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Titel: Outtakes auf den NachDenkSeiten

Datum: 5. Juli 2020 um 13:45 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit
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Wo Menschen arbeiten, da werden Fehler gemacht. Auch wir bei den NachDenkSeiten, Redakteure wie Gastautoren, bleiben davon nicht verschont. An dieser Stelle möchten wir Ihnen eine Auswahl der schönsten, weil amüsantesten, Fehler aus dem Jahr 2019 präsentieren. Von Lutz Hausstein.

Jeder Artikel eines Autors enthält eine mehr oder minder große Anzahl von Fehlern. Die Zahl der vollständig fehlerfreien Artikel – vor dem Schlusslektorat wohlgemerkt, welches aus zeitlichen Gründen in der Regel erst nach der Veröffentlichung erfolgt – der rund 1.000 jährlich auf den NachDenkSeiten erscheinenden Beiträge liegt im niedrigen Promillebereich. Im Normalfall reicht die Zahl von Fehlern von minimal drei oder vier bis hin zu einer höheren zweistelligen Anzahl bei längeren, anspruchsvollen Artikeln.

Überzählige oder fehlende Buchstaben, Worte oder Kommas, „dass“ statt „das“, falsche Zeitformen oder grammatikalische Fälle, falsche Schreibung von Namen von Personen oder Organisationen, gelegentlich sogar gleich komplett fehlende Satzteile und noch so einiges mehr – das sind Alltäglichkeiten. Sie bieten normalerweise wenig Spektakuläres. Außer, wenn der Text durch den betreffenden Fehler einen neuen, völlig anderen Sinn erhält. Gleiches gilt auch für die unkorrekte Wiedergabe von geflügelten Worten, Redewendungen und Metaphern. Es muss ja nicht gleich die Taube auf dem Dach sein, die den Zimmermann erspart. All diese Fehler können die Aussagen eines Satzes so grundlegend verändern, dass man sich als Leser eines Schmunzelns kaum erwehren kann. Manche der Falschformulierungen schreien sogar regelrecht danach, sie sich einmal vor dem geistigen Auge vorzustellen, denn dann entfalten sie ihre Wirkung umso intensiver.

Leider wurde der erste mir aufgefallene Fehler dieser Art – vermutlich sogar einer der lustigsten dieser Auflistung überhaupt – durch mich nicht dokumentiert, da ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht an eine solche Sammlung gedacht habe. In einem Beitrag schrieb Marcus Klöckner über deutsche Parteien, insbesondere über die FDP und ihren Vorsitzenden Patrick Lindner. In dem Satz gab es keine Rechtschreib- oder Grammatikfehler, es war alles okay und ich war schon beim übernächsten Satz, als alles noch einmal in mir nachhallte. Moment mal, einen Patrick Lindner gibt es zwar, das stimmt schon. Aber der ist doch kein FDP-Chef, sondern der macht Musik, mit der ich zugegebenermaßen nicht allzu viel anfangen kann. Der FDP-Vorsitzende heißt hingegen Christian Lindner. Ich brauchte eine Weile, bis ich meinen Lachanfall wieder überwunden hatte, und ließ es mir dann auch nicht nehmen, Marcus Klöckner an seinem Fauxpas teilhaben zu lassen. Gemeinsam lachten wir Tränen ob dieses amüsanten Verschreibers.

Erst der zweite Artikel, der in mir ganz ähnliche Emotionen weckte, diesmal von Tobias Riegel, war für mich der Anlass, solche lustigen Fehler einmal über einen längeren Zeitraum zu sammeln. Hier nun eine Liste der „schönsten Verschreiber“ des Jahres 2019.

„Doch neben den öffentlich-rechtlichen und den großen privaten Medien haben sich auch kleinere Publikationen nicht mit Rum bekleckert.“

Tobias Riegel, 05.04.2019 – meint: mit Ruhm

„Nach fast zwei Jahrzehnten haben die USA sowie die westliche Welt den Krieg in Afghanistan, jenen Krieg, in dem auch „unsere Freiheit verteidigt wird“, mit Ach und Krach verloren.“

Emran Feroz, 18.07.2019 – meint: mit Pauken und Trompeten

„Das Wahlergebnis war ein schwarzer Peter für die Märkte.“

Frederico Füllgraf, 20.08.2019 – meint: ein rotes Tuch

„Andere aktuelle Stellungnahmen aus der Partei sähen aber ernste Zweifel an dieser Erkenntnis.“

Tobias Riegel, 03.09.2019 – meint: säen

„Fahrstühle sind defekt, Heizung und Lüftungsanlagen zicken und bis 2015 waren über zwei Jahre unbemerkt Rotschutzmittel in die Trickwasserleitung eingespeist worden.“

Ralf Wurzbacher, 04.09.2019 – meint: Rostschutzmittel in die Trinkwasserleitung

Masse, Giffey und Schwesig und Co. sind bereits derart in den Denkstrukturen der Agenda-2010-Logik festgefahren, dass von ihnen offenbar auch keine Lösungen für die alltäglichen Probleme der Politik mehr zu erwarten sind.“

Jens Berger, 09.09.2019 – meint: (Heiko) Maas

„Die ARD-Sender seien mit ihren Angeboten bisher deutlich unter den Abschlüssen im Öffentlichen Dienst (ÖD) geblieben, der in den vergangenen Jahren als Maßstab auch für die Tarifsteigerungen im öffentlichen-rechtlichen Rundfunk golden habe.“

Tobias Riegel, 20.09.2019 – meint: gegolten

„Ja, das ist ein Vergleich, der womöglich vielen nicht in den Kragen passt, der zynisch und plakativ klingt.“

Emran Feroz, 26.09.2019 – meint: Kram

„Auch laut dem Tenor der großen britischen Zeitungen sei Russland eine homophone Diktatur und fördere internationale Konflikte.“

Tobias Riegel, 09.10.2019 – meint: homophobe

„Als Beispiel für die Verdienste von Wikileaks nennt er die Enthüllungen über die Chagos-Inseln, nun bekannt unter dem Namen Diego Garcia, wohin die britische Regierung vor ca. 50 Jahren Tausende von Menschen deportiert hatte, um Platz für eine US-Luftwaffenbasis zu machen, von der danach der Nahe Osten mit B52-Bombern bombardiert wurde.“

Moritz Müller, 18.10.2019 – meint: mithilfe von B52-Bombern

„Der Erklärung folgte, wie in so manchen anderen, brenzligen Fragen mit Dringlichkeitscharakter, stöhnendes Schweigen; zum Nachteil der Rentner.“

Frederico Füllgraf, 18.10.2019 – meint: dröhnendes

„Für viele Menschen hatte diese Zensur eine große Bedeutung: Verständigung mit dem Osten, innere Reformen, Reform eines verkrusteten Rechtes, Integration der aufmüpfigen Jugend (68er) in die politische Arbeit, in der Folge Anstieg des politischen Interesses und der Mitarbeit in Parteien, deutliche Verbesserung des Rufes unseres Landes …“

Albrecht Müller, 21.10.2019 – meint: Zäsur

„Das Unternehmen – mit mehreren Standtorten in Russland und im Ausland – gehört zu den drei weltweit größten Röhrenproduzenten.“

Ulrich Heyden, 25.10.2019 – meint: Standorten

„Keine 24 Stunden später brach am Freitag, dem 18. Oktober, ein Volkssturm los, der Piñeras Worte und das weltweite Credo von Chile als neoliberalem Musterland in Wirbelwind und Flammen auflöste.“

Frederico Füllgraf, 26.10.2019 – meint: in Rauch auflöste

„Auf der Straße, in den Kaffees und Restaurants unterhalten sie sich auf Englisch.“

Ulrich Heyden, 03.11.2019 – meint: Cafés

„CDU und CSU nutzen die Debatte vielmehr, um gnadenlose Lobbypolitik zugunsten der Unterverbände umzusetzen.“

Jens Berger, 04.11.2019 – meint: Unternehmerverbände

„Ein Kranker mit Geld geht in eine Privatklinik, um sich zu behandeln, doch derjenige, der kein Geld hat, wird in ein öffentliches Krankenhaus eingeliefert, in dessen Korridoren er in der Warteschlange krepiert – das ist das soziale Rasterbild Chiles.“

Frederico Füllgraf, 05.11.2019 – meint: um sich behandeln zu lassen

„Die meinungsbildenden deutschsprachigen Medien apportierten den Ruf aus Washington und stießen in dieselbe Kerbe.“

Hannes Hofbauer, 11.11.2019 – meint: dasselbe Horn (alternativ: schlugen in dieselbe Kerbe)

„Und sie wollen drittens möglichst fette E-Autos wie den „Taycan“ von Porsche, den „EQC“ von Daimler, den „eTron“ von Audi oder das „Model Y“ oder das „Model 3“ von Tesla auf den Markt bringen, die alle zwei Tonnen und mehr wiegen und die alle bei 50.000 Euro Einstiegspreis beginnen.“

Winfried Wolf, 14.11.2019 – meint: „Modell Y“ oder das „Modell 3“

„Steinhaus fordert im NDS-Interview ein neues Sozialstaatsmodel, das sich darauf konzentriert, Menschen tatsächlich zu unterstützen.“

Marcus Klöckner, 15.11.2019 – meint: Sozialstaatsmodell

„Doch bevor die Menge überhaupt den Mittelpunkt des populären Kundgebungsortes erreicht hatte, brachen Carabineros einen barbarischen Einsatz mit Wasserwerfern, Tränengas und knochenbrechenden Knüppeln vom Zaum.“

Frederico Füllgraf, 21.11.2019 – meint: vom Zaun

„Die wichtigsten Lobbygruppen für Israel in der Labour-Partei, von der LFI zum Jewish Labour Movement, haben mit aller Kraft darauf gedrungen, dass die Labour-Partei ihre Regelarien bezüglich Antisemitismus änderte.“

Übersetzung Susanne Hofmann, 03.12.2019 – meint: Regularien

„Die Papers verdeutlichen, dass der Krieg massiv schöngeredet wurde, und zwar in erster Linie nicht auf Kosten amerikanischer Soldaten oder Steuerzahler, sondern auf den Schultern der afghanischen Bevölkerung.“

Emran Feroz, 12.12.2019 – meint: zulasten

„Anders als bei den vergangenen Brexit-Debatten verfügt er nun nicht nur im Unterhaus, sondern auch in der eigenen Partei über eine unangefochtene Mehrheit und kann sein großes Wahlverbrechen, „den Brexit hinzubekommen“, nun ohne Widerstand aus Parlament und den eigenen Reihen umsetzen.“

Jens Berger, 13.12.2019 – meint: Wahlversprechen

Damit überhaupt erst gar nicht jemand auf den Gedanken kommt, bei der vorstehenden Auflistung mit dem Finger auf den einen oder anderen Autor zu zeigen, möchte ich hier noch einmal explizit betonen: Es gibt niemanden, wirklich niemanden, der einen längeren, inhaltlich anspruchsvolleren Text, häufig in Kombination mit einem gewissen Zeitdruck, völlig fehlerfrei zu Papier bringt. Wer glaubt, man selbst würde fehlerfrei oder fast fehlerfrei arbeiten, sitzt einem Trugschluss auf. Der neuralgische Punkt ist nur: Die eigenen Fehler erkennt man zumeist nicht, so sehr man sich auch bemüht. Es existieren dutzende Gründe, weshalb sich ein Fehler einschleichen kann. Daher sollte diese Aufzählung auch genauso verstanden werden, wie sie gemeint ist: als die Wiedergabe von Fehlern, die gerade durch ihre Art der Fehlerhaftigkeit einen anderen, neuen, belustigenden Sinn erhalten haben. Und die uns alle, Leser genauso wie Autoren, darüber gemeinsam zum Lachen bringt.

Und zu guter Letzt: Möge es 2020 ebenfalls wieder solche wunderbaren Fehler geben, die zuerst dem Lektor und später den Lesern einen ebenso großen Spaß bereiten werden. Denn trotz allen Ernstes der vielfältigen Probleme rund um unsere ganze Welt kann es für uns alle nichts Besseres geben, als regelmäßig gemeinsam zu lachen.

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