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Titel: Rösler: Völlig losgelöst im Raum schwebend

Datum: 6. Januar 2012 um 15:13 Uhr
Rubrik: FDP, Kampagnen / Tarnworte / Neusprech, Markt und Staat, PR
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Wie überflüssig die FDP geworden ist, zeigt sich darin, dass sie nur noch gegen eine selbst inszenierte Scheinwelt anrennt. In narzisstischer Manier kreist sie nur noch in Selbstbewunderung und Selbstverliebtheit, was in der realen Welt um sie herum vorgeht, geht an dieser Partei offenbar völlig vorbei. Von Wolfgang Lieb

„Deutschland geht es gut“, „wir sind sehr erfolgreich“, „die Marktwirtschaft wird immer erfolgreicher“, „noch nie gab es auf der Welt so viele Chancen für junge Menschen“, die „soziale Sicherheit“ sei größer geworden, „die Renten steigen“ und das alles nur, weil die FDP „mitregiert“ und weil die Liberalen „den richtigen Rahmen setzen.“

Das waren die Sprüche die Philipp Rösler auf dem Stuttgarter Dreikönigstreffen der FDP von seinem Manuskript ablas, in der Hoffnung, sich selbst und seinen im Staatstheater versammelten Parteifreunden wieder Selbstbewusstsein einzuhauchen. Alle anderen, die nicht unter einer solchen geradezu autistischen Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörung leiden, von den Grünen angefangen, die SPD sowieso und sogar der eigene Koalitionspartner, angesprochen in der Person von Finanzminister Schäuble, die meinen, dass es drängende Probleme und dramatische Herausforderungen gibt, die es zu lösen gilt, sind für Rösler „Skeptiker“, „Gutmenschen“, „Miesmacher“, „Gegner der Marktwirtschaft“, ja geradezu Sektierer, die Rösler an die „Zeugen Jehovas“ erinnern, die glaubten, dass morgen die Welt unterginge.

Dass Deutschland in eine Rezession schlittert, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise die „Marktwirtschaft“ in ihre größte Vertrauenskrise geführt hat, dass etwa in Griechenland die Jugendarbeitslosigkeit die 40-Prozent-Marke überschritten hat und auch weltweit zugenommen hat, dass die Menschen sich um ihre soziale Sicherheit die größten Sorgen machen, dass die Renten nicht etwa steigen, sondern dramatisch gesunken sind und weiter sinken werden, das alles ist für Rösler nicht wahr und wer auf solche Tatsachen hinweise, diskreditiere die „Soziale Marktwirtschaft“.

Die Euro- und Europakrise kommt in Röslers Rede über die heile Welt nicht vor. Kein Wunder, dass er die ihr zugrundeliegende Hauptursache, nämlich die Leistungsbilanzungleichgewichte innerhalb der Währungsunion, in geradezu chauvinistischer Manier auf die anderen Länder verlagert: „Als deutscher Wirtschaftsminister, werde ich mich niemals für Exportüberschüsse entschuldigen“.

Nachdem Rösler offenbar erkannt hat, dass die FPD als reine Steuersenkungspartei abgewirtschaftet hat, suchte er ein neues Hauptthema für seine Partei: Gefühlte hundert Mal beschwor der Parteivorsitzende „Wachstum“. Er hat offenbar die Wahnvorstellung, als lebten um ihn herum nur noch Wachstumsskeptiker. Nur die FDP sei die Partei, „die sich klar zum Wachstum bekennt“. Mit dem von Rösler postulierten Wachstumsbegriff fällt Rösler ein halbes Jahrhundert hinter die Debatte um ein qualitatives Wachstum zurück. Er bleibt jede Antwort darauf schuldig, was er unter einem von ihm nur nachgeschobenen „wertgebundenen“ oder „nachhaltigen“ Wachstum versteht. Seine Forderung nach einem „Einsteigen in fossile Energie“ und der Kampf gegen die „Übersubventionierung“ der Photovoltaik zeigen, dass sein „erfolgreiches Wachstum“ keineswegs, wie er behauptet, „die Natur im Blick“ hat.

Röslers Klage über die „Tendenz zur Verantwortungslosigkeit und Ordnungslosigkeit“ der Finanzmärkte, die die „Gemeinschaft und die Demokratie“ gefährdeten, ist angesichts seiner Polemik gegen die „Regulierer“ und gegen „staatlichen Dirigismus“ sowie seinem Eintreten für die „Offenheit“ der Märkte völlig unglaubwürdig.

Nur noch blanker Populismus ist es, wenn Rösler ein „schuldenfreies Deutschland“ fordert. Er spinnt die Legende von der Staatsschuldenkrise weiter. Wer in der gegenwärtigen Situation gleichzeitig Steuererhöhungen verteufelt und Schuldenfreiheit fordert, der will nicht nur den Staat aus dem wirtschaftlichen Geschehen vollends herausdrängen, er will ihn – wie dereinst die Reagans und Thatchers – aushungern. Und das wäre das Ende der von ihm so hochgelobten „Sozialen Marktwirtschaft“ und des Sozialstaates sowieso.

Zum Glück für Deutschland hat sich diese FDP, die sich derart weit von der Wirklichkeit entfernt hat, als politische Kraft komplett überflüssig gemacht. Ihre Anhänger werden mit so schwachen Reden eines Parteivorsitzenden bald nicht einmal mehr die ohnehin gelichteten Reihen im Stuttgarter Staatstheater füllen können. Rösler ist ein Parteivorsitzender der nur noch völlig losgelöst im Raum schwebt.


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