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Titel: Sanktionen! Regime Change! Vorstellungen, die von Selbstgerechtigkeit und Verschlagenheit unserer „Eliten“ zeugen

Datum: 18. Februar 2021 um 17:05 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Erosion der Demokratie
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In den letzten Tagen kam es zu einem Austausch konträrer Positionen zum Thema Sanktionen und Regime Change. Ein interessanter Teil dieses Disputs wird im Folgenden dokumentiert. Morgen werde ich in einer weiteren Folge auf die eigenartigen, gedankenlosen und selbstherrlichen Vorstellungen der westlichen Eliten eingehen, Sanktionen gegenüber anderen Völkern und Ländern zu verordnen und anderen Völkern vorschreiben zu wollen, wie und von wem sie regiert werden. Albrecht Müller.

Kleine Dokumentation eines Austauschs von Texten und Positionen

Am 16. Februar erhielten die NachDenkSeiten in einer Mail ihres Lesers Ekkehard von Hoyningen-Huene die Kopie einer Mail des Lesers an Professor Felbermayr, Präsident des Institutes für Weltwirtschaft in Kiel. Diese Mail mit 6 Fragen und Feststellungen bezog sich auf ein Deutschlandfunk-Interview. Es trifft den Kern eines notwendigen Disputs. Siehe hier:

Sehr geehrter Herr Prof. Felbermayr,

im Deutschlandfunk haben Sie sich am 11. Februar 2021 zum Verhältnis zu Russland wie folgt geäußert: Sie setzen voraus, dass “man Russland wirklich wirtschaftlich in die Knie zwingen will” mit dem großen Ziel: “Wir wollen ja nicht weniger als einen Regimewandel in Russland”. Dies kann nicht unhinterfragt stehen gelassen werden.

  1. Wer gibt Ihnen das Recht, auf diese Weise über ein anderes souveränes Land zu sprechen? Und dann noch als ein Vertreter eines Landes, das schon einmal Russland “in die Knie zwingen” wollte, mit den bekannten Folgen und Millionen Toten.
  2. Wen meinen Sie, wenn Sie von “wir” sprechen? Sprechen Sie für Deutschland? Ganz Deutschland? Für die EU? Für bestimmte Kreise? Oder für die USA? Die haben ja schon viele Erfahrungen mit regime changes (in Südamerika, im Nahen Osten, in Libyen, in der Ukraine etc. etc.) mit den bekannten Konsequenzen. Sollen “wir” uns da nun einreihen?
  3. Wie weit würden Sie gehen, um einen “Regimewandel” in Russland zu erreichen? Was ist, wenn es nicht gelingt, das Land “wirtschaftlich in die Knie (zu) zwingen”? Würden Sie auch militärische Mittel einsetzen?
    Haben Sie über die Folgen nachgedacht? Was würde das für Mitteleuropa (und die Welt) bedeuten?
  4. Haben Sie sich schon einmal in die Lage Russlands versetzt, wenn Sie sich so äußern? Was würden Sie sagen, wenn ein russischer Wissenschaftler ganz offen für einen regime change in Deutschland oder in den USA plädieren würde?
  5. Was wollen Sie eigentlich erreichen? Was ist Ihr Ziel? Bitte spezifizieren Sie das genauer! Als Wirtschaftswissenschaftler sind Sie an wirtschaftlichem Austausch interessiert, nehme ich an. Der ist auch mit dem derzeitigen “Regime”, wie Sie es nennen, möglich. Wollen Sie, dass Russland von US- und/oder EU-Unternehmen übernommen wird? Ist das die freie Marktwirtschaft, die Sie sich vorstellen, mit “auf die Knie” gezwungenen Partnern? Die Wirtschaft war noch nie wählerisch mit den Handelspartnern, Demokratie war ihr noch nie wichtig, wie die Beispiele NS-Deutschland, Saudi-Arabien, Pinochet-Chile und viele mehr zeigen.
    Eine Diktatur sorgt für “stabile Verhältnisse”.
  6. Wenn Sie sich so äußern, sprechen Sie nicht im meinem Namen, mich streichen Sie bitte aus dem “wir”! Haben Sie schon mal die Stichworte “Wandel durch Annäherung”, “Entspannungspolitik” und “Friedliche Koexistenz” gehört? Obwohl Sie erst 1976 geboren wurden, sollten Sie diese Begriffe kennen! So stelle ich mir unser Verhältnis zu Russland vor, ohne jemanden “in die Knie zwingen” zu wollen, ohne militärische, atomare Drohungen, die wie ein Damoklesschwert über uns hängen! Mir machen Ihre Äußerungen Angst, besonders wenn ein Deutscher/Österreicher sich schon wieder so äußert vor dem Hintergrund der deutsch-russischen Geschichte! Aber danke für Ihre offenen Worte, nun wissen “wir” endgültig, woran “wir” sind, welche Interessen die Kreise, zu denen Sie gehören, haben.
  7. Ich möchte meine Äußerungen nicht missverstanden wissen! Es ist keineswegs so, dass ich die russische Politik kritiklos beurteile, genausowenig, wie ich das mit der US-amerikanischen oder der deutschen Politik tue. Vorbeugend verwahre ich mich hiermit vor der diffamierenden Bezeichnung “Putin-Versteher”. Bitte gehen Sie sachlich mit meinen Fragen um! Ich habe eine Kopie an die nachdenkseiten.de geschickt. Ich erwarte eine öffentliche Stellungnahme zu meinen Fragen.

Mit freundlichen, aber besorgten Grüßen
Ekkehard von Hoyningen-Huene

Professor Felbermayr hat sich dazu geäußert und Ekkehard von Hoyningen-Huene hat geantwortet. Ich habe zusätzlich vorgeschlagen, für die NachDenkSeiten ein Interview zu machen. Darauf ist Professor Felbermayr bisher nicht eingegangen.

Zum Thema gab es dann am 18.2. einen Beitrag in German-Foreign-Policy.

Hier der Einstieg in und der Link zu diesem ebenfalls lesenswerten Artikel:

Im Kolonialherrenstil
In Berlin werden Forderungen nach neuen Sanktionen gegen Moskau laut: “Wir wollen einen Regimewandel”.
BERLIN/MOSKAU(Eigener Bericht) – In den deutschen Herrschaftseliten schwellen die Forderungen nach neuen Sanktionen gegen Moskau und einem Aufwiegeln von Russlands junger Generation an. Man habe “gegenüber Russland … sehr große [Ziele]”, erklärt der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr: “Wir wollen … einen Regimewandel”. Die jüngsten Proteste von Anhängern des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny, die aus Berlin koordiniert wurden, reichten noch nicht aus, um “die Stabilität des Regimes” zu gefährden, urteilt die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Man könne allerdings auf die junge Generation (“Generation Putin”) setzen, in der viele gegenüber der Regierung kritisch eingestellt seien, schlägt ein Mitarbeiter der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung vor. Nawalny spreche insbesondere jüngere Menschen an; er verkörpere “einen neuen Politikertyp”. Der Mann, den die deutschen Eliten im Kolonialherrenstil in Russland an die Regierung zu bringen suchen, wird lediglich von einer kleinen Minderheit der russischen Bevölkerung unterstützt. …

In diesem Beitrag wird auch sichtbar, wie viele und welche Institute, NGOs, Einrichtungen von sogenannten Experten inzwischen in die öffentliche Debatte eingeschaltet sind. In meinem Vortrag zu “Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst” war ich auf dieses Phänomen, die Manipulationsmethode, Experten zu benutzen, eingegangen.


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