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Titel: Wer Herr über sein eigenes Denken bleiben will, muss die Methoden der Meinungsmache kennen.

Datum: 24. März 2009 um 14:07 Uhr
Rubrik: Das kritische Tagebuch, Finanzkrise, Steuerhinterziehung/Steueroasen/Steuerflucht, Strategien der Meinungsmache
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Sie sind zur Zeit wieder mal gut zu studieren. Im folgenden werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit einschlägige Beispiele von Manipulationsversuchen beschrieben und belegt. Nutzen Sie bitte diese Zusammenstellung, wenn sie Ihnen einleuchtet, zum Gespräch mit anderen, zur Weiterleitung über Ihren E-Mail-Verteiler, zum ausdrucken und weitergeben. Albrecht Müller.

Über einige aktuell zu beobachtende Methoden der Meinungsmache:

  1. Wiederholen, wiederholen, wiederholen
    Das ist vermutlich die gängigste Regel. Ein aktuelles Beispiel: Die Bundeskanzlerin, die Bundesregierung, die Koalition und die ihr treuen Medien erzählen uns unentwegt, die Finanzkrise sei über uns gekommen, sie komme aus den USA, wir seien unschuldig.

    Ein weiteres gutes Beispiel ist die Behauptung, man dürfe hierzulande keine Bank eingehen lassen und die weitere damit verbundene Behauptung, die Hypo Real Estate (HRE) in München sei eine systemische Bank.

    Wenn Sie genauer hinschauen, dann werden Sie entdecken, dass diese Behauptung in der Regel nicht belegt wird. Es wird auch nicht der Frage nachgegangen, ob mit dem ungeheuer großen Betrag von inzwischen über 102 Milliarden € nicht sinnvoller verfahren hätte werden können – indem man zum Beispiel bestimmte Geschäfte und Gläubiger der HRE absichert, andere nicht.

  2. Verschweigen ist ein wichtiges Element der Meinungsmache
    So haben wir bisher noch nicht erfahren, wer die Gläubiger der HRE sind, die wir mit über 102 Milliarden absichern.
  3. Die gleiche Botschaft aus sehr verschiedenen Ecken aussenden
    Die Abschiebung jeglicher Verantwortung der hierzulande in der Politik und in der Finanzwirtschaft Verantwortlichen ist auch deshalb besonders gut gelungen, weil der Hinweis auf die USA und die dortige Kredit- und Geldpolitik nicht nur aus dem Lager der Regierungsparteien kam. Auch eher linke Gruppen verbreiten bis heute, die Finanzkrise gehe nahezu ausschließlich auf die Hypothekenkredite in den USA und die dortige Zinspolitik zurück.
  4. Haltet den Dieb
    Meisterhaft hat der Oberbürgermeister von Köln, Schramma, vor kurzem einen Versuch nach der Methode „Haltet den Dieb“ gestartet. Er beklagte sich darüber, von seiner eigenen Verwaltung und der ihm untergebenen Kölner Verkehrsbetriebe nicht richtig informiert worden zu sein. (Siehe Hinweis Nr. 9 vom 23.3 . Einsturz Stadtarchiv -Typisch Köln? ) Dabei sollte untergehen, dass die Stadt und der Oberbürgermeister mit der Auflösung des U-Bahn-Amtes selbst wesentlich dazu beigetragen haben, die Kontrolle über das Bauprojekt an den Betreiber selbst, die Verkehrsbetriebe zu verlagern. Ob der Oberbürgermeister mit dieser Linie durchkommt, ist fraglich, versucht hat er es jedenfalls sehr offensiv.
  5. Einen Konflikt inszenieren
    Bundesfinanzminister Steinbrück heizt den Konflikt mit den Steueroasen an. Er profiliert sich damit als progressiv und gewinnt den bisher fehlenden Stallgeruch in seiner eigenen Partei. Die Kritik von Seiten der CDU/CSU und von Seiten der Schweiz und Liechtensteins braucht ihn dabei nicht zu scheren, zumal auch unklar ist, ob er wirklich etwas verändern will.
  6. Übertreibung
    Wir kennen die alten Fälle: CDU-Generalsekretär Geißler nannte die SPD die „fünfte Kolonne Moskaus“. Das war übertrieben. Aber es blieb hängen, dass die SPD ein unsicherer KantonIst ist. Nach dem gleichen Prinzip verfuhr jetzt Bundeskanzlerin Merkel bei der Kommentierung des Ergebnisses des letzten Gipfels in Brüssel. Sie erklärte, die deutsche Seite habe ihr „Ziel übererfüllt“. Das trug mit dazu bei, dass Spiegel Online in einer Schlagzeile melden konnte: „Merkel diktiert der EU ihre Krisen-Agenda“. Siehe dazu den Eintrag in den NachDenkSeiten vom 22.3.2009 „Das Spiel des SPIEGEL. Oder: Die unkritische Postille der Herrschenden.“
  7. Umfragen zur Meinungsbildung nutzen
    Ein wunderschönes Beispiel für die manipulative Nutzung von Umfragen lieferte uns die Tagesschau/ARD frei Haus. Hier der Original-Text und der Link:

    „War Merkels TV-Auftritt überzeugend?
    Als richtige Bundeskanzlerin für die Krise – so wollte sich Angela Merkel in der ARD-Sendung “Anne Will” präsentieren. Knapp sechs Monate vor der Bundestagswahl nahm sie gestern Abend mit deutlichen Worten Stellung zu den aktuellen Herausforderungen für Deutschland. Was meinen Sie? Konnte Merkel Sie mit ihrem Auftritt bei “Anne Will” von ihrer Führungsstärke überzeugen?“

    Quelle: Tagesschau

    Die von mir fett markierten Worte prägen natürlich die Meinung von Menschen, die die Frage lesen und an der Umfrage mitmachen. So kann man es machen. Im konkreten Fall ist übrigens interessant, dass die Zustimmung, die gestern noch 56,2 % betrug, inzwischen (Stand 24.3. 13:40 Uhr) auf 51,9 % abgesunken ist.

  8. Die Visualisierung eines Images
    Bundesfinanzminister Steinbrück hat offenbar eine gute PR-Beratung. Er soll als „Der Energische“ erscheinen. Dazu dient nicht nur ein Konflikt wie den mit der Schweiz um die Steueroasen, sondern auch die Auswahl der Fotos und vermutlich auch seine dafür verwendete Gestik. Einschlägige Fotos waren ohne große Mühe aufzuspüren. Hier sind sie:

    Steinbrueck 1

    Finanzminister Steinbrück: “Wenn der Kampf gegen Steuerhinterzieher mehr sein soll als eine Floskel, brauchen wir national wie international mehr Druck.” (Foto: AP)
    (Quelle: Süddeutsche Zeitung 19.3.2009)

    Steinbrueck 2

    Steinbrück (.) mit Aussenminister Steinmeier und Kanzlerin Merkel an einer Medienkonferenz. (Bild: Reuters)
    (Quelle: Neue Zürcher Zeitung 20.3.2009)

    Steinbrueck 3

    Minister Steinbrück: “Unmissverständlich formulieren”
    (Quelle: SpiegelOnline 22.3.2009)

    Steinbrueck 4

    Minister Steinbrück: Ab April “intransparente” Kundenbeziehungen kündigen
    (Quelle: Spiegel Online 21.3.2009)


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