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Titel: Konflikt zwischen Venezuela und Guyana spitzt sich zu

Datum: 9. Dezember 2023 um 13:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Länderberichte, Ressourcen
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Die Ankündigung der venezolanischen Regierung, das völkerrechtlich umstrittene Esequibo-Gebiet künftig als venezolanisches Staatsterritorium zu behandeln, sorgt für Unruhe in der Region. Am Dienstag hat Präsident Nicolás Maduro eine Reihe von Maßnahmen verkündet, um das Referendum über den Territorialkonflikt mit Guyana vom vergangenen Sonntag umzusetzen. Guyana wiederum erschwert mit Vergabe von Ölförderlizenzen einvernehmliche Lösung des Territorialkonflikts. Von Tobias Lambert.

Das venezolanische Parlament verabschiedete am Mittwoch in erster Lesung einstimmig ein Gesetz, das die Schaffung des Bundesstaats „Guayana Esequiba” vorsieht. Zudem wies Maduro die staatlichen Erdöl- und Rohstoffkonzerne PDVSA und CVG an, Ableger für den Esequibo zu gründen sowie Förderlizenzen für Erdöl, Gas und Mineralien zu vergeben. Die militärische Präsenz nahe des Gebietes solle außerdem verstärkt werden.

In einer rechtlich nicht bindenden Abstimmung hatten sich am Sonntag laut offiziellen Angaben 10,43 Millionen Wähler beteiligt und zu gut 95 Prozent die Position der venezolanischen Regierung unterstützt. Da der Nationale Wahlrat (CNE) keine detaillierten Ergebnisse veröffentlicht hat, ist eine transparente Überprüfung der Angaben nicht möglich.

Der guyanische Präsident Ali Irfaan bezeichnete die von Maduro verkündeten Maßnahmen in einem Videostatement als „direkte Bedrohung für Guyana, seine territoriale Integrität, Souveränität und politische Unabhängigkeit”. Es handele sich um „eine Verletzung grundlegender Prinzipien des internationalen Rechts” und der Anordnungen des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag. Dessen Zuständigkeit für den Fall erkennt Venezuela jedoch nicht an. Am vergangenen Freitag hatte der Gerichtshof beide Parteien dazu aufgerufen, jegliche Aktion zu unterlassen, die den Status quo verändern sollen, so lange der Fall gerichtlich nicht geklärt ist.

Ali kündigte zudem an, den Fall vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen. Die guyanischen Streitkräfte seien in Alarmbereitschaft versetzt worden und stünden in Kontakt mit militärischen Partnern, darunter auch dem US-Südkommando (US Southcom). Die venezolanische Regierung kritisierte Guyana harsch dafür, „grünes Licht” für die Präsenz des US Southcom im Esequibo gegeben zu haben, und warnte vor der Installierung von US-Militärbasen in der Region. Am Donnerstag bestätigte die US-Botschaft in Guyana die Durchführung gemeinsamer Übungsflüge des US Southcom und der Guyana Defense Force (GDF). Die brasilianische Regierung stärkte indes ihre Militärpräsenz im Grenzgebiet zu Venezuela, und Guyana sprach sich deutlich gegen eine weitere Eskalation aus. Die Regierungen Venezuelas und Guyanas einigten sich am Mittwoch darauf, ihre Kommunikationskanäle offen zu lassen. Der venezolanische Außenminister Yván Gil und sein guyanischer Amtskollege Hugh Todd führten ein Telefongespräch über den Territorialstreit.

Unterdessen gehen die venezolanischen Behörden gegen Personen vor, die sich gegen die Durchführung des Referendums gestellt hatten. Generalstaatsanwalt Tarek William Saab erließ am Mittwoch Haftbefehle gegen 13 oppositionelle Politiker. Die Vorwürfe handeln von „destabilisierenden und konspirativen Aktionen”, die einen Boykott des Referendums erreichen sollten. Betroffen sind mehrere Personen aus dem Umfeld der designierten Präsidentschaftskandidatin der Opposition, María Corina Machado. Verhaftet wurde bisher nur Roberto Abdul-Hadi, Präsident der oppositionellen Nichtregierungsorganisation Súmate, die Machado nahesteht. Auch betroffen sind bekannte exilierte Oppositionspolitiker wie Leopoldo López, Juan Guaidó und Julio Borges sowie die prominenten chavistischen Ex-Minister Rafael Ramírez und Andrés Izarra, die beide in Europa leben. Bei den Ansprüchen auf den Esequibo sind sich Regierung und Opposition, anders als bei anderen Themen, jedoch weitgehend einig.

Mit Ausnahme einer Flussinsel wird das dünn besiedelte, 160.000 Quadratkilometer große Esequibo-Gebiet (etwa die Größe Tunesiens), von Guyana verwaltet. Die staatliche Präsenz ist allerdings gering. Der Esequibo macht etwa zwei Drittel von Guyanas deklariertem Staatsgebiet aus, besteht überwiegend aus schwer zugänglichem Waldgebiet und hat knapp 130.000 Einwohner. Diese sprechen überwiegend Englisch, aber auch andere Sprachen. In der Esequibo-Region leben mindestens neun indigene Gruppen, von denen sich mehrere auf beiden Seiten der Grenze bewegen. Zudem sind Goldsucher aus Brasilien und Venezuela in dem rohstoffreichen Gebiet aktiv. Die Meinung der lokalen Bevölkerung spielt in dem alten Konflikt bisher keine Rolle. Im 18. Jahrhundert zählte Spanien das Gebiet zu seinem Kolonialreich.

Nach der Unabhängigkeit Venezuelas im Jahre 1811 wurde der Esequibo daher zunächst als venezolanisches Gebiet ausgewiesen. 1814 erwarb Großbritannien Teile des heutigen Guyanas von den Niederlanden und beauftragte den deutschen Forschungsreisenden Robert Schomburgk 1840, die westliche Grenze der Kolonie zu definieren. 1899 sprach ein internationales Schiedsgericht die Esequibo-Region schließlich British Guyana zu. Mitte des 20. Jahrhunderts wurden allerdings begründete Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Schiedsgerichtes bekannt. Wenige Monate vor der Unabhängigkeit Guyanas im Jahr 1966 erkannte Großbritannien im „Vertrag von Genf” an, dass der Konflikt durch Verhandlungen gelöst werden solle. Guyana beruft sich bis heute auf den Schiedsspruch von 1899, Venezuela hingegen pocht auf den Vertrag von 1966.

An Brisanz gewann der Konflikt ab 2015, als ein Konsortium um den US-Konzern ExxonMobil große Erdölvorkommen und Gasvorräte vor der Küste entdeckte. Guyana hat dem Konsortium, dem mit der China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) auch ein chinesischer Staatskonzern angehört, bereits Förderlizenzen zur Ausbeutung des Stabroek Blocks vor der Küste des Esequibo erteilt. Bis 2027 will das kleine Land 1,2 Millionen Barrel Erdöl am Tag produzieren, momentan sind es zwischen 300.000 und 400.000. Die geplante Vergabe weiterer Konzessionen hat den Streit weiter angefacht.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Amerika21.

Titelbild: Shutterstock / Zarko Prusac


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