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Titel: Stopp-Air-Base-Ramstein-Protestwoche 2021: Es bleibt dabei, die Base muss geschlossen werden

Datum: 14. Juli 2021 um 11:10 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufbau Gegenöffentlichkeit, Friedenspolitik
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Wir sind wieder da und kommen wieder. Dieses war die einheitliche Meinung der über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dem Friedenscamp in Ramstein, das trotz gruseligem Wetters eine prägende Erinnerung für alle bleiben wird: für die Organisatoren, die in drei Wochen nach der endgültigen Bestätigung, dass ein Camp möglich ist, dieses unter unsäglichen Mühen aus dem Boden stampften, für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgrund der so vermissten vielfältigen Kommunikations- und Begegnungsmöglichkeiten. Groß ist die Hoffnung, mindestens in der frischen Luft wieder zu einer Normalität des Zusammenlebens zu kommen. Von Reiner Braun.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Miteinander reden und streiten bestimmte die Atmosphäre. Groß war die Freude, den oder die andere nach langer Zeit wiederzusehen. Die solidarische Atmosphäre dieses streitbaren Camps hat gezeigt, wie wir leben, lieben, streiten und kämpfen wollen. Die Diskursfähigkeit der Campierenden war beeindruckend. Nicht eine Meinung herrschte, aber immer der Respekt vor der anderen Meinung. Viel können linke Diskurse aus diesen Diskussionen und diesem Zusammenleben lernen!

Das Engagement jedes Einzelnen für die gemeinsame Sache: Zum Flaggentag nach Kaiserslautern, mit Flugblättern und Plakaten in die Umgebung, um für die Aktionen zu werben und aufzuklären, aktiv an den Veranstaltungen der Friedenswerkstatt mitwirken, zum internationalen Basekongress und der Abendveranstaltung fahren und gleichzeitig noch ein Camp mitorganisieren, vom Essen, über die Bar bis zur Sauberkeit – das alles bei permanenten Regenschauern. Nur das solidarische Miteinander, das Vorleben der besseren, gerechten und umweltfreundlichen Welt hat es möglich gemacht. Viel Spaß hat es auch noch gemacht und viele haben auch neue Kraft „getankt“.

In einer 2-tägigen Zukunftswerkstatt wurden Visionen für die Region ohne Militärbasen entwickelt. U.a. wurde auf dem Gelände der Air Base ein neues solidarisches Wohngebiet ausgewiesen, autofrei und nur mit Fahrradstraßen, Seniorentagesstätten, Kindertagesstätten, Schulen und Jugendzentren haben ebenso Platz gefunden wie das Handwerk und solidarische Landwirtschaft. Ökologisches Bauen ist genauso selbstverständlich, wie dass Grund und Boden Gemeinschaftseigentum sind. Im nächsten Jahr wollen wir weiter an unseren Visionen von einer friedlichen Welt, einer Welt ohne Krieg und Militarismus, einer Welt, in der viele Welten Platz haben, wie es die Zapatistas sagen würden, arbeiten. Wir wollen noch besser versuchen, die Bevölkerung stärker mit einzubeziehen.

Das Camp war hochpolitisch, nicht nur in den intensiven Diskussionen über die Konsequenzen der Corona-Maßnahmen, nein, besonders im Engagement für den Frieden.

Die Airbase ist ein zentrales Kettenglied in der Konfrontation mit Russland, hier sind die Einsatzzentralen für die US-Atomwaffen in Europa und des Raketenabwehrsystems. Hier wird der zukünftige Cyberkrieg mitorganisiert und koordiniert. Von Ramstein aus starten die Interventionstruppen und die Bomber überall hin in die Welt. Der Drohnenkrieg geht – trotz oder gerade wegen des Truppenabzugs in Afghanistan – weiter, die Bundeswehr will bewaffnete Drohnen, die Eurodrohne droht. All das ist mit dieser US- und NATO-Air-Base untrennbar verbunden und völkerrechtswidrig.

Dazu kommt das nur als Wahnsinn zu bezeichnende Projekt des europäischen Kampfflugzeuges FCAS: Bomber, Drohne und Drohnenschwarm sollen es auszeichnen. 500 Milliarden soll es kosten, real wohl das Dreifache.

Ist es anders als ungehemmte Aufrüstungspolitik zu bezeichnen, wenn der Verteidigungsausschuss in seiner letzten Sitzung 32 Projekte mit mehr als 20 Milliarden durchwinkte.

Alle Waffen, die entwickelt wurden, werden eingesetzt, wenn nicht bei uns, dann in den Interventionskriegen, den Stellvertreterkriegen oder durch Rüstungsexporte in bewaffneten Konflikten. Immer sind die Bundesregierung, EU-Europa sowie die NATO dabei.

Das politische, moralische und ethische Nein zu dieser Politik durchzog das Camp und alle Aktionen wie ein roter Faden. Es verband die alten Friedensbewegten mit den vielen neuen. Das Camp war „jung“ und viele waren das erste Mal dabei! Zeigt aber auch, dass Friedensbewegte fehlen!

Die tiefe Einsicht und das Verständnis, dass nur unser Engagement, die Solidarität und die Stärkung der Friedensbewegung die Kriegsgefahren stoppen und einen alternativen Weg der Kooperation und der Abrüstung erreichen können. „Wie viele Camps wird es denn noch geben?“, fragte eine junge Teilnehmerin besorgt. Es hängt auch von uns ab! Eine sicher nicht vollständig überzeugende Antwort, aber sie verdeutlicht: Wir müssen nach diesem Anfang wieder mehr werden.

Die Fahrradsternfahrt von 4 Orten in der Umgebung der Air Base zur Air Base Ramstein und um die Air Base mit mehr als 100 Fahrrädern und einer ähnlich großen Anzahl von begleitenden „Zuschauenden“ verdeutlichte den Willen zur Aktion. Die große Sympathie der Bevölkerung, in den Dörfern und auf den passierten Straßen war ermutigend und strahlte aus. Die kritische Haltung in der Bevölkerung der Umgebung der Airbase wächst, immer mehr Fragen werden zu den ökologischen Konsequenzen dieser wahnwitzigen Militärbasis gestellt: Was ist mit dem Grundwasser, warum immer dieser Lärm, diese elende Luftverschmutzung, immer mehr Bäume werden abgeholzt. Das gesellschaftliche Klima der Region verändert sich, leider noch nicht die Aktionsbereitschaft der Hauptbetroffenen. Hier gilt es weiter aufzuklären, zu informieren und die Aktionen konkret fortzusetzen. Konversion bleibt ein entscheidendes Kettenglied für den Erfolg der Gewinnung der Menschen. Dieses wurde auch noch einmal durch die öffentliche – für Corona-Bedingungen gut besuchte – Abendveranstaltung in der Apostelkirche in Kaiserslautern unterstrichen.

Der internationale Kongress gegen Militärbasen und Krieg – dieses Mal hybrid – mit Referierenden und Teilnehmerinnen aus 14 Ländern zeigt die internationale Vernetzung der Kampagne und die notwendige internationale Solidarität im Ringen um den Abbau der über 8oo Militärbasen auf der Welt.

Pläne für die Zukunft wurden geschmiedet, die Friedenswerkstatt soll ausgebaut werden, Friedensveranstaltungen über das ganze Jahr stattfinden, der Protest regionalisiert, die Kommunikation online und offline verstärkt werden. Einig waren sich alle, wir sind nächstes Jahr wieder in „Ramstein“.

Bleibt darüber nachzudenken, wie wir wieder noch mehr werden, wie neue Kräfte angesprochen und gewonnen werden können. Auch für die Kampagne Stopp Air Base Ramstein steht die zentrale Herausforderung: Wie kann sie zu einer solch breiten Bewegung der Vielfalt ohne Ausgrenzung (Faschisten sind nicht angesprochen, siehe den Konsensbeschluss der Kampagne) werden, dass sie die offizielle Politik beeinflussen und real korrigieren kann, dass sie eine neue Dimension von Ausstrahlung erfährt?

So bleiben für alle viele „Hausaufgaben“, die mit neuer Kraft und neuen MitstreiterInnen angegangen werden können. Verunsicherung, was überhaupt noch geht, nachdenken, ob es sich lohnt, sich zu engagieren und die bange Frage, wie viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter habe ich eigentlich noch in diesen so gespaltenen sozialen Bewegungen, konnten mindestens für die Ramstein-Kampagne in neue Hoffnung und Handlungsbereitschaft verwandelt werden.

Die Ramstein-Aktionen haben viele Fragen der zukünftigen Gestaltung aufgeworfen, sie haben eine beantwortet. Die Kampagne Stopp Air Base Ramstein lebt allen Widerständen zum Trotz.

Und bereits beim Abbau werden schon Pläne für das nächste Camp im Sommer 2022 geschmiedet.

Titelbild: © Stopp Air Base Ramstein Kampagne


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