NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages

Datum: 16. Juli 2020 um 8:35 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Wir weisen darauf hin, dass die jeweiligen Anbieter für die Barrierefreiheit ihrer Angebote selbst verantwortlich sind und es durchaus sein kann, dass der Zugang von zunächst freien Inhalten nach einer Zeit beschränkt wird.

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Parents@work – Eltern am Arbeitsplatz: „Das war eine Horrorzeit.“
  2. Lauterbach wirft Karliczek Konzeptlosigkeit bei Schulöffnung vor
  3. Das gebrochene Versprechen
  4. Hat sich Merkel schon bewegt?
  5. Aus der Folterkammer des Wirtschaftskriegs (II)
  6. Wie ist die Wellenlänge der zweiten Welle?
  7. Wie es nach der COVID-19-Pandemie weitergehen soll
  8. Wo ist nur der “Ich bin wieder gesund”-Knopf?
  9. Das Lieferkettengesetz ist überfällig – die Ablehnung der Unternehmerverbände verantwortungslos
  10. Streit um Dokumente zur Rolle von Bafin-Vize Roegele im Cum-Ex-Skandal
  11. Attac zu Apple Urteil: Die internationalen Steuerregeln sind faul und löchrig
  12. 500.000 tote Kinder?
  13. Der falsche Stammbaum
  14. Beijing ruft zu Wachsamkeit gegenüber US-Einmischung im Südchinesischen Meer auf
  15. Damit ist jedes Ihrer Argumente wertlos.

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Parents@work – Eltern am Arbeitsplatz: „Das war eine Horrorzeit.“
    Politischen und unternehmerischen Bekundungen zum Trotz ist die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und (Kinder-)Betreuung häufig noch immer ein Drahtseilakt – nicht selten zum Nachteil der Eltern.
    Das betrifft keineswegs nur die Zeit des Corona-bedingten Lockdowns von Schulen und Kindergärten, sondern stellt ein grundsätzliches Problem dar, wie eine aktuelle Studie von L&R Sozialforschung in Kooperation mit der Gleichbehandlungsanwaltschaft zeigt.
    Viele Mütter und Väter wurden allein aufgrund der Tatsache, dass sie Eltern wurden und Elternkarenz oder Elternteilzeit in Anspruch nehmen wollten, massiven Benachteiligungen und Diskriminierungen ausgesetzt. Das ist ein Ergebnis des von der Europäischen Kommission geförderten Projektes „Parents@work“, in dessen Rahmen von November 2019 bis Februar 2020 ausführliche Interviews mit Eltern geführt wurden.
    Unsere InterviewpartnerInnen hatten gemeinsam, dass sie die Diskriminierung nicht einfach hinnahmen, sondern sich dagegen zur Wehr setzten: Sie kontaktierten die Gleichbehandlungsanwaltschaft und in vielen Fällen parallel auch die Arbeiterkammer, um sich Unterstützung zu holen. Teilweise zogen sie mit ihren Fällen vor Gericht.
    Quelle: A&W blog
  2. Lauterbach wirft Karliczek Konzeptlosigkeit bei Schulöffnung vor
    SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach kritisiert Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU), weil sie bisher kein Konzept für die Schulöffnung nach den Sommerferien vorgelegt hat. Karliczek setzt auf individuelle Lösungen anstatt eines nationalen Konzeptes. “Das ist zu wenig. Ich hätte mir gewünscht, dass man im Sommer ein nationales Konzept entwickelt. Wenn wir im Herbst wieder mehr Infektionen haben, wird es schwierig”, sagte Lauterbach der Welt.
    Ein nationales Konzept könne Lauterbach zufolge vorsehen, dass Klassen ausgedünnt werden, Unterricht über den ganzen Tag gestreckt und ein qualitativ hochwertiger Onlineunterricht angeboten wird. “Wenn wir im Herbst täglich mit ein paar Hundert Neuinfektionen über die Runden kommen – also so wie jetzt -, brauchen wir das nicht. Aber die zweite Welle in Ländern wie Israel zeigt mir, dass es wichtig ist, sich auch auf ein anderes Szenario vorzubereiten”, so Lauterbach. (…)
    Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) hatte hingegen Ende Juni erklärt, der Regelbetrieb sei nach den Sommerferien das Ziel. Hubig sagte damals bei der Vorstellung des Nationalen Bildungsberichtes, es liefen Planungen für drei verschiedene Szenarien je nach Entwicklung der Corona-Pandemie: Regelbetrieb, rollierender Betrieb mit abwechselndem Unterricht in der Schule und zu Hause, und auch mögliche Komplettschließungen von Schulen. Mehrere Bundesländer haben bereits angekündigt, nach den Sommerferien zu einem Regelbetrieb zurückkehren zu wollen.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie zum Thema z.B. auch „Kinder wirken eher als Bremsklötze der Infektion“, Corona: Ein Land ignoriert seine Kinder und “Schule mit Abstand, Maske und Desinfektionsmitteln – ist das kindgerecht und medizinisch geboten?“. Das Konzept, was Herr Lauterbach offenbar verfolgt, besteht wohl aus dem Drehtür-Effekt von der Politik in die Privatwirtschaft. Mehr über diesen “Experten” können sie hier nachlesen: Professor Seltsam oder: Wie ich lernte, Talkshows zu hassen.

  3. Das gebrochene Versprechen
    Das Absurde ist: Weil Deutschland vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen ist und sich dafür rühmt, haben viele Menschen jetzt das Gefühl, Deutschland sei gut aufgestellt, tue alles für die Risikogruppe und habe alles im Griff. Doch davon kann keine Rede sein.
    Wir schützen die Alten – das war das Motto des Corona-Lockdowns. Weil mit den Lebensjahren und Vorerkrankungen die Gefahr, an dem Virus zu sterben, signifikant erhöht ist, legen wir unsere Wirtschaft in Teilen lahm, verhängen monatelange Kontaktverbote, greifen in die Grundrechte ein. Aus Solidarität, hieß es. Denn die Jungen und Gesunden seien viel weniger betroffen und müssten trotzdem ihre Freiheiten einschränken. Kinder dürfen ihren Opa nicht mehr besuchen, damit der nicht vorzeitig sterben muss. So lautete die Erzählung. […]
    Wie passt es nun in dieses Bild, dass ausgerechnet die am stärksten von Corona gefährdete Gruppe vergessen wurde? Die meisten Pflegebedürftigen sind alt, alle sind krank, haben meist diverse Vorerkrankungen. Hinzu kommt noch die Gruppe der pflegebedürftigen jüngeren Erwachsenen und Kinder. Es handelt sich hier also genau um die Gruppe, die am meisten vor Corona geschützt werden muss. Doch was ist passiert? Sie fiel hintenüber.
    Quelle: Berliner Zeitung
  4. Hat sich Merkel schon bewegt?
    Merkels Jobs wäre es, Rutte von seinem “Nein” zu schuldenfinanzierten Zuschüssen abzubringen. Außerdem müsste sie ihm klarmachen, dass Den Haag nicht über Reformen in den Krisenländern bestimmen kann. Doch das tut sie nicht – im Gegenteil. Bei ihrem Treffen mit Rutte in Berlin forderte auch Merkel strikte Reformauflagen für die Hilfsempfänger. Sie bestärkte Rutte damit in seinem Widerstand, statt ihn umzustimmen.
    Quelle: Lost in Europe

    dazu: Varoufakis: „Europa wird traurig und geteilt sein“
    Der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis glaubt, dass die neuen Corona-Milliarden der EU nicht den Arbeitern, sondern den Oligarchen zugute kommen werden.
    Sie stehen dem von der EU geplanten Corona-Fonds sehr kritisch gegenüber. Warum?
    Der Fonds wurde als Ersatz für Eurobonds entwickelt. Er ist er aber kein Ersatz. Seine Struktur spaltet und führt zu größerer Uneinigkeit unter den Europäern. Und schließlich: Er ist zu klein und kommt zu spät.
    Zwar handelt es sich bei dem Fonds zu einem Teil um gemeinsame Schulden. Doch es handelt sich ausdrücklich und rechtlich um einmalige Schulden mit spezifischen Einzelheiten darüber, wie und wann sie zurückgezahlt werden müssen. Wir haben eine historische Gelegenheit verpasst, das Äquivalent zu US-Schatzwechseln zu etablieren. Diese haben den Dollar stark gemacht und die Vereinigten Staaten in die Lage versetzt, Schocks weitaus besser zu absorbieren.
    Quelle: Berliner Zeitung

  5. Aus der Folterkammer des Wirtschaftskriegs (II)
    Die Bundesregierung dringt auf die Einführung eines neuen globalen EU-Sanktionsmechanismus nach dem Vorbild von US-Zwangsmaßnahmen. Man wolle sich in diesem Halbjahr dafür einsetzen, “die Kapazitäten” der Union “zur Verhängung und Umsetzung von Sanktionen zu erweitern”, heißt es im Programm für die aktuelle deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Bereits im vergangenen Jahr hatten die EU-Außenminister die Arbeiten an einem EU-Gesetz auf den Weg gebracht, das offiziell Menschenrechtsverletzungen bestrafen soll. Faktisch richtet es sich nur gegen Funktionsträger gegnerischer Staaten und schont verbündete Menschenrechtsverbrecher, dient also, wie sein US-Sanktionsvorbild, als Instrument im globalen Machtkampf. Es ergänzt ein wucherndes EU-Sanktionsregime, das sich schon jetzt etwa gegen Russland, Syrien und Venezuela richtet und mitverantwortlich für die massive Mangelversorgung einiger betroffener Länder ist. In den vergangenen Wochen hat die EU verschiedene Sanktionen trotz der Covid-19-Pandemie ausgeweitet und verlängert – gegen den Protest der UNO.
    Quelle: German Foreign Policy
  6. Wie ist die Wellenlänge der zweiten Welle?
    Die Fallzahlen steigen wieder rapide. Den Satz hat man in den letzten Wochen in fast jedem Medium gelesen oder gehört – gefühlte tausend Mal.
    Neue düstere Panik-Wörter machen die Runde: Superspreader. Und neue Berufe sind entstanden: Contact-Tracer. Der Zürcher Tages-Anzeiger schreibt «Die Schweiz lernt die Maske lieben» und stellt die neue Sommerkollektion der Maskenmode vor. Und in Neuenburg werden schon Flaggen gehisst, welche die tägliche Gefahrenstufe im Kanton anzeigen: gelb, orange, rot! Etwa wie die Sturmfahnen an den Nordsee-Stränden: Land unter.
    Für die grossen Medien gab es kaum noch Zweifel: «Rollt gerade die zweite Welle auf uns zu?», titelte die Sonntagszeitung am 28. Juni. Wenn die Dimension der Welle an den journalistischen Schallwellen und Druckwellen zu messen ist, welche Radio, Fernsehen und Zeitungen überfluteten, dann war es eine La-Ola-Welle. Der Tages-Anzeiger schrieb am 3. Juli, man habe keine Zeit mehr, um den Ernstfall abzuwarten: «Exponentiell ansteigende Kurven sind heimtückisch.»
    Wer aber am 11. Juli denselben Tages-Anzeiger aufschlägt, reibt sich die Augen. Da steht auf Seite zwei schwarz auf weiss: Die Epidemiologen «lagen falsch», als sie nach den Lockerungen der Corona-Massnahmen mit einem starken Aufflammen der Ansteckungen rechneten. Und noch verwirrender ist der Hinweis, es dürften Ansteckungen «hinzugekommen sein, die nur dank häufigerem Testen und intensiverem Contact-Tracing entdeckt wurden».
    Quelle: Infosperber
  7. Wie es nach der COVID-19-Pandemie weitergehen soll
    Für diejenigen, die sich fragen, wie es nach der COVID-19-Pandemie, die fast die komplette Weltwirtschaft lahm gelegt und die schlimmste Depression seit den 1930er Jahren verursacht hat, weitergehen soll, haben die Initiatoren des in Davos tagenden Weltwirtschaftsforums WEF – der NGO, die bei der Propagierung der Globalisierung die führende Rolle gespielt hat – gerade die Umrisse des Plans veröffentlicht, den sie ab Januar 2021 realisieren wollen. Diese Leute haben sich dafür entschieden, die Corona-Krise für ihre Zwecke auszunutzen. Am 3. Juni 2020 hat das in Davos tagende Weltwirtschaftsforum WEF auf seiner Website das Thema seines im Januar 2021 stattfindenden nächsten Forums veröffentlicht. Es lautet “The Great Reset” (Der Totale Neustart). (1) Die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie sollen dazu genutzt werden, eine sehr spezielle Agenda durchzusetzen. Es fällt auf, dass diese Agenda perfekt zur Agenda 2030 der Vereinten Nationen passt.
    Quelle: Neue Rheinische Zeitung
  8. Wo ist nur der “Ich bin wieder gesund”-Knopf?
    Mehr als 15 Millionen Menschen haben die Corona-Warn-App heruntergeladen. Was passiert, wenn man sich positiv meldet, wissen die wenigsten. Eine Betroffene erzählt. […]
    Auf Nachfrage heißt es vom Robert Koch-Institut (RKI): “Eine Gesundmeldung ist […] nicht möglich.” (…)
    Kristina Wolfinger wollte es genauer wissen und rief die Telefonnummer für technische Fragen rund um die Corona-Warn-App an. Der Mitarbeiter dort sagte ihr, den Fall, dass sich jemand gesund melden will, habe man noch nicht gehabt. Es sei ja vielleicht besser für das Umfeld, wenn es einmal mehr gewarnt würde als einmal zu wenig. Und riet ihr, doch mal bei der Hotline für Positiv-Meldungen durchzuklingeln. Dort sagte man ihr, die Einstellung würde nach 14 Tagen gelöscht – sie solle aber doch lieber den technischen Support anrufen. Wolfinger setzte stattdessen die Einstellungen in der Corona-Warn-App zurück. Drei Tage lang habe die App danach nur Fehlermeldungen ausgespuckt, sagt Wolfinger, da habe sie sie von ihrem Smartphone geworfen. “Ich habe genug von dieser App.”
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung Christian Reimann: Die Corona-App scheint ein teurer Flop zu sein – und ganz nebenbei erfährt die Leserschaft dieses Artikels, dass es offensichtlich doch möglich ist: ““Trotz Mund- und Nasenschutz hatte sich Wolfinger angesteckt”. Über die Gesamtkosten und zur Frage: Wer bekommt wie viel für die Corona-Warn-App?“.
    Bitte lesen Sie dazu auch Corona-App – ein soziales Experiment mit Risiken und Nebenwirkungen.

  9. Das Lieferkettengesetz ist überfällig – die Ablehnung der Unternehmerverbände verantwortungslos
    „Das Lieferkettengesetz müsste schon längst in Kraft sein. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD sieht klar vor, dass, wenn eine Mehrheit der von der Bundesregierung befragten Unternehmen eine Überprüfung ihrer Lieferketten auf Einhaltung von Menschenrechten nicht freiwillig durchführt, ein wirksames Lieferkettengesetz mit verpflichtenden Regelungen durchgesetzt werden muss“, kommentiert Klaus Ernst, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE und Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag, die kontroverse Diskussion zwischen Industrie und Regierungsvertretern über die Einführung eines Lieferkettengesetzes. Ernst weiter:
    „Die deutschen Unternehmen können sich nicht mehr herausreden. Wenn ihr Geschäftsmodell auf Sozial- oder Umweltdumping auf Kosten anderer beruht, ist das moralisch nicht zu rechtfertigen. Frankreich hat bereits seit 2017 ein Lieferkettengesetz. Und hierzulande trägt ein breites gesellschaftliches Bündnis diese Forderung mit. Entwicklungsminister Gerd Müller hat unsere volle Unterstützung für die Durchsetzung dieses Gesetzes, damit deutsche Unternehmen ihrer Verantwortung auch in anderen Ländern gerecht werden.“
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag
  10. Streit um Dokumente zur Rolle von Bafin-Vize Roegele im Cum-Ex-Skandal
    Der Linken-Abgeordnete De Masi fordert eine Freigabe der Protokolle aus dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss. Auch im Wirecard-Skandal agierte Roegele unglücklich.
    Quelle: Handelsblatt
  11. Attac zu Apple Urteil: Die internationalen Steuerregeln sind faul und löchrig
    Der Kampf gegen Konzernsteuertricks muss politisch, nicht juristisch gewonnen werden
    Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat heute die Entscheidung der EU-Kommission für nichtig erklärt, wonach die steuerliche Behandlung von Apple in Irland eine unzulässige staatliche Beihilfe darstellt. Irland darf daher darauf verzichten, 13 Milliarden Euro an Steuernachzahlung von Apple zu verlangen. Ob die Kommission dagegen Einspruch erhebt, ist zur Zeit noch offen.
    Für Attac bestätigt das Urteil, dass das europäische Wettbewerbsrecht grundsätzlich kein geeignetes Mittel ist, um die Steuertricks von Konzernen zu bekämpfen. Andernfalls wären keine jahrelangen Gerichtsverfahren nötig um zu klären, ob es legal ist, dass Konzerne weniger als 1 Prozent Steuern auf künstlich verschobene Gewinne zahlen.
    „Das Problem ist nicht ein fauler Apfel, das Problem sind die faulen und löchrigen internationalen Steuerregeln. Sie stammen großteils aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts und ermöglichen es, dass Fälle wie Apple die Regel sind“, kritisiert David Walch von Attac Österreich.
    Quelle: attac Österreich
  12. 500.000 tote Kinder?
    Leerstellen in der “humanitären” Berichterstattung über den Nordwesten Syriens
    Als Donald Trump im Sommer letzten Jahres Kelly Craft zur UN-Botschafterin nominiert hatte, fielen in Deutschland die Reaktionen entsprechend skeptisch aus. Welt.de etwa berichtete damals, Craft sei mit einem “milliardenschweren Geschäftsmann aus der Kohleindustrie” verheiratet und dass das Paar Trumps Wahlkampf mit 1,5 Mio. US$ unterstützt hätte. Außerdem habe sie erklärt, “sie glaube ‘beiden Seiten’ in der Debatte über den Klimawandel”.
    In der Auseinandersetzung Mitte Juli 2020 um die Nutzung türkischer Grenzübergänge zur humanitären Versorgung der Bevölkerung im Nordwesten Syriens hingegen wurde sie von der ARD unhinterfragt zitiert: “Bis zu einer halbe Million Kinder würden sterben, wenn dieser Zugang [über Bab al-Salam] geschlossen wird.” Der deutsche UN-Botschafter Heusgen, der zum 1. Juli 2020 den Vorsitz des Sicherheitsrates übernommen hatte und sich offenbar profilieren wollte, griff diese Prognose auf und wurde von der deutschen Presse mit seiner moralischen Entrüstung umfangreich zitiert. An die UN-Botschafter Chinas und Russlands richtete er die Frage, “ob die Leute, die die Anweisung gegeben haben, 500.000 Kinder von humanitärer Hilfe abzuschneiden, noch in den Spiegel schauen können”.
    Die Presseschau des Deutschlandfunks gibt einen guten Überblick, wie sehr die Medien die vermeintliche Empörung des deutschen UN-Botschafters aufgriffen: Die Märkische Oderzeitung und die FAZ schrieben von einem “menschenverachtende[n] Spiel Moskaus und Pekings” und letztere bezeichnete deren Vertreter als “Verbrecher”; die Pforzheimer Zeitung schwadronierte vom “kalte[n] Herz von Russlands Präsident Putin” und dem “Schlächter von Damaskus, Diktator Assad”.
    Peter Mücke konnte in seinem Kommentar für den Deutschlandfunk dennoch einen kleinen Erfolg für die deutsche Diplomatie erkennen: “So konnten immerhin die Verantwortlichen auf offener Bühne isoliert werden.” Auch diese “Nadelstiche” würden bei den Regierungen in Peking und Moskau “ankommen”. Das ist sozusagen das kleine Körnchen Wahrheit in der regierungsnahen Berichterstattung, dass es dem frischen deutschen Vorsitz im UN-Sicherheitsrat eben nicht “allein um Hilfe für die Opfer des Krieges” ging, wie der Kölner Stadtanzeiger (ebenfalls in o.g. Presseschau) schrieb bzw. um “die Millionen Menschen […], die von Truppen des Machthabers Assad zusammengetrieben unter erbärmlichen Bedingungen im Nordwesten Syriens leben”, wie das Mücke in eben jenem Kommentar schrieb.
    Der erste große Auftritt des deutschen UN-Vorsitzes zielte offensichtlich und von wohlwollenden deutschen Medien bereitwillig aufgegriffen darauf ab, auch im Hinblick auf Syrien eine Front zwischen Russland und China auf der einen Seite und den NATO-Verbündeten und dem Rest der Welt auf der anderen Seite zu suggerieren und aufzubauen.
    Quelle: Telepolis
  13. Der falsche Stammbaum
    Alle Welt spricht über ein anstößiges Wort: Stammbaumforschung. Der Polizeipräsident, dem es zugeschrieben wird, hat es nur nie gesagt. Verursacht wurde die ganze Aufregung von einem Sternschnuppen-Journalismus, der ungeniert Meldungen verbreitet, ohne ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. In diesem Fall war es das Stuttgarter Pressehaus.
    Seit der Krawallnacht vom 20. auf den 21. Juni wird landauf landab darüber nachgedacht, wie es zu einer derartigen Eskalation der Gewalt in der sonst so friedlichen Landeshauptstadt kommen konnte. Und wie eine Wiederholung zu verhindern sei. In den vergangenen Tagen wurde daraus ein Debatte mit beträchtlicher Schieflage.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  14. Beijing ruft zu Wachsamkeit gegenüber US-Einmischung im Südchinesischen Meer auf
    Beijing hat die Anrainerstaaten dazu aufgerufen, wachsam gegenüber der amerikanischen Tendenz zur Militarisierung des Südchinesischen Meeres zu sein und stattdessen gemeinsam Frieden und Stabilität in der Region zu wahren.
    Staatsrat und Außenminister Wang Yi äußerte sich in diesem Sinne am Dienstag in einer Videokonferenz mit dem philippinischen Außenminister Teodoro Locsin.
    Die Vereinigten Staaten würden durch die Entsendung starker Seestreitkräfte und Kampfflugzeugen die Muskeln spielen lassen und fortgesetzt die Ruhe im Südchinesischen Meer stören, sagte Wang.
    Am Montag hatte US-Außenminister Mike Pompeo in einer Stellungnahme gesagt, dass “Beijings Ansprüche auf Ressourcen in den größten Teilen des Südchinesischen Meeres ohne jede rechtliche Grundlage sind”.
    Diese Äußerung verstieße gegen die Zusicherung der Vereinigten Staaten, sich nicht in Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer einzumischen und säe mutwillig Zwietracht zwischen China und Mitgliedsstaaten des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN), versuche Konflikte zwischen Anrainerstaaten auszulösen und untergrabe die Stabilität in der Region, meinte Wang. Ein derartiges Vorgehen werde allerdings nur negative Rückwirkungen auf die Glaubwürdigkeit der USA haben.
    China werde weiterhin mit den Philippinen und anderen Ländern der Region zusammenarbeiten, um Meeresfragen durch Dialog und Konsultationen zu klären und möglichst bald einen Verhaltenskodex für das Südchinesische Meer zu erstellen, so Wang.
    “Eine Lösung der Fragen zu finden, die das Südchinesische Meer betreffen, erfordert einen Blick nach vorne, statt einer Rückkehr in die Vergangenheit,” sagte Wang seinem philippinischen Amtskollegen. (…)
    Die chinesische Regierung habe eine Landkarte der Inseln im Südchinesischen Meer aus dem Jahre 1948 veröffentlicht, in der die von Beijing beabsichtigte Grenzziehung verzeichnet sei, sagte Außenamtssprecher Zhao auf der täglichen Presekonferenz seines Hauses.
    Diese Grenzziehung sei über sehr lange Zeit von keinem Land in Frage gestellt worden. Chinas territoriale Souveränität, maritime Rechte und Interessen im Südchinesischen Meer hätten eine ausreichende historische und rechtliche Grundlage und stimmten mit internationalem Recht und gängiger internationaler Praxis überein.
    Quelle: German.China.org.cn

    Anmerkung Christian Reimann: Die Bundesregierung möchte offensichtlich auch hier an der Seite der USA stehen. Erinnert sei daran: Marine plant Entsendung einer Fregatte in den Indo-Pazifik mit einer Anmerkung.

  15. Damit ist jedes Ihrer Argumente wertlos.
    Das Prinzip Kontaktschuld ist beliebt, vor allem bei Diskussionen im Netz: Man diskreditiert eine Person allein dadurch, dass sie auf der ‘falschen’ Demo war, mit der ‘falschen’ Person gesprochen oder gar Geburtstag gefeiert hat. Analysiert wurde das Prinzip bislang kaum, was daher an dieser Stelle versucht werden soll: Ein Gespräch mit XY über Meinungspluralismus, Menschenbild, Radikalenerlass, den Umgang mit Rassisten und warum Twitter für Kontaktschuldvorwürfe die ideale Plattform ist.[…]
    Das Kontaktschuld-Prinzip ist so alt wie der politische Kampf selbst. Wir kennen es aus den USA, wo es in der McCarthy-Zeit gegen Menschen angewendet wurde, die angeblich dem Kommunismus nahestanden. Ähnlich war es dann mit dem Radikalenerlass in Deutschland, der vor allem auf das linke Spektrum zielte, auf Menschen, die mutmaßlich mit Osteuropa oder mit dem Kommunismus sympathisierten. In der Weimarer Republik ging es um Frankreich oder um die Alliierten, die im Krieg gegen Deutschland gekämpft hatten. Wenn Sie einen politischen Gegner ausschalten wollten, haben Sie ihm damals am besten Beziehungen zu den Gegnern von einst unterstellt. Ein klassischer Kontaktschuldvorwurf. […]
    Nach meiner Vorstellung gibt es in unserer Gesellschaft sehr viele unterschiedliche Meinungen und Interessen, zum Teil auch gegensätzliche, nicht miteinander vereinbare, die aber prinzipiell gleichberechtigt sind. Das sind Interessen von Einzelpersonen oder solche, die in Parteien, Vereinen oder Verbänden organisiert sind. Diese Interessen können und müssen sich im Feld der Öffentlichkeit verständigen. Das funktioniert aber nur, wenn die verschiedenen Interessen auch in den Leitmedien abgebildet und als gleichberechtigt wahrgenommen werden können – ohne dass von den Medien sofort die Abwertung mitgeliefert wird.
    Dieses Pluralismus-Modell entspricht meinem Ideal von Gesellschaft und Demokratie. Ich bin in der DDR aufgewachsen. Ein Punkt, der viele Menschen in der Bürgerbewegung im Herbst 1989 angetrieben hat, war die Verwirklichung von Pluralismus. Die DDR hat diesen ja nicht zugelassen, sondern sehr rigide in die Öffentlichkeit hineinregiert. Die Regierenden haben dort nichts toleriert, was ihrer eigenen Position widersprochen hat. Es gab in der DDR keinen Ausgleich der gegensätzlichen Meinungen und Interessen. Insofern messe ich das, was ich heute vorfinde, immer an diesem Pluralismus-Ideal.
    Quelle: Planet Interview

    dazu: betr. Interview zu Kontaktschuld
    Irgendwann in der Corona-Krise fiel mir auf Twitter der Hashtag #Kontaktschuld auf. Dabei geht es um das Prinzip, eine Person öffentlich zu diskreditieren, in dem man ihr Nähe zu Personen oder Positionen vorwirft, die von Teilen der Gesellschaft als ‚Gegner‘ identifiziert wurden. […]
    „Das Kontaktschuld-System ist ein Schneeballsystem“, schreibt Schreyer. „Es lebt davon, dass andere die Empfehlung zum Ausgrenzen unkritisch befolgen und damit weiter verbreiten. Das System selbst wird selten öffentlich reflektiert und hinterfragt.“
    Dieser Befund Schreyers war für mich letztlich ein Ansporn, das System der Kontaktschuld-Vorwürfe in Form eines Interviews zu erörtern. Nach einer kurzen Recherche fand ich dazu eine Person XY mit entsprechender Expertise und Erfahrung ‚am eigenen Leib‘: XY war in den vergangen Jahren mehrfach Kontaktschuldvorwürfen ausgesetzt. Eigentlich ideale Voraussetzungen, um Sinn- und Unsinn des Prinzips Kontaktschuld zu besprechen.
    Was zum Zeitpunkt meiner Interview-Anfrage allerdings nicht absehbar war: Dass sich, etwa zeitgleich zu unserem Interview-Termin, neue Kontaktschuldvorwürfe gegen XY medial so weit hochschaukeln würden, dass die Reißleine gezogen wurde: Um weitere Medienberichte zu verhindern, einigte sich XY mit den Kolleginnen und Kollegen in seinem beruflichen Umfeld, sich bis auf Weiteres nicht zu jenem Thema/jener Person zu äußern, welche XY die Kontaktschuldvorwürfe eingebracht hatten.
    Damit wäre eine Veröffentlichung des Interviews, in dem ich mit XY über all das gesprochen habe, eigentlich vom Tisch. Doch in diesem Fall gibt es eine andere Lösung: Wir haben das Interview anonymisiert. Zwar mussten dafür einige Passagen komplett gestrichen werden, die eine eindeutige Identifizierung ermöglicht hätten, was ich sehr bedauere. Doch der überwiegende Teil des Gesprächs ist erhalten geblieben.
    Quelle: Planet Interview


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=62957