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Titel: Warum sollte China ein Feind sein?

Datum: 28. März 2023 um 12:15 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast
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Auf Beijings wachsende Wirtschaftsmacht im Westen mit militärischer Aufrüstung zu reagieren, ist aussichtslos. Man kann sich kaum eine dümmere Art und Weise vorstellen, blindwütig um sich zu schlagen. Das schreibt der frühere britische Botschafter Craig Murray in diesem Artikel. Er geht der Frage nach, welche Motive der im Westen zu beobachtenden wachsenden Feindseligkeit gegenüber China zugrunde liegen. Ein Kommentar von Craig Murray, Übersetzung: Susanne Hofmann.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der folgende Artikel ist zuerst auf craigmurray.org.uk erschienen.

Mir ist vollkommen schleierhaft, warum Großbritannien sich in der Auffassung, China sei ein Feind, an die Seite der USA stellen und sich dazu anschicken sollte, im Pazifik Streitkräfte gegen China zu massieren.

Inwiefern stehen chinesische Interessen britischen Interessen entgegen? Ich weiß nicht, wann ich zuletzt etwas gekauft habe, das nicht in China hergestellt wurde. Zu meinem Erstaunen trifft das sogar auf unseren Second-Hand-Volvo und auf diesen Laptop zu.

Ich sagte das bereits früher, aber ich wiederhole es gern:

Mir fällt kein Staat in der Geschichte ein, der ein Niveau wirtschaftlicher Dominanz vergleichbar mit der Chinas erreicht hat und der nicht versucht hätte, seine ökonomische Kraft dafür einzusetzen, Gebiete militärisch zu erobern, um seine ökonomischen Ressourcen zu vergrößern. In dieser Hinsicht ist China um ein Vielfaches friedlicher als die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich, Spanien oder eine andere ehemals bedeutende Macht.

Fragen Sie sich einfach mal: Wie viele Militärbasen haben die Vereinigten Staaten im Ausland? Und wie viele hat China? Je nach Zählweise kommen die USA auf 750 bis 1.100 Militärbasen im Ausland. China hat zwischen sechs und neun.

Die letzte militärische Aggression Chinas war seine Übernahme von Tibet 1951 und 1959. Seit dieser Zeit haben die USA Vietnam, Kambodscha, Korea, den Irak, Afghanistan und Libyen überfallen und weitgehend zerstört.

Die USA haben auch zahlreiche Militärputsche verübt, haben militärisch nachgeholfen, buchstäblich Dutzende von Regierungen zu stürzen, viele von ihnen waren demokratisch gewählt. Sie haben viele Länder durch Stellvertreter zerstört, Libyen ist das jüngste Beispiel dafür.

China dagegen hat seit mehr als 60 Jahren kein anderes Land angegriffen oder überfallen.

Die anti-chinesische militärische Haltung der US-amerikanischen, britischen und australischen Staatschefs, die erstaunliche Mengen öffentlichen Geldes in den korrupten militärisch-industriellen Komplex stecken, um unnütze Atom-U-Boote zu bauen, erscheint wie ein bewusster Versuch, militärische Spannungen zu China zu erzeugen.

Rishi Sunak, der britische Premierminister, zählte die abgedroschene Liste von Feinden auf und verurteilte „Russlands illegalen Einmarsch in die Ukraine, Chinas wachsende Durchsetzungskraft und das destabilisierende Verhalten von Iran und Nord-Korea“.

Was genau tun der Iran und China, was sie angeblich zu unseren Feinden macht?

In diesem Artikel geht nicht um den Iran, doch offensichtlich haben westliche Sanktionen die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung dieser überaus talentierten Nation gehemmt und die Macht ihres religiösen Regimes gefestigt. Sie verfolgen nicht das Ziel, den Iran zu verbessern, sondern den Status quo zu erhalten, indem Israel Atomwaffen besitzt und der Iran nicht. Wäre diese Sanktionspolitik des Westens von einem Versuch begleitet, den Schurkenstaat [*] Israel zu entwaffnen, wäre das womöglich sinnvoller.

Was China betrifft – was genau macht dessen „Durchsetzungskraft“ aus, dass man China unbedingt als militärischen Feind betrachten muss?

Streitigkeiten über die Seegerichtsbarkeit

China hat einige Militärbasen errichtet, indem es kleine Inseln künstlich erweitert hat. Das ist vollkommen legal. Es handelt sich ja um chinesisches Territorium. Angesichts der Tatsache, dass die USA zahlreiche Militärbasen in der Region hat, die sich auf fremdem Territorium befinden, fällt es mir schwer auszumachen, was gegen chinesische Basen auf chinesischem Territorium einzuwenden ist.

China hat Ansprüche geltend gemacht, die im Hinblick auf die Seegerichtsbarkeit rund um diese künstlichen Inseln umstritten – und meiner Ansicht nach unter der UN-Seerechtskonvention falsch – sind. Sie sind jedoch nicht umstrittener als viele andere derartige Ansprüche, beispielsweise der Umgang Großbritanniens mit Rockall.

So hat China keinen Versuch unternommen, eine reine Wirtschaftszone innerhalb eines Radius von 200 Meilen rund um seine künstlichen Inseln militärisch durchzusetzen, auch wenn es das mal angekündigt haben mag. Der chinesische Anspruch auf ein Küstenmeer von zwölf Meilen ist meines Erachtens berechtigt.

Ebenso haben die Vereinigten Staaten Einspruch gegen Äußerungen aus China eingelegt, die der UN-Seerechtskonvention bezüglich der Durchfahrt durch Meeresengen zu widersprechen scheinen. Doch wiederum unterscheidet sich dieser Fall ins nichts von anderen Disputen weltweit. Die USA und andere haben immer wieder auf ihrem Recht auf freie Durchfahrt bestanden und es auch ausgeübt und sind dabei nicht auf militärischen Widerstand aus China gestoßen.

Ist das also mit der chinesischen „Aggression“ gemeint – einige Streitigkeiten um die Auslegung der UN-Seerechtskonvention? Nicht so schnell, sagt man uns dann, ist da nicht noch die Sache mit Taiwan?

Ein ungelöster Bürgerkrieg

Die einzige Antwort darauf ist: Ja, was ist denn mit Taiwan? Taiwan ist ein Teil von China, der sich unter der nationalistischen Regierung nach dem Bürgerkrieg abgespalten hat. Taiwan behauptet nicht, nicht zum chinesischen Territorium zu gehören.

Tatsächlich – und darüber weiß man im Westen viel zu wenig, weil uns unsere Medien darüber nicht informieren – behauptet Taiwans Regierung immer noch, die legitime Regierung von ganz China zu sein. Die Regierung von Taiwan ist genauso für die Wiedervereinigung wie die chinesische Regierung, der springende Punkt ist, wer dann die Macht hätte.

Der Streit mit Taiwan ist also ein ungelöster chinesischer Bürgerkrieg, es geht nicht um einen unabhängigen Staat, der von China bedroht wird. Ein Bürgerkrieg am anderen Ende der Welt – warum sollten wir daran interessiert sein, darin für eine Seite Partei zu ergreifen?

Eine friedliche Lösung ist natürlich wünschenswert. Es ist aber nicht unser Konflikt.

Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass China beabsichtigt, in irgendein Land im chinesischen Meer oder im Pazifik einzumarschieren. Nicht in Singapur, nicht in Japan und am allerwenigsten in Australien. Das ist genauso abwegig wie die irrwitzige Vorstellung, dass Großbritannien vor einer russischen Invasion verteidigt werden muss.

Wenn China wollte, könnte es einfach jedes börsennotierte Unternehmen in Australien aufkaufen, ohne dass sich das auch nur mit einer Delle in Chinas Dollar-Reserven bemerkbar machen würde.

Das bringt uns natürlich auf den wahren Konflikt. Er ist wirtschaftlicher Natur, und es geht um Soft Power. China hat seinen Einfluss im Ausland massiv ausgeweitet, durch Handel, Investitionen, Kredite und Produktion. China ist nun die dominierende Wirtschaftsmacht und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Dollar seinen Status als Weltreservewährung einbüßt.

China hat sich für diese Methode der wirtschaftlichen Expansion und des Wohlstandes entschieden und gegen die Eroberung von Land oder die militärische Kontrolle von Rohstoffen. Das mag mit dem Gegensatz zwischen konfuzianischem und westlichem Denken zusammenhängen. Vielleicht ist aber auch die Regierung in Bejing einfach schlauer als westliche Regierungen. Die wachsende chinesische Wirtschaftsdominanz scheint mir jedoch kein umkehrbarer Prozess im kommenden Jahrhundert zu sein.

Auf Beijings wachsende Wirtschaftsmacht im Westen mit militärischer Aufrüstung zu reagieren, ist aussichtslos. Man kann sich kaum eine dümmere Art und Weise vorstellen, blindwütig um sich zu schlagen. Es ist ungefähr so, als würde man auf seinen Teppich pinkeln, weil die Nachbarn zu laut sind.

Ja, aber was ist mit den Menschenrechten? Was ist mit den Uiguren?

Ich habe dafür großes Verständnis. China war im Zeitalter des Imperialismus eine imperiale Macht, und die Uiguren wurden von China kolonialisiert. Leider sind die Chinesen dem westlichen Drehbuch vom „Krieg gegen den Terror“ gefolgt und haben die Angst vor dem Islam dafür ausgenutzt, die uigurische Kultur und Autonomie zu unterdrücken. Ich hoffe sehr, dass das abnimmt und dass es in puncto Meinungsfreiheit in ganz China Fortschritte gibt.

Aber niemand soll behaupten, Menschenrechte spielten eine Rolle, wenn es darum geht, wen der westliche militärisch-industrielle Komplex wie einen Feind und wen er wie einen Freund behandelt. Ich weiß, dass das nicht der Fall ist, weil ich aus genau diesem Grund als Botschafter gefeuert wurde. 

Das furchtbare Leid der Kinder im Jemen und in Palästina ist auch ein Aufschrei gegen die heuchlerische Behauptung, die Politik des Westens und ihre Wahl von Verbündeten basiere auf den Menschenrechten.

China wird wie ein Feind behandelt, weil die USA dazu gezwungen sind, über die Endlichkeit ihrer wirtschaftlichen Dominanz nachzudenken. China wird wie ein Feind behandelt, weil darin die Chance für die politischen und kapitalistischen Klassen liegt, noch mehr gigantische Profite aus dem militärisch-industriellen Komplex zu schlagen.

Doch China ist nicht unser Feind. Nur Atavismus und Fremdenfeindlichkeit machen China zum Feind.

Titelbild: fukomuffin / Shutterstock

[«*] Die Redaktion der NachDenkSeiten findet den Begriff „Schurkenstaat“ bezüglich Israel (und anderer Länder) unangemessen und distanziert sich von dieser Ausdrucksweise.


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