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Titel: Übergewinnsteuer – eine nett klingende Schnapsidee

Datum: 14. Juni 2022 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Denkfehler Wirtschaftsdebatte, Steuern und Abgaben
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Der Staat senkt die Steuern auf Benzin und Diesel und die Mineralölkonzerne geben diese Steuersenkung nicht an den Endverbraucher weiter, sondern nutzen den Ukraine-Krieg, um fette Gewinne zu machen. Es ist klar, dass nun der Staat gefragt ist. Die Frage ist, was der Staat tun könnte, um derartige Kriegs- und Krisenprofite zu verhindern. Auch wenn sich eine Übergewinnsteuer oberflächlich gut anhört, ist sie kein wirklich taugliches Mittel. Wer bislang seine Gewinne im Ausland versteuert hat, muss auch von der Übergewinnsteuer nichts befürchten. Besser wären hohe Strafandrohungen, die derartige Kriegsgewinne erst gar nicht entstehen lassen. Eine Übergewinnsteuer könnte dies jedoch für bestimmte Sektoren wie die Rüstungsindustrie oder Pharmakonzerne ergänzen, doch gerade hier wird eine solche Steuer nicht gefordert. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Was sind Übergewinne und wie kann man sich eine Besteuerung dieser Übergewinne vorstellen? Um diese Fragen zu beantworten, lohnt sich ein Blick auf die USA. Dort hat der Staat bereits 1940 – also vor dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg – eine Übergewinnsteuer für Kriegsgewinne eingeführt. Wenn die Gewinne eines Unternehmens über dem Durchschnitt der Vorkriegsjahre 1936 bis 1939 lagen, mussten sie mit einem Satz von 25 bis 50 Prozent zusätzlich versteuert werden. Der Steuersatz wurde immer wieder angehoben und betrug ab 1943 stolze 95 Prozent. Am 1. Januar 1946 wurde diese Steuer abgeschafft, während des Koreakriegs aber wieder mit etwas geringeren Steuersätzen eingeführt.

Selbstverständlich macht eine solche Steuer durchaus Sinn. In der Kriegswirtschaft war es vor allem der Staat selbst, der der Kunde dieser Unternehmen war, die meist direkt oder indirekt mit der Waffenproduktion oder der Kriegslogistik zu tun hatten. So konnte der Staat sich auf dem Umweg der Steuern einen großen Teil des „zu viel“ bezahlten Geldes zurückholen. Dies ist jedoch nicht auf unsere konkrete Problemlage an den Zapfsäulen übertragbar. Hier ist der Endkunde derjenige, der übervorteilt wird. Aber nicht er, sondern der Staat kriegt über den Umweg des Steuersystems einen Teil der zusätzlichen Gewinne der Mineralölkonzerne wieder. Der Staat senkt also die Steuern auf Mineralölprodukte und holt sich über die Übergewinnsteuer – wenn sie denn funktioniert – einen Teil dieser Steuersenkung wieder. Aus Sicht des Staates und der Konzerne ist das halbwegs aufkommensneutral. Für den Endkunden sieht es jedoch anders aus. Er bezahlt den Aufschlag und kriegt gar nichts wieder. An dem Inflationseffekt ändert sich durch die Übergewinnsteuer ebenfalls nichts und die reduzierte Kaufkraft wird dadurch auch nicht gestärkt. Daher verpufft die Idee, den Bürger durch eine Übergewinnsteuer vor dem Gewinnstreben der Konzerne zu schützen, in der Realität. Das Motto lautet hier eher „linke Tasche, rechte Tasche“.

Doch auch dies ist erst einmal nur Theorie. Wie setzt sich denn der Preis des Kraftstoffs an der Tankstelle zusammen? Es ist ja nicht der Tankwart, der „Übergewinne“ einfährt. Die Mineralölunternehmen haben ein geschlossene vertikale Wertschöpfungskette – das heißt, sie beherrschen die komplette Lieferkette, von der Förderung über den Transport, die Raffinerien, den Großhandel und oft sogar das Endkundengeschäft. Daher haben wir es hier auch mit einem Oligopol zu tun und es herrscht kein echter Wettbewerb. Wo ein Mineralölkonzern nun durch kreative Buchführung seine Gewinne erzielt, ist ihm selbst überlassen. Das hat massive Folgen für eine angedachte Übergewinnsteuer. Kein Mineralölkonzern wäre schließlich so dumm, seine Gewinne in einem Land entstehen zu lassen, in dem eine solche Besteuerung droht. Dann ließe man die Gewinne halt nicht beispielsweise im deutschen Großhandel, sondern in der Raffinerie in Rotterdam oder gleich bei dem Rohölhandelsunternehmen mit steuerlichem Sitz auf den Kanalinseln oder in Singapur entstehen. Der deutsche Fiskus ginge in diesem Fall leer aus, da die Tochterfirmen mit Steuersitz in Deutschland in diesem Fall ja gar keine Übergewinne erzielen und die ausländischen Tochterfirmen mit ihren Übergewinnen nicht der deutschen Besteuerung unterliegen.

Ein Ausweg aus dieser Sackgasse wären Monopolstrafen. Auch wenn der deutsche Staat ausländische Gewinne nicht besteuern kann, so kann er ausländischen Konzernen, die in Deutschland Übergewinne erzielen, durchaus mit dem passenden Gesetzesrahmen Strafen aufbrummen. Hohe Strafen für Wettbewerbsverstöße sind in der EU gang und gäbe. Und wenn diese im Strafmaß höher als die Übergewinne selbst sind, wäre dies ein guter ökonomischer Grund, solche Übergewinne gar nicht erst entstehen zu lassen. Abschreckung statt Strafe. Nur so wird man dem Gewinnstreben der Konzerne Einhalt gebieten können.

Vor diesem Hintergrund wirkt die gesamte Debatte fehlgeleitet. Grüne und Linke favorisieren eine Übergewinnsteuer, die SPD findet sie auch ganz sympathisch, hält sie aber nicht für umsetzbar und FDP und Union halten sie – welch’ Überraschung – für Teufelswerk. Amüsant sind dabei die Begründungen.

So bezeichnet die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU, Julia Klöckner, eine Übergewinnsteuer als „innovations- und forschungshemmend“ – gerade so, als würden Forschung und Innovation irgendetwas mit den Rekordgewinnen der Mineralölkonzerne zu tun haben. Laut Klöckner würden die betroffenen Mineralölunternehmen dann auf andere Märkte ausweichen. Wie darf man sich das vorstellen? Würde BP dann sein Öl nicht mehr in Deutschland, sondern in Dänemark verkaufen? An wen? Tankt der Däne etwa mehr, wenn es in Deutschland eine Übergewinnsteuer gäbe?

Da muss man sich schon fragen, für wie dumm die CDU die Öffentlichkeit hält. Aber es ist ja nicht nur die CDU und es sind auch beileibe nicht nur die Gegner einer Übergewinnsteuer, deren Statements strenggenommen eine intellektuelle Beleidung darstellen. Die Grünen können sich beispielsweise sehr wohl eine Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne vorstellen, wehren sich aber mit Händen und Füßen dagegen, dies auch auf Rüstungskonzerne oder im Kontext der Coronapolitik auf Impfstoffhersteller und Digitalkonzerne auszuweiten. Zumindest bei Letzteren ist das eigentlich auch egal, da Konzerne wie Amazon, Google, Apple, Facebook und Co. in Deutschland ohnehin nicht steuerlich greifbar sind und so ohnehin keine Übergewinnsteuer zahlen müssten.

Beim Impfstoffhersteller Biontech und der Rüstungsindustrie gelten diese Argumente jedoch nicht. Nicht der Endverbraucher, sondern der Staat kauft Impfstoffe und Waffen. Hier wäre – analog zum Beispiel der Kriegsgewinn-Besteuerung in den USA – durchaus eine Übergewinnsteuer möglich und auch sinnvoll. Biontech hat seinen Gewinn beispielsweise durch die staatliche Coronapolitik von 15,2 Millionen Euro auf 10,3 Milliarden Euro steigern können. Das sind krisenbedingte Übergewinne, die eine direkte Folge staatlichen Handelns sind – und nebenbei war es übrigens auch der Staat, der die Entwicklung des Coronaimpfstoffs durch seine Finanzspritzen erst ermöglicht hat.

So haben wir die vollkommen absurde Situation, dass die Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne, die nichts bringt, von den „linken“ Parteien gefordert wird und eine Übergewinnsteuer für Pharma- und Rüstungskonzerne, die etwas bringen würde, zumindest von den Grünen und der SPD gar nicht erst gefordert wird. So wird sich auch weiterhin weder an den hohen Preisen noch an den Kriegs- und Krisengewinnen bestimmter Konzerne etwas ändern.

Titelbild: Elnur/shutterstock.com


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