische Truppen beherbergen, gebeten werden, fünf oder sechs Mal mehr zu zahlen, als unter der „Kosten plus 50″ Formel.“
    Jetzt, acht Monate später, machen die USA ernst. Vor ca. zwei Wochen haben die USA von Japan gefordert, seine Zahlungen an die USA für die dort stationierten US-Truppen um mehr als das Vierfache von 1,8 Milliarden auf 8 Milliarden Dollar zu erhöhen. Auch in Südkorea machen die USA derzeit Druck, damit Südkorea, dass seine Schutzgeldzahlungen an die USA erst 2019 um fast 9 Prozent auf über 900 Millionen Dollar erhöht hat, weiter erhöht…
    (…) „Die Zeit der Geduld ist längst abgelaufen. Es ist an der Zeit, dass Sie das Gesetz anwenden (…) Wenn Sie dies nicht tun, sendet dies ein schreckliches Signal an andere Länder, dass sie die US-Gesetze ohne Folgen missachten können.“
    Die USA sind also der Meinung, dass andere Länder die US-Gesetze befolgen müssen. Deutlicher kann man das nicht formulieren: Wenn „US-Verbündete“ die US-Gesetze nicht befolgen, werden sie bestraft. Wie kann man da noch von souveränen Staaten sprechen? Das ist die gleiche Sprache, die man in London vor 150 Jahren gegenüber den Kolonien benutzt hat…
    Quelle: Anti-Spiegel
  6. French workers cherish their welfare state. That’s why they’re striking
    Yes, Macron’s reforms would probably save money – under the current system, authorities face a total pension deficit slated to reach between €8bn and €17bn by 2025. But they would also take a bludgeon to one of the best retirement systems in the world. In France, just 7% of older people are at risk of poverty. This is the lowest rate in the European Union, much less than the 19% in the UK and Germany. It’s also likely to be part of the reason why France has slightly greater life expectancy than either country. A system like this ought to be cherished and expanded, not cut. […]
    What’s actually far more outdated in 2019 is Macron’s insistence on chipping away at an effective and popular social welfare programme.
    Quelle: The Guardian

    Anmerkung André Tautenhahn: Man muss tatsächlich in die britischen Medien schauen, um ein einigermaßen differenziertes Bild zu den Protesten in Frankreich zu bekommen. Die Bewertungen aus Deutschland sind dagegen unterirdisch und lediglich vom Geist beseelt, dass der Nachbar nun unbedingt irgendwelche Reformen machen müsse, weil das Land ja viel zu viel Geld für Renten ausgebe und es natürlich nicht so weitergehen könne, dass Franzosen auch noch viel früher als die Deutschen in den Ruhestand wechselten. Das sei auf Dauer nicht tragfähig, so das Urteil, das leider nicht auf Fakten, sondern auf einem sonderbaren Glauben beruht. Dabei haben die Franzosen ein Rentensystem, das sehr gut funktioniert und hohe Akzeptanz genießt. Das deutsche Rentensystem ist hingegen nach den sogenannten Reformen ein ständiger Reparaturbetrieb und auf Dauer nicht tragfähig, da es immer mehr Menschen schnurstracks in die Altersarmut führt, auch mit der Grundrente, die Sozialdemokraten als großen sozialpolitischen Erfolg feiern. Der Guardian weist im Übrigen auch darauf hin, dass Macron die Reichen bei den Steuern entlastet (siehe Vermögenssteuer), während die Mehrheit der Bevölkerung Opfer zu erbringen habe. Darauf wird in deutschen Kommentaren leider überhaupt nicht eingegangen. Stattdessen wird, wie von Sabine Rau in den gestrigen Tagesthemen behauptet, dass die Franzosen die Revolution lieben, Veränderungen aber meiden. Leider falsch. Es ist nämlich schon die fünfte Republik.

    dazu: Großdemonstrationen: Soziologe sieht neue Lust am Protest in Europa
    Klimaschutz-Demonstrationen, Streiks in Frankreich, Anti-Regierungs-Proteste in Rumänien – Europa ist politisch in Bewegung. Dahinter stehe ein Demokratie- und Kapitalismusproblem, sagte der Soziologe Oliver Nachtwey im Dlf. Versprechen von Wohlstand und Teilhabe könnten immer weniger eingelöst werden.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung unserer Leserin U.P.: Solche Überschriften sind irreführend. Diese Demonstrationen geschehen doch nicht in erster Linie aus ‘Lust am Protest’, sondern weil die Protestierenden darüber wichtige Anliegen zum Ausdruck bringen wollen.

  7. Windräder erzeugen so viel Strom wie noch nie
    Die in diesem Jahr bisher produzierte Menge würden dem Energiekonzern Eon zufolge ausreichen, um den Stromverbrauch aller deutschen Haushalte abzudecken – für ein ganzes Jahr.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

    Anmerkung Christian Reimann: Vor allem Bundeswirtschaftsminister Altmeier möchte auf diese Art der Stromgewinnung offenbar verzichten. Bitte lesen Sie dazu auch:

  8. Kein Recht auf Rendite, aber ein Grundrecht auf Wohnen
    Wer im Sommer 2019 in Berlin der mietenpolitischen Auseinandersetzung folgte, wurde Zeuge einer ideologischen Schlammschlacht: Die Berliner Senatorin für Stadtentwicklung, Katrin Lompscher, hatte als Reaktion auf die gestiegenen Mieten in der Stadt einen Entwurf für ein „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin“ vorgelegt. Er sah unter anderem vor, die Mieten für fünf Jahre einzufrieren, eine Mietobergrenze einzuführen und Mieten möglicherweise sogar abzusenken. Explizit ausgenommen wurden seit 2014 fertiggestellte Immobilien, und weitere Sonderregelungen sollten „unbillige Härten“ für Vermieter vermeiden. Noch bevor jedoch irgendein Gesetz beschlossen war, wusste manch ein Vertreter der Immobilienbranche, dass damit die „linke Baubrigade“ die Hauptstadt auf direktem Weg zurück in die DDR führen würde. Diese schrille Polemik übertönt die Debatte, die eigentlich geführt werden müsste: eine Grundsatzdebatte über das Eigentum an Wohnraum.
    Als Gründe für steigende Mieten werden meistens das Bevölkerungswachstum in den Städten und zu wenig Neubau genannt. Diese Diagnose ist nicht falsch. Stadtsoziologen haben in den letzten Jahren allerdings rauf und runter analysiert, dass die Gründe tiefer liegen: So wurde etwa Ende der 1980er Jahre die Gemeinnützigkeit für den Wohnungssektor abgeschafft. Das heißt, für etwa 1800 Wohnungsunternehmen mit fast vier Mio. Wohnungen wurden die bis dahin geltenden Gewinnbeschränkungen aufgehoben. Darüber hinaus privatisierten Bund, Länder und Kommunen seit den 1990er Jahren über zwei Mio. Wohnungen. Der soziale Wohnungsbau wurde schrittweise abgebaut: „Allein zwischen 1992 und 2012 reduzierte sich die Anzahl der Mietpreis- und Belegungsbindungen im Sozialen Wohnungsbau von 3,6 Mio. auf unter 1,5 Mio. Wohnungen.“ Denn nach Ablauf der Förderprogramme wurden die ehemaligen Sozialwohnungen dem freien Markt überlassen. So hat man politische Gestaltungsmöglichkeiten aufgegeben. Der Markt sollte es von nun an regeln.
    Dieser Markt, der der reinen Lehre zufolge immer dort ein Angebot schafft, wo es eine Nachfrage gibt, bringt allerdings bevorzugt Eigentumswohnungen statt Mietwohnungen hervor. 2015 wurden weniger als 50 000 der insgesamt 217 000 fertiggestellten Wohnungen als Mietwohnungen errichtet:[3] „Gerade weil das Geschäft mit den Mietsteigerungen so attraktiv ist, wird zu wenig neu gebaut“, so der Stadtsoziologe Andrej Holm. Investoren bauen nur dann, wenn sie einen Gewinn erwarten.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  9. Glyphosat: Gekaufte Studien?
    Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Pestizid – und gleichzeitig wohl das umstrittenste. Für die Hersteller geht es um Milliarden. Vor allem für den heute zu Bayer gehörenden Konzern Monsanto, den wohl bekanntesten Hersteller von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln. Recherchen zeigen nun erstmals, dass Monsanto auch in Deutschland verdeckt Studien finanziert hat, die den Nutzen von Glyphosat betonen.
    Quelle: Monitor

    dazu: Verdeckte Finanzierung: Monsantos Lobbystudien zu Glyphosat
    Ein Glyphosat-Verbot würde in der EU Wohlstandsverluste in Milliardenhöhe verursachen. Mit dieser Warnung nahmen Monsanto und andere Glyphosat-Hersteller Einfluss auf die öffentliche und politische Diskussion über die Wiederzulassung des Unkrautvernichters. Ihr Beleg: Eine vermeintlich unabhängige Studie vom Institut für Agribusiness aus Gießen.
    Unsere Recherchen zeigen jetzt, dass diese Studie von Monsanto finanziert wurden. Der heutige Monsanto-Eigentümer Bayer räumte außerdem ein, dass die Studien auch von Monsanto beauftragt wurden. Noch vor wenigen Wochen hatte uns der Gießener Instituts-Leiter und Studienautor das Gegenteil gesagt. Der Fall belegt einmal mehr, mit welch unethischen Lobbymethoden Monsanto in den politischen und gesellschaftlichen Großkonflikt um Glyphosat eingreift. (…)
    Die Lobbyorganisationen verwendeten die Studie teilweise in einseitiger oder sogar verzerrter Form. Ein Beispiel ist die 20-seitige Broschüre „Pflanzenschutz mit dem Wirkstoff Glyphosat“ der Arbeitsgemeinschaft Glyphosat (pdf über archive.org). Unter Bezugnahme auf die Studien des Institut für Agribusiness heißt es dort „Experten“ würden die wirtschaftlichen Schaden eines Glyphosat-Verbots für die EU auf bis zu 4 Milliarden US-Dollar schätzen. Die EU müsse ohne Glyphosat 6,3 Mio. t Weizen importieren. (…)
    Inzwischen prüft auch die Universität Gießen den Fall. Die Universität hat in ihrer Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis bislang keine Regeln zur Angabe von Finanzierungsquellen in der Auftragsforschung. Der Fall soll nun zum Anlass genommen werden, um „dahingehende mögliche Anpassungen der Satzung in der Universität zu diskutieren.“
    Das ist gut und regt hoffentlich andere Universität an, dem Gießener Vorbild zu folgen. Der Hochschulverband als Interessenvertretung der Hochschulprofessor/innen hatte bereits 2012 in einer Resolution zu weitgehender Transparenz bei externer Finanzierung aufgerufen. Diese müsse „insbesondere auf die in Nebentätigkeit durchgeführten Forschungsprojekte“ ausgedehnt werden. Bis heute klafft hier aber offenbar eine Lücke in Regeln für eine gute wissenschaftliche Praxis. (…)
    Aber gerade bei Bayer/Monsanto bleiben viele Fragen offen. Wir erwarten weitere Antworten und bleiben dran. Noch ist der Fall nicht zu Ende.
    Quelle: LobbyControl

  10. Spahn will Zugang für ausländisches Personal erleichtern
    Um die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland zu beschleunigen, haben Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (beide CDU) in Saarbrücken die Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe (DeFa) gegründet. Sie soll privaten Personalvermittlungsfirmen, Krankenhäusern und Pflegeheimen dabei helfen, dass die von ihnen angeworbenen Pflegerinnen und Pfleger schneller die Zuwanderungsverfahren der deutschen Behörden passieren.
    Schätzungen zufolge werden in Deutschland im Jahr 2030 mindestens 100 000 Altenpfleger fehlen. “Wir werden diesen stark steigenden Bedarf nur lindern können”, sagte Spahn, “wenn wir zusätzlich Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen.” Doch bislang seien die Visums- und Berufsanerkennungsverfahren in den Bundesländern zu langwierig. Die Fachkräfteagentur, die bereits im Oktober gegründet wurde und vom Bund mit 4,7 Millionen Euro bezuschusst wird, soll künftig dafür sorgen, dass für das Visum und die Anerkennung des ausländischen Abschlusses jeweils nur drei Monate nötig sind. Pflegekräfte aus Mexiko und den Philippinen sollen als erste von Spahns beschleunigtem Verfahren profitieren. Bereits jetzt lägen der neuen Agentur 4200 Anträge von Pflegekräften vor, 350 Euro soll ihre Unterstützung pro Person kosten. […]
    Quelle: SZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Man kann die Anwerbung von Pflegekräften als Hilfe für Krankenhäuser und Pflegeheime sehen, denen Personal fehlt – oder eben als Vorstoß für (noch mehr) Lohndumping. Spahn geht es hauptsächlich um Letzteres (und medienwirksamen Aktionismus).

    Anmerkung JK: Dazu sollte man die teilweise fatalen Folgen für die öffentlichen Gesundheitssysteme der Herkunftsländer nicht vergessen, welchen diese Arbeitskräfte dann selbst fehlen.

  11. Big Data in der Medizin: Die gläserne Zukunft
    Die Gesundheitsdaten von Patienten sollen bald zur Forschungszwecken genutzt werden — ohne deren Einwilligung. Wem gehört der Datenschatz und was stellt man mit ihm an? […]
    Christiane Fischer machen solchen Pläne Sorgen. Die Ärztin und Gründerin einer Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte wurde 2012 in den Deutschen Ethikrat berufen. „Digital Health und Datenschutz widersprechen sich nicht nur auf den ersten Blick“, sagte sie. Der Patient muss stets die Macht über seine Daten haben, und vor jeder Verwendung, zu welchem Zweck auch immer, um sein Einverständnis gebeten werden. An einer zentralen Stelle gespeichert werden sollten Patientendaten nicht, außerdem fordert sie ein Recht auf Vergessen im Internet. Kann das alles nicht gewährleistet werden, würde sie die Digitalisierung von Gesundheitsdaten ganz ablehnen.
    Quelle: FAZ
  12. Internationale Bildungsstudie: “PISA wird überinterpretiert”
    Von “alarmierenden Zahlen” oder einem “neuen PISA-Schock” sprechen manche Kommentatoren. Dabei sei gar nicht klar, wie aussagekräftig PISA überhaupt ist, sagt Bildungsforscher Barz im tagesschau.de-Interview.
    tagesschau.de: Zwar schneiden deutsche Schüler bei der aktuellen Erhebung nicht mehr so schlecht ab wie beim allerersten PISA-Test im Jahr 2000. Dennoch gehen die Leistungen in allen getesteten Bereichen wieder zurück. Warum ist das so?
    Heiner Barz: PISA ist kein Instrument mit hundertprozentiger Messgenauigkeit. Deshalb muss man an die Ergebnisse, gerade wenn es sich hier um ein paar Punkte hoch oder runter dreht, eine ganze Reihe von Fragezeichen machen. Ob diese Ergebnisse wirklich so aussagekräftig und interpretierbar sind, dass man daraus Schlussfolgerungen für das deutsche Bildungssystem ziehen kann, bezweifeln viele Experten inzwischen.
    Quelle 1: Tagesschau
    Quelle 2: RWI-Essen [PDF]

    Anmerkung unseres Lesers G.R.: Es war ja zu erwarten, dass nach der neuesten PISA-Studie im deutschen Blätterwald und in der Politik wieder die Panik umgeht. Kaum jemand versucht, die Ergebnisse differenziert zu betrachten. Es geht aber auch anders.

  13. Peter Handke. Zum Beispiel
    […] “In einem Weltbild, wie es der Empörung über die Nobelpreisvergabe für Handke zugrunde liegt, hat eine Differenzierung, wie leise sie auch immer sei, nicht Platz. Da ist mehr als Eifer am Werk. So spricht Wahn. Die Andeutung einer anderen Perspektive bereits sprengt den Rahmen. Gefällt, gefällt nicht. Daumen rauf, runter. Das ist das Kennzeichen der Ordnung, die nichts duldet außer sich selbst. Verwirrung allein ist schon Verbrechen. Von Fragen nicht zu reden. Und ja, Handke stellte in Frage. Noch immer.
    […] Wie veraltet dagegen die Vorstellung, man könnte sich gänzlich auf die Sache konzentrieren. Eine andere Position sachlich darstellen. Mit Argumenten, die selbstverständlich kritisch zu beleuchten wären. Altes Zeug, wie gesagt. Journalismus der 1970er, vielleicht der 1980ern noch.
    […] Wie Hetze geht. Bei Assange – mittlerweile abgemagert wie ein KZ-Häftling – kann es mustergültig studiert werden. Wurde es still um ihn und also um die Sache, da stellte die schwedische Justiz das Verfahren wegen Vergewaltigung ein. Kam wieder politische Bewegung auf und bestand dadurch die Gefahr, dass Assanges fundamentale Machtkritik, konkret: das Aufdecken von Mechanismen der geopolitischen Machtsteuerung durch die USA, erneut ins Blickfeld rücken könnte, so war die schwedische Justiz verlässlich zur Stelle und schob das eingestellte Verfahren neu an. Nicht um ein juristisches Resultat zu erzielen, sondern als Teil eines Vernichtungsmechanismus‘.
    Wer den Process von Franz Kafka kennt, kann das nicht überraschen. Und steht die Macht auf dem Spiel, kennt die Zersetzung keine Grenzen. Angestellte des westlichen Wertebündnisses haben Assange systematischen Vernichtungsmethoden ausgesetzt (der Schweizer UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer, von den Medien äußerst marginal erwähnt, bezeichnet die Behandlung Assanges als Folter), um ihn am Ende als entmenschlichtes Subjekt vorzuzeigen. Wie ein Hund – so endet der Process.”
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung unseres Lesers A.O.: Sehr lesenswerter Artikel, der die unverzichtbare Arbeit der NachDenkSeiten anhand von höchst aktuellen Beispielen zu bereichern vermag. Nicht immer leicht zu lesen, dennoch bei telepolis in der Rubrik “Meistgelesen” gelistet!

  14. SPD-Vorsitz
    1. Die SPD muss jetzt mit dem Neoliberalismus brechen
      Oskar Lafontaine traut dem SPD-Spitzenduo eine Rückkehr zu den sozialdemokratischen Wurzeln und eine Trendwende in den Umfragen zu – allerdings nur ohne die Union.
      SPIEGEL: Herr Lafontaine, die SPD rückt augenscheinlich nach links. Haben Sie 20 Jahre nach Ihrem Rückzug von der Parteispitze Ihr Ziel erreicht?
      Oskar Lafontaine: Mein Ziel war es, das Abdriften der SPD in die neoliberale Pampa und ihren Absturz zu verhindern. Entscheidend ist jetzt, dass die SPD endlich die Konsequenzen daraus zieht, dass sie in den Umfragen nur noch bei 14 Prozent liegt. Sie muss jetzt mit dem Neoliberalismus brechen.
      SPIEGEL: Und das trauen Sie Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zu?
      Lafontaine: Die beiden haben eine Chance, weil sie nicht mit dem Sozialabbau und den Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre verbunden sind. Deshalb hoffe ich schon, dass es ihnen gelingt, die SPD wieder auf eine Politik zu verpflichten, in deren Mittelpunkt soziale Gerechtigkeit und Frieden stehen.
      SPIEGEL: Was heißt das denn konkret? Was muss die neue Spitze aus Ihrer Sicht anders machen?
      Lafontaine: Die Sozialdemokraten müssen den Sozialstaat wieder aufbauen, zur Friedenspolitik Willy Brandts zurückkehren und sich von der schwarzen Null verabschieden. Wegen letzterer hat Deutschland die Infrastruktur – Schulen, Krankenhäuser, Straßen und schnelle Netze – verrotten lassen.
      Quelle: SpiegelOnline

      Anmerkung JK.: Natürlich lautete erwartungsgemäß die erste Frage ob die SPD nun nach links gerückt sei. Albrecht Müller hat hier bereits erläutert wie unsinnig diese Frage ist. Aber offenbar ist jeder, der sich nicht bedingungslos zur bizarren neoliberalen Ideologie bekennt heute für deutsche „Qualitätsjournalisten“ bereits „links“.

    2. Das folgerichtige SPD-Duo
      Wenn man den Überschriften in vielen Zeitungen und Online-Medien glauben darf, dann ist die SPD jetzt am Ende. Die einen sagen zur SPD “Tschüss”, die anderen – etwas vornehmer – “Adieu”. Die Sozialdemokratie fahre nun mit “Karacho in den Abgrund” ist da zum Beispiel zu lesen.
      Solche Überschriften hätte ich erwartet, wenn Olaf Scholz und Klara Geywitz die Vorsitzenden-Wahl gewonnen hätten. Haben sie aber nicht. Zum Glück. Mit Scholz und Geywitz an der Spitze, wäre die Vertrauenskrise und die Spaltung der SPD wirklich komplett gewesen und der Sturz in den Abgrund unausweichlich.
      Scholz ist Architekt der großen Koalition unter deren Regentschaft die SPD die schlimmsten Wahlniederlagen ihrer Geschichte hinnehmen musste. Und er ist die Verkörperung eines ausstrahlungsfreien Politikstils, der den meisten Sozialdemokraten zum Halse heraushängt. Scholz ist Teil eines Parteiapparates, dem die Basis mehrheitlich längst das Misstrauen ausgesprochen hat.
      Quelle: WDR

      Anmerkung JK: So gesehen sollte Scholz als Finanzminister zurücktreten und den Weg für einen Neuanfang bei der SPD frei machen. Allerdings kann es sich dieser Kommentar leider auch nicht verkneifen von einer „ deutlich nach links gewendeten Programmatik“ zu schwadronieren, an der die SPD angeblich gerade arbeitet. Man kann es nur wiederholen auch hier zeigt sich wie sich die politische Perspektive in Deutschland verschoben hat, wenn eine Politik, die einfach die Interessen der Mehrheit der Bürger und nicht die von Millionenerben im Blick hat, schon als „deutlich links“ gilt.

    3. Mehr Umverteilung wagen
      Die Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bietet eine Chance. Wenn sie es schaffen, dass die SPD wieder für Sozialstaatlichkeit steht.
      Quelle: Heribert Prantl auf sueddeutsche.de
    4. Wo Esken und Walter-Borjans Recht haben
      Wer die deutsche Presse liest, könnte meinen, dass in der SPD ein massiver Linksruck stattgefunden hat – und dass dies auch die EU-Partner nervös macht. Dabei haben Esken und Walter-Borjan in einigen Punkten durchaus Recht, jedenfalls aus europäischer Sicht.
      Dies gilt vor allem für die Wirtschaftspolitik. Die EU-Kommission hat sich gerade erst wieder für höhere Investitionen in Deutschland ausgesprochen – die neue SPD-Doppelspitze sagt nichts Anderes.
      Zugunsten von mehr Investitionen wollen Esken und Walter-Borjans das Dogma der schwarzen Null kippen. Für Brüssel kein Problem – dieses Dogma gibt es auf EU-Ebene nämlich gar nicht.
      Tatsächlich finden sich die beiden designierten SPD-Chefs sogar in bester Gesellschaft, wie SPON anmerkt. Viele Ökonomen plädieren ebenfalls dafür, dass der Staat die niedrigen Zinsen nutzt, um neue Schulden für Investitionen machen. Dies ist sogar europaweit Konsens – von der EU-Kommission bis zur EZB.
      Auch beim Mindestlohn gibt es keinen Widerspruch zu Brüssel. Mit 12 Euro läge Deutschland immer noch im oberen Mittelfeld, aber nicht an der Spitze. Die neue EU-Kommission steht dem wohlwollend gegenüber.
      Und beim Klimaschutz laufen die neuen Spitzengenossen in Brüssel ohnehin offene Türen ein. Aus EU-Sicht kann Deutschland da gar nicht genug tun; ein höherer CO2-Basispreis wäre kein Problem…
      Quelle: Lost in Europe
    5. Niemand hat die Absicht, einen Vertrag zu brechen
      Jene, die sich in der SPD für das Ende der Großen Koalition aussprechen, werden zu Unrecht kritisiert
      Nachdem die SPD in den Augen der konservativen Presse und der Union mal wieder Richtung Sozialismus tendiert, musste sie gleich mal klarstellen: Nur weil Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sich jetzt den Parteivorsitz teilen, ändert das an der Großen Koalition zunächst mal gar nichts. Die beiden sollen sich bloß nicht in die Idee verrennen, die schwarz-rote Regierung neu justieren zu wollen. Damit ist Essig! Linksruck ist abgesagt. Und warum? Weil es einen Koalitionsvertrag gibt! […]
      Einen ganz kleinen Haken gibt es nun bei dieser Argumentation: Die guten Damen und Herren aus der Union steigern sich in etwas hinein. Nämlich in einen Vertrag. Einen, den es so gar nicht gibt. Na sicher doch, gemeinhin spricht alle Welt vom Koalitionsvertrag. Aber das ist nur Umgangssprache. Das hat sich irgendwann so eingebürgert. Vor einigen Jahren sprach man in diesem Zusammenhang noch eher von Koalitionsvereinbarung. Denn genau das ist diese temporäre Übereinkunft zweier oder mehrere Parteien in der Tat: Eine Vereinbarung. Eine Absichtserklärung, wie Juristen das auch zu nennen pflegen.
      Quelle: Heppenheimer Hiob
    6. Zu guter Letzt: Politik und Medien geschockt: Sozialdemokraten an die Spitze der SPD gewählt
      Politiker nahezu aller Parteien sowie Kommentatoren zahlreicher Medien haben am Wochenende geschockt und verstört auf die Nachricht reagiert, dass die SPD zwei Sozialdemokraten an die Spitze der Partei gewählt hat.
      “Sozialdemokraten an der Spitze der SPD? Sowas gab’s seit 20 Jahren nicht mehr! Das ist ja der komplette Wahnsinn!”, schreibt etwa ein Korrespondent auf zeitbildtagesspiegelschauwelt.de und ergänzt. “Das wird der Untergang dieser stolzen Partei sein, die damals bei 40 Prozent stand und nach zwei Jahrzehnten Agenda-Politik und Neoliberalismus noch von 13 Prozent der Bevölkerung gewählt würde.” […]
      Experten befürchten, dass der Linksschwenk der SPD langfristig zu einem Abstieg wie dem der portugiesischen (Wahlergebnis: 36,34%) und spanischen (Wahlergebnis: 28%) Sozialdemokraten führen könnte, die derzeit beide mit linken Parteien koalieren. Auch ein grauenhaftes Schicksal wie das der britischen Labour-Partei, die bei der letzten Wahl 40% erreichten (aktuelle Umfragen: 33%), sei nicht auszuschließen.
      Quelle: Der Postillon


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