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Titel: Serie zur Bundestagswahl 2021 – ÖDP

Datum: 1. September 2021 um 11:16 Uhr
Rubrik: Parteien und Verbände, Wahlen
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Heute bieten wir unseren Leserinnen und Lesern Informationen über die Ökologisch-Demokratische Partei, die ÖDP. Den Eindruck von dieser Partei, die bundesweit wenig bekannt, aber in Bayern schon mit Mandaten verankert ist, könnte ich vereinfacht so zusammenfassen: Allen bisherigen Wählerinnen und Wählern der Bündnis-Grünen, die wegen deren Neigung zu Kriegseinsätzen nahe am Verzweifeln sind, bietet sich bei der ÖDP eine Chance, eine Ersatzlösung bei der Stimmenabgabe. Es folgen Informationen zum Wahlprogramm, zur Wahlwerbung, zum Personalangebot und zu den Chancen. Albrecht Müller.

1. Das Programm der ÖDP

Der Titel des Programms lautet:

WAHLPROGRAMM zur Bundestagswahl 2021
Ökologisch-Demokratische Partei
DAS GUTE GEWINNT!

Das ist das Inhaltsverzeichnis des Programms:

4 Neue Perspektiven

6 Klima-, Umwelt- und Artenschutz
6 Treibhausgas-Emissionen beenden und CO2 der Atmosphäre entziehen
7 Energie- und Ressourceneinsatz verringern
7 100 % erneuerbare Energien bis 2030
8 Nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Grundstoffe
9 Umfassende Mobilitätswende
10 Boden- und Artenschutz
11 Sicherung der Wasserversorgung

12 Demokratie, sozialer Frieden und Verteilungsgerechtigkeit
12 Sozialer Frieden und Verteilungsgerechtigkeit
13 Demokratie

15 Reform der Arbeitswelt und der Sozial- und Gesundheitssysteme
15 Die Verwerfungen am Arbeitsmarkt sind wesentlich größer, als die Arbeitslosenquoten erwarten lassen
16 Die ÖDP streitet für die volle Anerkennung der wichtigen Erziehungs- und Pflegearbeiten im privaten Bereich
17 Dringend notwendige Maßnahmen zur Reform unseres sozialen Sicherungssystems
18 Das neue System ist finanzierbar
19 Gesundheit

21 Ganzheitliche Bildung und Erziehung
21 Bildung und Erziehung – wichtige Grundlagen für unsere Zukunft
22 Studieren und lernen unabhängig von wirtschaftlichen Verwertungsinteressen

24 Familie und Gesellschaft
25 Gerechtigkeit und Wahlfreiheit für Eltern statt Bevormundung
26 Entschlossenes Handeln gegen den Missbrauch von Kindern
26 Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern
27 Stärkung von Teilhabe und Inklusion
27 Menschenwürde bis zum Lebensende
28 Stopp der offenen und verdeckten Diskriminierung von psychisch und abhängigkeitserkrankten Menschen
29 Migration und Integration sind zwei Seiten einer Medaille, die von Beginn an zusammen geplant werden müssen

30 Außenpolitik

32 Digitalisierung und Mobilfunk
32 Mobilfunk
33 Digitalisierung

34 Wirtschaft regional und dem Gemeinwohl verpflichtet
34 Weniger Wirtschaftswachstum ist mehr Zukunft
35 Ökologisch-soziale Steuerreform
35 Mehr Mittelstand und Regionalisierung – Konzerne und Globalisierung begrenzen
36 Gemeinwohlökonomie
38 Finanzwirtschaft

39 Landwirtschaft und Tierschutz
39 Landwirtschaft für Mensch und Natur
42 Lebensmittel
42 Tierschutz

Das Programm hat 44 Seiten, mit einem deutlich erkennbaren Übergewicht der innenpolitischen Seite des Programms, also Aussagen zur Ökologie, zur Ökonomie, zum Klima, zur sozialen Absicherung, zur Bildungspolitik, zu Landwirtschaft und Tierschutz, zur Mobilität, zur Arbeitswelt, zu Familie und Gesellschaft, zu Digitalisierung und Mobilfunk, usw. – siehe obige Inhaltsübersicht.

Diese Inhaltsübersicht vermittelt einen guten Eindruck von der Programmatik der ÖDP. Ich nenne stichwortartig einige markante Aussagen, wenn angebracht mit kurzem Kommentar:

  • Weniger Konsum, weniger Flug- und Fernverkehr. – Das sagt sich gut. Für Menschen und Familien mit ganz niedrigem Einkommen, die es ja zuhauf gibt, auch nach Meinung der ÖDP, klingt die Ermahnung zum Konsumverzicht etwas schal.
  • Die Klimakrise sei die eigentliche Herausforderung. Es müsse bis 2030 Klimaneutralität erreicht werden. Wegen der Klimaveränderung sei weniger mehr.
  • 100 % erneuerbare Energien bis 2030. Keine Renaissance der Atomkraft.
  • Die ÖDP fordert eine umfassende Mobilitätswende.
  • Und Boden- und Artenschutz.
  • Keine Privatisierung der Wasserversorgung. Sie gehöre in öffentliche Verantwortung.
  • Die Umverteilung von unten nach oben habe eine neue Dimension erreicht: Die Verteilungsgerechtigkeit und die Lösung der sozialen Frage seien durch die Lockdowns in der Pandemie für immer mehr Menschen und Unternehmen zur Überlebensfrage geworden. Dieser Prozess muss schnellstens umgekehrt werden.
  • Die allgemeine Daseinsvorsorge habe in den vergangenen Jahren erheblich unter der neoliberalen Ausdünnung unseres Sozialsystems gelitten.
  • Politik müsse dem Volke verpflichtet sein und nicht den großen Konzernen.
  • Die ÖDP ist gegen Nebenjobs der Bundestagsabgeordneten.
  • Migration und Integration würden zusammengehören. Die ÖDP ist für Familienzusammenführung. Das einschlägige Kapitel enthält viele menschliche Töne.
  • Digitalisierung wird ähnlich hochgehalten wie bei anderen Parteien. Offensichtlich ist das ein Schlüssel-Mode-Wort.
  • Beim Mobilfunk rät die ÖDP zur Vorsicht. Sie bevorzugt leitungsgebundene Technologien. Stopp von 5G und 6G, bis die Risiken ausgeschlossen sind.
  • Die ÖDP plädiert für eine stärkere Regionalisierung der Wirtschaft und für Gemeinwohlorientierung. – Der Akzent Regionalisierung der Wirtschaft kommt bei anderen Parteien so nicht vor, obwohl dieses Ziel naheliegt, wenn man zum Beispiel Verkehr vermeiden will.
  • Das Bruttoinlandsprodukt sage über den tatsächlichen Wohlstand eines Volkes nicht viel aus.
  • Der Wachstumszwang müsse gestoppt werden. – Na ja, einen Wachstumszwang gibt es ja eigentlich nicht und außerdem kann ich immer wieder wiederholen: es kommt drauf an, was wächst
  • Für Gemeinwohlökonomie, für Gemeinwohlbilanzen von öffentlichen Unternehmen und Kommunen.
  • Interessant: die Preise aller Produkte müssten die ökologische Wahrheit sagen. Die ÖDP will eine ökologisch-soziale Steuerreform.
  • Die Sozialversicherungsbeiträge und damit die Lohnnebenkosten müssten reduziert werden. – Das ist ein ausgesprochen unvernünftiger Fremdkörper in einem ansonsten recht vernünftigen Text zur Sozialpolitik. So hat die wirtschaftsnahe Union immer wieder geredet und das war auch der Kern des sogenannten Kanzleramtspapiers vom Dezember 2002, das vom damaligen Chef des Bundeskanzleramtes und heutigen Bundespräsidenten Steinmeier verantwortet war und die Agenda 2010 vorbereitete. – Hier muss also bei der ÖDP jemand die Feder geführt haben, die oder der aus diesen Lagern kommt.
  • Ganz anders dann wieder: Die ÖDP ist für eine Vermögenssteuer und auch für eine Finanztransaktionssteuer.
  • Es müsse ein Privatisierungsverbot für alle Bereiche der Daseinsvorsorge geben.
  • Die ÖDP wirbt für eine andere Agrarpolitik, für einen Stopp der forcierten Exportorientierung der Agrarpolitik und für die Vergabe von EU-Fördermitteln nicht nach bewirtschafteter Fläche. Wahrscheinlich ist die ÖDP jene Partei, die im Bereich der Agrarpolitik, des Natur- und Artenschutzes mit die stärksten Akzente setzt.
  • Es bleibt noch anzumerken, dass die ÖDP wie alle anderen Parteien nicht erkannt hat, dass die meisten deutschen Unternehmen inzwischen unter dem Einfluss von großen angelsächsischen Kapitalfonds stehen. BlackRock zum Beispiel ist an allen DAX-Unternehmen mit einem geringen Anteil beteiligt, hat aber wegen der Gesamtverflechtung einen riesigen Einfluss auf unternehmenspolitische und personalpolitische Entscheidungen der meisten großen deutschen Unternehmen. Das ist eine gravierende Veränderung. Diese Veränderung müsste sich in den Wahlprogrammen aufmerksamer Parteien niederschlagen. Zur Information ist auf das 2019 erschienene Buch von Jens Berger „Wer schützt die Welt vor den Finanzkonzernen?“ und auf Albrecht Müllers „Meinungsmache“, erschienen 2009, hinzuweisen. „Meinungsmache“ enthält ein Kapitel 18 mit dem Titel: Kapitalmarkt als Casinobetrieb und die Plünderung deutscher Unternehmen. – Das sind doch gravierende Entwicklungen, die spätestens bei der anstehenden Bundestagswahl ein wichtiges Thema sein müssten. Überall Fehlanzeige, auch bei der ÖDP.

Die Außenpolitik wird auf anderthalb Seiten abgehandelt.

Gut, man muss die Kürze des außenpolitischen Programms nicht negativ werten. Die Ökologisch-Demokratische Partei hat halt ihre Schwerpunkte in der innenpolitischen und gesellschaftspolitischen Gestaltung unseres Landes.

Die neue Teilung Europas in West=EU und Ost=Russland kommt nicht vor. Da unterscheidet sich die ÖDP sogar positiv von der SPD.

Außerdem kommt sie auf den anderthalb Seiten zur Außenpolitik immerhin zu den folgenden deutlich friedenspolitischen Aussagen:

  • Sämtliche Aktivitäten in Deutschland und der EU stehen unter dem Primat der Friedenssicherung und -stabilisierung. Die Bundeswehr ist diesem Ziel verpflichtet und darf nur im Notfall und zur Selbstverteidigung militärisch eingreifen.
  • Deutschland muss den Atomwaffenverbotsvertrag endlich unterschreiben! Wir fordern den vollständigen Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland.
  • Friedensdiplomatie – vor allem alle Abrüstungsbemühungen – darf nie nur den eigenen Vorteil sehen, sondern hat auf das Wohl und das internationale Zusammenleben sämtlicher potenzieller Verhandlungs- und Vertragspartner zu achten. Geostrategische Überlegungen zur Sicherung von Vorherrschaften haben darin keinen Platz.
  • Verbot der Rüstungsexporte außerhalb der EU.
  • Fluchtursachen abbauen

Was wichtig ist: Die bei anderen Parteien üblichen Bekenntnisse zur transatlantischen Partnerschaft mit den USA, zur NATO, zur Stärkung und Schaffung einer europäischen Armee und damit zur Aufrüstung und auch das Gerede über die westliche Wertegemeinschaft kommen im Programm der ÖDP nicht vor.

Daraus könnte eine wichtige und möglicherweise erfolgreiche Strategie für den Wahlkampf folgen – siehe Einführung zu diesem Text: Die ÖDP müsste sich im Wahlkampf an die Wählerinnen und Wähler der Grünen wenden. Darunter gibt es vermutlich bis zur Hälfte des grünen Potenzials Wählerinnen und Wähler, die mit der Kriegsbereitschaft der Grünen und mit ihrer Einbindung in die westlichen Herrschaftssysteme wie World Economic Forum (WEF) und NATO nicht einverstanden sind, jedenfalls nicht einverstanden sein können. Die ÖDP müsste darauf verweisen, dass die Einbindung der Kanzlerkandidatin der Grünen in die Gruppe der Young Leader jeden friedenspolitisch engagierten Menschen davon abhalten müsste, die Grünen zu wählen. Die ÖDP wäre wegen ihrer deutlich ökologischen Akzente eine Alternative.

Wenn die Hälfte des Potenzials von zurzeit ca. 18 % (siehe Umfragen) der Grünen auf die ÖDP umschwenken würde, dann wäre die Fünf-Prozent-Hürde leicht zu nehmen. Auch 1/3 des aktuellen Potenzials der Grünen würde reichen.

Das Problem: Schon in dieser Phase des Wahlkampfes kann man sehen, dass die Grünen über ein unglaubliches finanzielles Potenzial für Wahlkampfwerbung verfügen – ein Großflächenplakat nach dem anderen – und die ÖDP offensichtlich nicht. Daran alleine wird schon die vorgeschlagene Strategie scheitern. Schade, denn ein Bundestag mit 2 ökologisch orientierten Parteien, die eine friedenspolitisch orientiert, die andere am Militär orientiert, das wäre schon spannend.

2. Werbemittel der ÖDP

Hier folgen 4 Plakate, immerhin angriffslustig: gegen Korruption, gegen die Erderwärmung, für mehr Gerechtigkeit für Familien und gegen Profitwirtschaft und für Gemeinwohlökonomie.

Ein Wahlwerbespot der ÖDP.

3. Das Personalangebot ÖDP

Hier findet sich der Überblick über den Bundesvorstand.
Und hier eine Übersicht über die Zahl der Kandidierenden in den Bundesländern.

Die Zahl der Direktkandidaten und Direktkandidatinnen in den einzelnen Bundesländern ist sehr unterschiedlich. In Bayern sind es 46, in NRW nur 2, in Baden-Württemberg 19, in Hessen keine oder keiner.

Man sieht daran auch, dass die ÖDP bisher in Bayern und an 2. Stelle in Baden-Württemberg noch am ehesten verankert ist. In diesen Bundesländern hat sie Mandate auf kommunaler Ebene erreicht. Ansonsten sieht es „mau“ aus.

Auf dem folgenden Flugblatt sind die Spitzenkandidaten und -Kandidatinnen der ÖDP notiert:

4. Wahlchancen

Wie die Chancen der ÖDP sind, ist schwer abzuschätzen. Bei den normalen Erhebungen zur sogenannten Sonntagsfrage werden die kleinen Parteien nicht gezählt. Anhaltspunkt könnte das Wahlergebnis von 2017, also bei der letzten Bundestagswahl, sein. Damals hatte die ÖDP einen Zweitstimmenanteil von 0,31 % erreicht. Siehe die folgende Abbildung.


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