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Titel: „Der begrenzte Planet und die unbegrenzte Wirtschaft“ – Heiner Flassbeck knöpft sich in seinem neuen Buch die deutsche Klimapolitik vor

Datum: 23. Oktober 2020 um 11:38 Uhr
Rubrik: Energiewende, Klimawandel, Rezensionen, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Der Ökonom Heiner Flassbeck hat ein neues Buch geschrieben. „Der begrenzte Planet und die unbegrenzte Wirtschaft“ heißt es. Im Kern ist das Werk eine kritische Auseinandersetzung mit der Klimapolitik dieser Tage. Flassbeck schlägt darin einen Bogen von den Klimagipfeln in Paris, Bonn und Madrid über die Fridays-for-Future-Bewegung hin zur deutschen Energiewende, um schließlich wieder bei der globalen Klimapolitik zu landen. Garniert wird das Ganze dann noch mit etwas klassischer Umweltökonomie, sprich einer Diskussion über externe Effekte, CO2-Steuern, Zertifikatehandel und Ordnungsrecht. Von Thomas Trares.

Der Inhalt kommt auf den ersten Blick etwas überraschend daher, denn der Buchtitel lässt eigentlich vermuten, dass sich Flassbeck hier kritisch mit der Postwachstumsökonomie auseinandersetzt. Doch das tut er nur am Rande, und dies hat auch seinen Grund. Denn Flassbeck hält das Thema Postwachstum für nicht mehrheitsfähig und damit auch für keine gangbare Alternative.

„Das klingt für Menschen mit hohem Einkommen sympathisch und vernünftig, es hat aber noch niemand gezeigt, dass sich daraus ein politisches Programm zimmern lässt, mit dem man Mehrheiten erzielen kann.“ (S. 32)

Flassbeck hingegen wendet sich lieber dem politisch Machbaren zu, sprich der praktischen Umweltpolitik, und das ist gut so. Denn hier kann er mit Hintergrundwissen aus seinen früheren Tätigkeiten als Chefvolkswirt der Welthandelsorganisation UNCTAD sowie als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium punkten. Über den Klimagipfel von Paris, auf dem sich die Staaten der Erde auf die Begrenzung der menschengemachten Klimaerwärmung verständigt haben, sagt er etwa:

„Globale Vereinbarungen wie das Pariser Abkommen werden von den meisten Ländern nur als bloße Absichtserklärungen angesehen und verschwinden sofort in der Schublade, wenn die Regierungen glauben, dass die wirtschaftlichen Möglichkeiten zur Entwicklung durch billige fossile Rohstoffe gefördert werden könnten.“ (S. 27)

Preisanstieg auf globaler Ebene

Flassbecks zentrale Botschaft ist, dass eine Klimapolitik nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie konsequent und dauerhaft und auf globaler Ebene den Preis für fossile Energieträger verteuert. Und dies macht er gleich an mehreren Stellen deutlich. Er schreibt:

„Es ist eine Illusion zu glauben, man könne eine Verdrängung fossiler Brennstoffe erwarten, ohne dass es eine lang anhaltende und für die Investoren abgesicherte relative Verteuerung von Kohle und Öl im Vergleich zu erneuerbaren Energien gäbe.“ (S. 18) Und an anderer Stelle heißt es: „Wer ernsthafte Klimapolitik betreiben will, muss fossile Brennstoffe teuer machen, alles andere ist Schall und Rauch.“ (S. 112)

Die Politik steht hier jedoch gleich vor einem doppelten Dilemma. Erstens war fossile Energie in den vergangenen 200 Jahren unabdingbar für die wirtschaftliche Entwicklung der Menschheit, so dass ein einfaches Umsteuern überhaupt nicht möglich ist, und zweitens ist Energie nach wie vor „spottbillig“, so dass im Grunde noch gar nichts gewonnen ist. Dazu schreibt Flassbeck:

„Der wahre Umweltskandal ist die Tatsache, dass der reale Ölpreis heute nicht höher als 1970 ist, also vor der ersten Ölkrise. Dieser Preis ist das mit Abstand wichtigste Marktsignal, das eine von den Staaten durchgesetzte Klimapolitik aussenden müsste.“ (S. 89f)

Vollbeschäftigung und Umverteilung

Die zweite zentrale Botschaft, die Flassbeck aussendet, ist, dass die Bewältigung der Klimafrage in demokratisch organisierten Staaten nur funktionieren kann, wenn die Wirtschaftspolitik die negativen Folgen des ökologischen Umbaus abfedert, sprich sie muss für Vollbeschäftigung sorgen und gleichzeitig die unteren Einkommen entlasten. Gelingt das nicht, ist die Klimapolitik zum Scheitern verurteilt, wie man unter anderem an der Gelbwesten-Bewegung in Frankreich sehen kann.

Der große Pluspunkt dieses Buches ist, dass Flassbeck darin klipp und klar ausspricht, dass Deutschland samt seiner Energiewende keineswegs der Musterknabe der globalen Klimapolitik ist. So schreibt er:

„Noch weniger sind moralische Höhenflüge angebracht, bei denen wir uns wieder mal als die überlegene und damit als einzige zum Führen der Welt geeignete Nation feiern. Die Energiewende jedenfalls taugt weder als Beweis für moralische noch technische Überlegenheit, weil auch Deutschland vom Erreichen des einmal festgesetzten Klimaziels meilenweit entfernt ist.“ (S. 53)

Fehlentwicklungen der Energiewende

Flassbeck verweist in diesem Zusammenhang auf Fehlentwicklungen wie Dunkelflauten und Minuspreise oder auch darauf, dass ohne fossile Kraftwerke als Reservekapazität eine Energiewende nach deutschem Vorbild gar nicht möglich ist. Abgesehen davon ist der größte Teil der deutschen CO2-Reduktion ohnehin nur darauf zurückzuführen, dass 1990 als Basisjahr für die Berechnungen gewählt wurde und somit der Wegfall der Industrieproduktion in der DDR noch voll zum Tragen kommt. Und auch in punkto sozialer Ausgewogenheit ist es mit der Energiewende nicht weit her. „Das Thema sozialer Ausgleich für die hohen Stromkosten existiert in Deutschland praktisch nicht“, sagt Flassbeck. (S.21)

Darüber hinaus kritisiert er, dass die eigentliche klimapolitische Aufgabe, nämlich die Verteuerung fossiler Energieträger auf globaler Ebene, von der Politik erst gar nicht angegangen wird. Stattdessen verliert sich die Bundesregierung in einem Sammelsurium an Einzelmaßnahmen, wie Kohlekraftwerke abschalten und „Verbrenner“ verbieten, die in der Summe wohl kaum einen oder gar keinen Effekt auf das Klima haben.

„Am Beispiel Energiewende zeigt sich wieder einmal, dass die traditionelle Politik in unseren Demokratien heillos überfordert ist. Folglich tut sie das, was man Symbolpolitik nennen kann: Sie macht irgendwas, was vermeintlich in die richtige Richtung zeigt, ohne es zu Ende zu denken und ohne die systembedingten Folgerungen auch nur zur Kenntnis zu nehmen.“ (S. 51)

Die Rolle der Grünen

Auch von einer möglichen Regierungsbeteiligung der Grünen verspricht sich Flassbeck keine Wende zum Besseren. Und dies vor allem, weil die Partei aus seiner Sicht „wirtschaftspolitisch dilettiert“. So gebe es in den Reihen der Grünen niemanden, der offensiv die Haushaltspolitik nach Art der „schwäbischen Hausfrau“ infrage stellt, und auch in der gesamten Eurokrise habe man keine eigenständige grüne Position vernommen.

„Bleibt es bei dem wirtschaftspolitischen Vakuum der Grünen, wird sie in einer Jamaika-Koalition auf Bundesebene gnadenlos von CDU/CSU und FDP auf einen engen neoliberalen Pfad gedrängt, auf dem am Ende für effektiven Umweltschutz kein Platz mehr ist.“ (S. 147)

Flassbeck betont zwar gleich zu Beginn des Buches, dass er nicht in Pessimismus und Defätismus enden möchte, viel Anlass zur Hoffnung gibt er auf den dann folgenden gut 160 Seiten allerdings auch nicht. Denn dazu klafft – so macht er immer wieder deutlich – zwischen dem politisch Notwendigen und den aktuellen Lösungsansätzen einfach eine zu große Lücke. Er schreibt:

„Gemessen an den Vorstellungen der Klimaforscher, die eine rasche absolute Verminderung des CO2-Ausstoßes erreichen wollen, ist die derzeit global betriebene Politik einfach nicht geeignet, das zu tun, was man tun müsste, um eine globale Erwärmung zu verhindern.“ (S. 106)

Flammender Appell

Ganz am Ende, im Ausblick, der fast schon ein flammender Appell geworden ist, bestärkt Flassbeck den Leser dann doch noch wenigstens etwas in der Hoffnung, dass die Menschheitsaufgabe Bewältigung des Klimawandels einen guten Ausgang nehmen könnte. Dazu müssten aber die Vereinten Nationen nicht nur – so wie sie es jetzt tun – Ziele festsetzen, sondern mit den nationalen Regierungen auch konkret über Instrumente sprechen.

„Man kann die Erzeugung fossiler Rohstoffe auf der gesamten Welt nur im Rahmen einer internationalen Konvention herunterfahren.“ (S.157)

Und nicht zuletzt müssten „grüne Parteien ihr wirtschaftspolitisches Profil schärfen, sich vom Neoliberalismus vollständig lösen, globale Zusammenhänge in den Fokus nehmen und die soziale Frage zu einem Kernelement ihrer Programmatik machen“. (S. 165)

Titelbild: Billion Photos/shutterstock.com


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