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Titel: George Soros, der Beutejäger und “gute Freund” der Anden

Datum: 12. Juni 2017 um 8:28 Uhr
Rubrik: Länderberichte, Lobbyismus und politische Korruption, Privatisierung
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Auf einer Anhöhe der Halbinsel Llao-Llao, im Schoß des malerischen Sees Nahuel Huapi, thront das weltweit renommierte Llao Llao Hotel & Resort wie der “Kaiserstuhl Patagoniens”. Nach Ansicht ausländischer Neuansiedler, wie der Schauspielerin Jane Fonda, ist der Nahuel Huapi der schönste Fleck auf Erden. Dass es zwanzig Jahre lang ausgerechnet dem Großmeister der Börsenspekulanten und der politischen Destabilisierung – George Soros – gehörte, ist kein Zufall. Die Idylle verdeutlicht bildhaft, dass für den Kasino-Kapitalismus selbst das Paradies käuflich ist. Wenn es also zwei Länder auf der Welt gibt, die keine Intrige durch Soros und seine politischen Stiftungen zu befürchten brauchen, dann sind es Argentinien und Chile: sie sind seit Jahrzehnten bereits von ihm politisch unterwandert und wirtschaftlich okkupiert.
Von Frederico Füllgraf.

In Chile, so erzählt eine Legende, soll Soros 1988 mit geheimen Umfragen und Interna aus der Pinochet-Diktatur der demokratischen Opposition zum Sieg des “Nein” während des Generals Volksbefragung verholfen haben, die ihn an der Macht verewigen sollte. Pinochet unterlag in dem Plebiszit und seitdem gilt Soros als „Freund“ der amtierenden Regierungskoalition Nueva Mayoría, vormals Concertación genannt.

Mit der von Pinochet initiierten, jedoch auch von dieser Koalition fortgesetzten Privatisierung öffentlicher Betriebe erzielte Soros ebenso beachtliche Profite wie nach dem Kahlschlag staatlicher Unternehmen der 1990er Jahre im Nachbarland Argentinien. Als Anteilseigner des ehemals spanischen, heute italienischen Elektrokonzerns Endesa gehört Soros zu den Eigentümern der hundertprozentig privatisierten Wasserressourcen Chiles für den Energiebetrieb und mit dem Besitz von 400.000 Hektar Land ist sein Unternehmen AdecoAgro das zweitgrößte landwirtschaftliche Unternehmen Argentiniens.

Allerdings bilden produktive Investitionen eine Ausnahme in George Soros´ Anlagen-Portfolio. Seine Devise heißt: „Je schlechter die Lage, desto geringer die Erhaltungsausgaben, doch umso größer das Gewinnpotenzial“. Das ist das Motto der Beutejäger an den internationalen Börsen.

Allerdings bestätigen die zwei Jahrzehnte von Soros´ Präsenz in Südamerika, dass seine Umtriebe – auch die seiner politischen Stiftung Open Society – bemerkenswerte und erstaunliche Ermunterung durch zwei als progressiv geltende Regierungen fanden.

Eine bipolare Linke?

Es war lange still gewesen um George Soros in Chile, als zum Jahresende 2016 gleich zwei neue Episoden Aufmerksamkeit auf seine von der Außenwelt kaum wahrgenommenen Aktivitäten lenkten.

Anfang Oktober waren Auszüge des von DCLeaks Mitte 2016 gehackten Soros-Archivs nach Chile übergeschwappt. Der Hack belegte, dass die 2012 vom damaligen Studentenführer und gegenwärtigen Kongressabgeordneten Giorgio Jackson gegründete Gruppierung “Revolución Democrática” zwischen 2013 und 2015 insgesamt 74.700 Dollar von Soros´ Open-Society-Stiftung zur „Finanzierung der Studentenbewegung und Bildung eines langfristigen Selbstfinanzierungsfonds” erhalten hatte.

Wutentbrannt dementierte Jackson sofort die „verlogene Intrige”, gab jedoch gleichzeitig zu (“Revolución Democrática reconoce aporte de fundación perteneciente a magnate estadounidense” – Radio Biobio, 03.10.2016), bei Open Society einen Antrag gestellt und „ein einziges Mal” den Betrag erhalten zu haben und nicht über die Jahre hinweg von Soros finanziert worden zu sein. Was ja auch niemand behauptet hatte, „ein einziges Mal” reichte ja als Beleg.

Die Reaktion Jacksons offenbarte die gespaltene Haltung von Teilen der internationalen, sogenannten „progressiven Szene” im Umgang mit Soros´ politischer „Philanthropie”. Einerseits die offene Hand, andererseits das peinliche Abstreiten. Und dazu die lausige Apologetik, mit der zum Beispiel der chilenische Abgeordnete Open Society verteidigte. Immerhin, so Jackson, „unterstützt diese Stiftung viele pro-demokratische Initiativen in der ganzen Welt”, und nannte gleich zwei weitere, „wertvolle” Geldempfänger in Chile: die journalistische Investigativ-Gruppe Ciper und das Portal Ciudadano Inteligente (“Intelligenter Bürger”).”

Der “Freund Chiles”

Ende November 2016 beschäftigte sich sodann ein aufschlussreicher Essay („George Soros: la conexión de Lagos y Hillary con Wall Street“ – El Mostrador, 28.11.2016) mit den liaisons dangereuses der regierenden Parteienkoalition Nueva Mayoría von Präsidentin Michelle Bachelet mit George Soros. Renato Garín, chilenischer Jurist und Buchautor, hinterfragte in seinem Text, wie es dazu kommen konnte, „dass ein Spekulant der Hochfinanzen von Máximo Pacheco, dem starken Mann der Präsidentschaftskampagne von Ricardo Lagos, gefeiert wird”.

Mit Spekulant meinte Garín den Mann, „der in den vergangenen 30 Jahren bleibenden Einfluss auf die chilenische Politik ausgeübt” habe. Es gäbe genügend Hinweise darauf, dass Soros ab 1987 als Schlüsselfigur der finanziellen Förderung der Concertación aufgetreten und in der Folgezeit als „ständiger Begleiter“ der Führungseliten dieses Parteienbündnisses zu beobachten gewesen sei. Sein Einfluss habe mit der Regierung Ricardo Lagos (2000-2006) begonnen und sich danach mit der Etablierung von Stiftungen und Studienzentren ausgeweitet.

Ab 1986 soll eine Reihe von Oppositionsführern gegen die Diktatur Kontakte zu Soros mit dem Ziel gesucht haben, von ihm finanzielle Unterstützung zu erhalten. Demnach übernahm der ungarische Spekulant die Kosten der Oppositionskampagne für die baldige Absetzung General Pinochets, nachdem dieser 1988 in der Volksbefragung über seinen Verbleib an der Macht unterlag.

Dafür hatte ihm bereits im September 2009 Michelle Bachelet während ihres ersten Regierungsmandats gedankt. Sie bezeichnete Soros als einen „energischen Verbündeten Chiles in der Förderung der internationalen Zusammenarbeit, bei der Überwindung der großen Herausforderungen unserer Zeit”, ferner als jemanden „der eine unerschütterbare Verpflichtung mit der Demokratie und den offenen Gesellschaften, ebenso mit dem Multilateralismus und den fortschrittlichen Anliegen eingegangen ist…”.

„Er ist ein Freund Chiles und seiner sozioökonomischen Erfolge”, erklärte Bachelet mit Überschwang und hängte Soros das Verdienstkreuz Bernardo O’Higgins im Grad des Großen Offiziers über den Kopf. Neben ihm stand die ebenfalls ausgezeichnete Künstlerin Yoko Ono, Witwe des Beatle John Lennon. Die chilenische Botschafter-Residenz in Manhattan ging unter im schallenden Applaus. Mit dem Brustton der Überzeugung bezeichnete Bachelet den Soros-Orden einen „Beweis für die Zuneigung und die Bewunderung unserer Bürger”.

„Chilenischer Botschafter mit Sondervollmachten”

Im November 2015, sechs Jahre später – diesmal im Great Ballroom des New Yorker Plaza-Hotels – wiederholte der Sozialist und damalige Energieminister Bachelets, Máximo Pacheco, beiläufig Bachelets Dank für Soros´ Solidarität gegen Pinochet. Seine besondere Anerkennung galt jedoch Soros´ Rolle bei der „Besänftigung” der stockkonservativen chilenischen Unternehmer nach dem ersten Wahlsieg der Mitte-Links-Koalition im Jahr 2000. Er habe die „Gespenster in den fundamentalistischen Köpfen unter Kontrolle gebracht und unseren Unternehmergeist im Zeichen der Globalisierung geschärft”, erinnerte Pacheco. Das Ergebnis davon: der Sozialist Ricardo Lagos sei von den Unternehmern regelrecht „geliebt” worden.

Was Pacheco mit Nachdruck würdigte, war die sprichwörtliche Rolle Soros´ als „chilenischer Botschafter mit Sondervollmachten”, eine Art „Talkmaster der Märkte”, der Chile auf dem Weltmarkt ins Gespräch brachte, Türen öffnete, die Unterzeichnung von Freihandelsabkommen einfädelte und die Börsen-Spekulanten ermunterte. Wahrhaftig, „un hombre bueno – ein guter Mann”.

„Soros kauft Argentinien”

Im Jahr 1994 startete George Soros seine Geschäfte in Argentinien. Den Hintergrund bildete der totale Ausverkauf öffentlicher Vermögenswerte.

Unter massivem ausländischen Druck, gepaart mit einer aggressiven Kampagne einheimischer Medien zur „Sanierung der Staatsfinanzen“, war Mitte 1989 der rechtsliberale Carlos Menem zum Präsidenten gewählt worden. Die Kampagne beschwor die Gefahr eines defaults der auf 63 Milliarden Dollar angestiegenen Auslandsverschuldung. Die internationalen Gläubiger-Banken und der Internationale Währungsfonds (IWF) drängten auf die „Veräußerung staatlicher Aktivposten“, sprich: auf Privatisierungen. So begann 1991 ein Aderlass in zuvor in ganz Lateinamerika kaum gekannten Ausmaßes.

Der Rundumschlag privatisierte die staatlichen Fluggesellschaften Aerolineas Argentinas und Austral, die Telefongesellschaft ENTEL, die Post (ENCOTEL), die Ölgesellschaften YPF und Reviere (YCF), Gasförderung und -vertrieb (Gas del Estado), die staatlichen Wasserwerke und das landesweite Kanalisationssystem (Obras Sanitarias), den Elektroenergiekonzern SEGBA, vier staatliche Petrochemie-Unternehmen, des Weiteren eintausend Kilometer Fernstraßen, die Hauptstrecken der staatlichen Eisenbahnen (Ferrocarriles Argentinos), Hafenanlagen, Werften, die Handelsmarine, Staudämme, 33 regionale Flughäfen, militärische Stahlfabriken, das Netz der Nationalbank Hipotecaro plus sämtliche Landesbanken, ein Kohlechemie-Unternehmen, den Betrieb von Kernkraft- und Wärmekraftwerken, zwei Fernsehkanäle, eine Pferderennbahn und das traditionsreiche Hotel Llao Llao an den Ufern des malerischen Nahuel-Huapi („Quelle des Pumas“)-Sees in Patagonien.

Die Privatisierungen führten zur Entlassung von 75.381 öffentlichen Angestellten. Für die Entschädigungszahlungen in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar besaß der Staat angeblich kein Geld und musste den Löwenanteil bei der Weltbank als Kredit aufnehmen. Menem hatte spekuliert, dass die Verscherbelung der jahrzehntealten, von der Bevölkerung geschätzten öffentlichen Betriebe für die Abtragung der Auslandsschulden nicht ausreichen würde und trat dem sogenannten „Brady-Plan” zur „Umstrukturierung“ der Auslandsverschuldung bei.

Benannt nach dem damaligen US-Finanzminister Nicholas Brady, sollte der Plan zwischen 1992 und 1993 die Neuaufnahme von Staatsanleihen erleichtern. Es kam jedoch anders. Als Argentinien dem Abkommen beitrat, gelang es zwar, 33 Milliarden von den 63 Milliarden Dollar Hauptschulden neu zu finanzieren, doch die Neuverschuldungs- und Rückzahlungsspirale geriet außer Kontrolle und erreichte im Jahr 2000 die schwindelerregende Summe von 150 Milliarden Dollar.

Während Menem und seine aggressiv-liberalen Finanzminister – darunter zuletzt Domingo Cavalo – den Märkten Optimismus einimpften, kaufte sich Soros in Argentinien ein. Nicht nur er.

Der Landlord der Anden

Um Bariloche herum hatte sich seit Ende der 1980er Jahre eine ausgedehnte US-amerikanische Künstler- und Managerzunft – darunter CNN-Begründer Ted Turner samt Ehefrau Jane Fonda – mit dem Kauf hunderttausender Hektar Land an den Andenhängen rund um das luxuriöse Fernreiseziel Bariloche niedergelassen. Ein nicht unbedingt beliebter Weltpolitiker war ihnen 1988 vorausgeeilt: der nach einem sicheren Alterssitz ausschauende Ex-Secretary of State, Henry Kissinger.

Soros´ Deal begann mit dem Erwerb des staatlichen, jedoch maroden Erholungs-Resorts Llaollao in Bariloche und dem Kauf eines 23 Hektar großen Anwesens in malerischer Hafennähe von Buenos Aires, wo er mit zig Millionen Dollar das Gaststätten- und Sportresort Puerto Madero II aufzog.

Jedoch diesmal spekulierte Soros auch mit langfristigen Trends; nämlich der Verknappung von Anbauflächen und dem Anstieg der Lebensmittelpreise im Weltmaßstab. Mit 400.000 Hektar bebaubarem Land – das er für je 1 Dollar den Hektar erwarb und 400 Millionen Dollar in dessen Ausstattung, u.a. mit 150.000 Rindern, investierte – rangierte er bereits Mitte der 1990er Jahre vor dem italienischen Kleidungskonzern und führenden Schafswollexporteur Benetton als größter landwirtschaftlicher Betrieb Argentiniens.

Sein Heißhunger auf Land machte nicht Halt bei nahezu einer halben Million Hektar. Dem US-Konzern Swift-Armour kaufte er in der Provinz Santa Fé den gigantischen Gutshof El Nacurutu mit 30.350 Hektar ab. Im Chaco, an der Grenze zu Bolivien, riss er sich weitere 20.832 Hektar mit der Mega-Ranch La Tapenaga unter die Nägel; 87.093 Rinder und 1.640 Zuchtpferde inklusive. Doch, außer Santa Fé und Chaco, dehnt sich Soros´ argentinischer Landbesitz auch auf die Provinzen Salta, Catamarca, Córdoba und Buenos Aires aus; nicht dazu gerechnet seine Landpachtungen in Corrientes, Santiago del Estero und La Pampa.

Über sein Immobilien-Unternehmen Cresud und seinen Landwirtschaftskonzern Adecoagro gehört Soros nach inoffiziellen Schätzungen nicht nur zu den größten Fleisch- und Milchproduzenten, sondern auch Weizen-, Mais-, Sonnenblumen- und Sojapflanzern und -exporteuren Südamerikas. Seine Landkäufe kamen erst zum Stillstand, als der von der landesweit aufgeschreckten Öffentlichkeit angeregte argentinische Senat im Dezember 2011 ein Gesetz verabschiedete, das Ausländern fortan den Landerwerb über 1.000 Hektar verbietet.

“Ein Freund im Kampf gegen die Hedgefonds”

Kurzer Zeitsprung zurück. Im März 1999 wurde über die Neubesetzung des Direktoriums der 1997 privatisierten, ehemaligen staatlichen Banco Hipotecario entschieden. Der Marktwert der Bank schwankte zwischen 2,4 und 6,3 Milliarden Dollar, doch sie wurde für die lächerliche Summe von 1,2 Milliarden Dollar verscherbelt. Soros erwarb 14,5 Prozent des Aktienkapitals und “platzierte sechs seiner Männer im Vorstand”, so die konservative Tageszeitung La Nación vom 16.03.1999.

Erworben wurde die Bank von Eduardo Elsztain, einem Milliardär und Zionistenführer in Argentinien und Freund George Soros´. Doch der Privatisierungsverlauf war derart von Unregelmäßigkeiten und Korruptionsvorwürfen gegen Elsztain gespickt, dass dieser sich zeitweilig in die USA absetzte.

“La Argentina no tiene solución – Für Argentinien gibt es keine Lösung”, erklärte Soros vier Jahre später auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos mit dem kategorischen Imperativ des Weltenrichters. Wer zu viele Schulden aufnehme, müsse auch bereit sein, 40 Prozent Zinsen im Jahr zu zahlen, fügte er als Seitenhieb gegen die “nicht existente” Regierung Argentiniens hinzu.

Als wenige Monate danach, im Mai 2003, der frisch gewählte, linksperonistische Jurist Néstor Kirchner die Präsidentschaft Argentiniens antrat, war die Auslandsverschuldung auf die unbezahlbare Höhe von 170 Milliarden Dollar angestiegen – der größte Teil davon als Zinsen und Zinseszinsen. In klugen Verhandlungen mit dem IWF und den internationalen Gläubigerbanken gelang Kirchner Ende 2004 ein 75-prozentiger Schuldenschnitt. Damit nicht einverstanden waren einige Hedgefonds, die der 2010 verwitweten und nachfolgenden Präsidentin Cristina Kirchner bis zum Ende ihres Mandats mit Klagen vor US-Gerichten und Beschlagnahmungen von argentinischen Sicherheiten im Ausland das Regieren zur Hölle machten.

Nicht aber Soros. Er half Cristina Kirchner im Streit gegen die “Geierfonds” unter Paul Singer. Er erklärte sich bereit, die “Geierfonds” zu verklagen und der Präsidentin den Rücken zu stärken. Anschließend verdoppelte Soros seinen Anteil am halbstaatlichen argentinischen Erdölkonzern YPF auf 3,5 Prozent und alle gingen zufrieden nach Hause.


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