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Titel: Leserbriefe zu „Was Kinder, Jugendliche und ihre Familien jetzt brauchen – und was nicht….“

Datum: 11. Juni 2021 um 15:00 Uhr
Rubrik: Leserbriefe
Verantwortlich:

In diesem Beitrag haben Sandra Reuse und Ralf Lankau eine Diskussion zum Zustand der Bildungs- und Betreuungspolitik, zur Rückkehr an die Schulen und zum Beginn des nächsten Schuljahrs angestoßen. Das Diskussionspapier wurde inzwischen ergänzt und wird hier verlinkt. Es sind dazu eine Reihe von E-Mails an das „Forum Schule – wie weiter“ gegangen, die wir hier veröffentlichen. Von Redaktion.

Zunächst ein kurzes Statement der Betreiber des Forums „Schule – wie weiter?“

Liebe Teilnehmer am Forum „Schule – wie weiter?“, wir haben das Diskussionspapier noch einmal ergänzt, da viele Foristen – zu Recht – monierten, dass auch das Thema Maskentragen im Unterricht angesprochen werden müsste. Daher haben wir noch eine Passage zum Infektionsrisiko an Schulen und bei Kindern hinzugefügt (S. 3) und stellen daraus abgeleitet die Forderung nach einer sofortigen Abschaffung der Maskenpflicht und einer deutlichen Reduzierung anderer Hygienemaßnahmen auf (S. 4). Eine Verlängerung des Schuljahrs würde es ermöglichen, den Unterricht in Innenräumen zu reduzieren, mehr Pausen einzuführen und mehr Aktivitäten nach draußen zu verlegen.

Die NachDenkSeiten gehörten zu den wenigen Medien, die früh wissenschaftlich basierte Berichte darüber veröffentlicht haben, dass Kinder nicht nur weniger gefährdet durch Covid-19 sind, sondern dass ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nur eine untergeordnete Rolle im bisherigen Pandemiegeschehen zukam. Das war bereits im Februar, spätestens aber ab März/April durch international publizierte Studien belegbar. Die Kumulation von Hygienemaßnahmen, die es an vielen Schulen gab und bis heute gibt, war daher nicht evidenzbasiert. Doch selbst wenn Kinder richtige „Superspreader“ gewesen wären, hätten sie niemals so behandelt werden dürfen wie in den vergangenen 15 Monaten. Kinder brauchen den sozialen Umgang mit Gleichaltrigen. Sie zu Hause zu isolieren, und das über Monate, war ein Weg, der nicht wieder beschritten werden darf. Hinzu kommt, dass auf diese Weise bestehende Bildungsungerechtigkeiten massiv verstärkt wurden. Sandra Reuse und Ralf Lankau

Unter diesem Link finden Sie das überarbeitete Diskussionspapier.

Unter diesem Link geht es zum „Forum Schule – wie weiter?“.

Unter diesem Link finden Sie die Zusammenfassungen vieler weiterer Zuschriften an das Forum und Blogbeiträge.

Hier folgen nun die Leserbriefe:

1. Leserbrief

Von: Mathias B.
Betreff: Defizitorientierung nicht hilfreich

Nachrichtentext:
So sehr ich mir auch eine Rückkehr zum lernförderlichen Präsenzunterricht nach den Sommerferien wünsche, teile ich die zu sehr defizitorientierte Einschätzung hinsichtlich des zu Ende gehenden Schuljahres nicht. Ja, es wurde Präsenzunterricht versäumt, aber es wurde trotzdem gelernt, zu Hause unter Einsatz von digitalen Medien und Portalen. Die Schülerinnen und Schüler haben mehr Verantwortung für den eigenen Lernprozess übernommen, haben Erfahrungen im Zeitmanagement gesammelt und sind somit den früheren Absolventen gegenüber eventuell besser auf Studium und Berufsleben vorbereitet. Nur auf das Versäumte zu schauen, von dem, seien wir mal ehrlich, vieles im Laufe der Jahre sowieso wieder vergessen wird, hilft nicht. Und aus wichtigen Ferien Lernferien zu machen, ist auch kontraproduktiv. Vielmehr müsse die Schulen und Lehrkräfte ihre Hausaufgaben machen und sich technisch und methodisch darauf vorbereiten, dass der Unterricht nach den Ferien auf den erlernten digitalen Kompetenzen aufbauen kann. Ein zurück zum Unterricht wie vor der Pandemie wäre eine Katastrophe.


2. Leserbrief

Von: Barbara B.
Betreff: Maske?!?

Viele interessante und durchaus sinnvolle Forderungen stehen da – das wichtigste aber fehlt.

Kinder und Jugendliche zum Maskentragen zu zwingen, ist absolut unverhältnismäßig und gefährlich!

Solange die Kinder und Jugendlichen dazu gezwungen werden, werden die Lernrückstände, die sozialen und psychischen Probleme ganz sicher nicht kleiner werden!


3. Leserbrief

Von: Ulrike S.
Betreff: zum Diskussionspapier “Wie weiter”

Nachrichtentext:

Liebe Frau Reuse, lieber Herr Lankau,

abgeleitet aus den von Ihnen genannten Problemen fordern Sie, die Schule wieder als Sozialraum und Ort der Begegnung zu gestalten. Upps. Angesichts dessen, was in der Corona-Zeit an Maßnahmen gegen Kinder und Jugendliche in den Schulen administriert und durchgesetzt wurde, angesichts dessen, was Sie als Problemlage vorstellen, frage ich mich: War das vorher überhaupt ein guter Sozialort und ein guter Ort der Begegnung? Ich hatte schon vor Corona die Befürchtung, dass die Schule in Deutschland kein guter Ort für Kinder und Jugendliche ist (natürlich gibt es immer auch menschlich und pädagogisch kluge und wichtige Lehrpersonen usw. – und ich glaube auch, dass vielen Kollegen – mich eingeschlossen – die Schüler am Herzen liegen. Die Herzlosigkeit, die aber jetzt in Schule Einzug gehalten hat, war vorher schon angelegt – in der Autoritätshörigkeit, in der ständigen Überfrachtung mit sinnloser Arbeit, in der Deklassierung des Pädagogischen und in vielem mehr, was man nennen könnte. Ich befürchte, dass es nicht genügend Wertvolles vor Ort gibt, auf das man sich rückbesinnen könnte. Ich frage mich auch, was im Zuge der Corona-Maßnahmen die Oberhand gewonnen hat – eine echte Solidarität, ein echtes Mitgefühl füreinander, eine kritische Debattenkultur? Ich glaube nicht – stärker geworden sind vielmehr die Forderungen des Funktionierens, des Durchhaltens, des Sich-Übergehens, des Nicht-Aus-der-Reihe-Tanzens usw. – und sei es nur aus der allgemeinen depressiven Erschöpfung heraus, die so viele befallen hat. Deshalb denke ich (leider): Ihre Forderungen sind zu kurz gesprungen.

Mit herzlichem Dank für Ihre Arbeit und herzlichen Grüßen

Ulrike S. (Lehrkraft und Mutter)

P.S. “zu kurz gesprungen” ist so offen. Mir ist schon klar, dass es auch um eine Anschlussfähigkeit in einem sehr engen Diskursraum geht – meines Erachtens muss zumindest eine irgendwie geartete Forderung dazu, das Lehrer entlastet werden und selbstkritisch ihr Handeln während des Maßnahmen-Regimes reflektieren/hinterfragen (natürlich netter formuliert). Die Notwendigkeit ergibt sich allein daraus, dass nicht nur in Gymnasien die Test/Klassenarbeitsmaschine sofort wieder angeschmissen wurde, sondern ich habe es auch von vielen anderen Schulformen (insbesondere auch von Grundschulen) gehört.


4. Leserbrief

Von: André B.
Betreff: Was Kinder, Jugendliche und ihre Familien jetzt und im Herbst brauchen – und was nicht

Hallo,

die Zusammenstellung des Istzustandes und die abgeleiteten Forderungen sind allesamt richtig, nur wird sie niemand hören. Meine Jungs haben seit Mittwoch reduzierten Normalunterricht (mit Maske und zwei Tests pro Woche), aber alles, was über die Grundlagenfächer Deutsch und Mathe hinausgeht, entfällt weiterhin.

Mein Großer hat in Klasse 3 jetzt erheblichen Druck, denn es müssen noch Noten her. Der Eindruck ist völlig richtig, daß alle so tun, als wäre seit März 2020 absolut nichts passiert. Niemand diskutiert mit den Schülern die völlig verkorkste Situation, mit den Eltern natürlich auch nicht. Selbst der eine Elternabend pro Schuljahr, den man meist am Schuljahresanfang hat, ist entfallen. Wahrscheinlich bleibt das auch so. Warum diskutieren? Es fehlt das Personal, um irgendetwas auf- oder nachzuholen. Schon deshalb sind Forderungen egal welcher Art völlig utopisch.

Und so werden meine Frau und ich versuchen, die Jungs (allesamt Nichtschwimmer), wie schon letzten Sommer wenigstens in ein einwöchiges Ferienlager mit Schwimmkurs zu schicken. Macht für die drei auch über 800 Euro, und die fünf Tage mit Schwimmkurs werden nicht reichen. Aber Schwimmen lernen sie nicht mehr in der Schule. Das war schon “vor Corona” wegen Personalmangel fast ein Unding, jetzt wird es zur Unmöglichkeit. Mehr fällt uns zu Thema “Aufholen” dann auch nicht ein. In der Provinz würde man selbst mit viel Geld keinen Privatlehrer auftreiben können, von der fehlenden Infrastruktur (z. B. Schwimmbäder mit Schwimmkursen) ganz zu schweigen.

Für mich ist klar, daß das Ganze genau so gewollt ist, Stichwort “neoliberaler Umbau der Bildung”. Viele junge Leute werden jetzt bewußt aussortiert, warum auch immer. Eltern werden weiter unter extremem Druck stehen. Was man ihnen damit klarmachen will? Darüber mache ich mir seit dem ersten Tag der Schulschließungen Gedanken. Wahrscheinlichste Variante: Daß man sie nicht braucht, daß sie das Land verlassen sollen. Klingt hart, ist aber so. Den Gedanken, in ein freieres Land umzuziehen, sollte man auf jeden Fall ab und zu aufgreifen. Ich kenne konkret schon eine Abiturientin, die ihr Studium in Ungarn starten will, weil es dort noch Präsenzunterricht (!!!) gibt. Ein starkes Argument für Ungarn und gegen Deutschland. So weit ist es gekommen.

Mein persönliches Fazit: Wir kümmern uns nur noch und ausschließlich um unsere Familie. Klar, wenn der Fußballtrainer der Jungs Unterstützung braucht (der Vereinssport läuft gerade wieder an, der Schulsport noch lange nicht), sind wir dabei. Und die NDS bekommen auch wieder eine Spende. Darüberhinaus machen wir nichts mehr, gar nichts. Zur Wahl gehen ist zwecklos, die Bildungspolitik ändern zu wollen ebenso. Und wenn das mit vier Kindern so einfach wäre, würden wir womöglich bald das Land verlassen.

Beste Grüße

André B.


5. Leserbrief

Von: Michaela Z.
Betreff: Sing- und Blasverbot in Brandenburger Musikschulen

Worüber niemand spricht, der VdMK nur leise und ungehört bleibt wie einige engagierte Musikschulleiter: Herr Woidke verbietet immernoch an Brandenburger Schulen und Musikschulen das Singen und Spielen von Blasinstrumenten im Ensemble in Innenräumen. Die Erlaubnis, dies im Freien zu tun ist ein Hohn für Pädagogen und Kinder. Die Forderungen zum Dialog zu Alternativen bleiben einfach ungehört. Teuer geförderte und durch engagierte Pädagogen ins Leben gerufene Projekte dümpeln vor sich hin, laufen aus, Kinder und Eltern werfen hin, melden sich ab in den Musikschulen… erbärmliche Verbote von empathielosen, kinderlosen Politikerin im Rentenalter


6. Leserbrief
Von: Vera M.
Betreff: Rückkehr zum Präsenzunterricht

Ihren gestellten Forderungen kann ich grundsätzlich zu 100% zustimmen. Leider haben Sie folgende ausgelassen:

  • unbedingte Aufhebung der Maskenpflicht, da diese jede sinnvolle soziale Interaktion unmöglich macht (und selbst nach der S3-Richtlinie keinerlei Evidenz aufweist)
  • keine psychisch hochgradig belastenden Testungen, die nachweislich unsinnig sind und lediglich einige Menschen sehr viel verdienen lassen
  • systematische Aufarbeitung der letzten 15 Monate mit Psychologen und Sozialarbeitern – insbesondere auch für Lehrkräfte!!!
  • eine umfassende Schulreform, die den Menschen mit seinen Fähigkeiten- nicht seinen Defiziten! – in den Vordergrund stellt

7. Leserbrief

Von: Antje H.
Betreff: ein großes Lob

Vielen herzlichen Dank, sie sprechen genau das aus, was ich schon die ganze Zeit denke, beanstande, bemerke und auch von der Polikik fordere. Ich bin sowohl Mutter von zwei Kindern (9 und 14 Jahre), als auch Sozialpädagogin und habe mit Fassungslosigkeit mitverfolgt wie Jugendämter ihre wichtigen Hilfeplangespräche fast ausschließlich und noch wie vor nur noch digital abhalten, wie Sozialpädagogische Familienhilfe ausgesetzt wurde oder nur noch digital stattfind und findet, wie logopädische Behandlungen mit FFp2 Maske durchgeführt werden konnten. Ich könnte noch massenhaft Beispiele anführen, aber das für mich fast unfassbarste an der Sache ist, das wenig Forderungen oder auch Kritik an den Maßnahmen aus dem pädagogischen Bereich kam und kommt.

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Arbeit und hoffe das so etwas im Herbst auf keinen Fall noch einmal passiert und das mehr Menschen den Umgang mit Kindern und Jugendlichen in einer “Krise” hinterfragen und nicht einfach so hinnehmen.


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