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Titel: Endstation Haushaltsloch. Deutsche Bahn bläst Zukunft ab.

Datum: 7. Februar 2024 um 14:16 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Finanzpolitik, Verkehrspolitik
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Die verheißene Mobilitätswende fällt dem Rotstift der Ampel zum Opfer. Weil angeblich kein Geld da ist, streicht der DB-Konzern seine Neu- und Ausbauvorhaben praktisch auf null zusammen. Investiert wird vorerst nur noch in den Bestand, um wenigstens den weiteren Zerfall aufzuhalten. Auf der Strecke bleiben neben irrwitzigen Betonprojekten auch etliche sinnvolle Maßnahmen, insbesondere im Bereich Güterverkehr. Soll aber alles nachgeholt werden – versprochen! Von Ralf Wurzbacher.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„DB InfraGO AG steht und startet das größte Infrastrukturprogramm für Kapazität und Qualität.“

Die Ansage ist nicht einmal drei Wochen alt – und schon wieder Schnee von gestern. Am 22. Januar wurde die neue Infrastrukturgesellschaft der Deutschen Bahn mit viel Show und Prominenz im „Futurium“ unweit der Berliner DB-Konzernzentrale symbolisch auf die Reise geschickt. Deren „Mission“ lautet:

„Gemeinsam und aus einer Hand ein leistungsfähiges Schienennetz und attraktive Bahnhöfe zu schaffen, die auf ganzer Linie begeistern.“

Daraus wird nichts. Vor fünf Tagen berichtete der Spiegel (hinter Bezahlschranke) über eine interne Aufstellung der neuen Netz-AG, die, nimmt man das Medienecho, auf ganzer Linie entgeistert. Daraus geht hervor: Praktisch sämtliche Neu- und Ausbauprojekte sind fürs Erste abgeblasen. Das, was an Geld zur Verfügung steht, wird weit überwiegend in die Sanierung des Bestands gesteckt. Das Politmagazin aus Hamburg sorgte mit markigen Worten für den Rest. Die einst von der großen Koalition ersonnene Idee des Deutschlandtakts „dürfte damit endgültig eine Utopie bleiben“, so „unerreichbar“ wie das per Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel, die Verkehrsleistung im Personenverkehr bis 2030 zu verdoppeln.

Wortbruch im Rekordtempo

Die Sache lässt sich differenzierter betrachten. Ja, das Versprechen der Ampel, die Bahn in einem historischen Kraftakt in die Zukunft zu befördern, ist, kaum ausgesprochen, wieder abgeräumt. Ähnliche Verheißungen gab es in der Vergangenheit schon viele. Aber schneller als jetzt Rot-Grün-Gelb hat davor noch keine Regierung ihr Wort gebrochen beziehungsweise einkassiert. Noch vor einem Jahr hieß es, der Bund wolle 45 Milliarden Euro bis 2027 für die Ertüchtigung der kaputten Schiene mobilisieren, woraus irgendwann 43 Milliarden Euro wurden, dann 40 Milliarden Euro. Wobei die Regierung den Bedarf eigentlich noch viel höher taxiert, nämlich auf rund 88 Milliarden Euro, wie sie vor sieben Monaten auf eine Anfrage des Linke-Haushaltsexperten Victor Perli einräumte.

Jetzt soll es nur noch 27 Milliarden Euro geben, und Schuld daran ist – was sonst – das Loch, welches das vermaledeite Karlsruher Haushaltsurteil in den 2024er-Bundesetat und die mittelfristige Finanzplanung der Ampel gerissen hat. Für das laufende Jahr sind lediglich noch 1,7 Milliarden Euro für Neubauvorhaben bei der Bahn vorgesehen. Der Kürzungseifer der Koalition trifft zum Beispiel auch die staatliche Trassenentgeltförderung, die wird massiv zurückgefahren. Zugleich will die InfraGO ebendiese Gebühren zur Nutzung von Gleisanlagen und Bahnhöfen im Personen- und Güterverkehr drastisch erhöhen. Verbände laufen dagegen Sturm, befürchtet werden Unternehmenspleiten und „Ladungsverluste an den Lkw in großen Mengen“. Mit Blick auf die proklamierte Verkehrswende ist das freilich fatal.

Betonprojekte auf Eis

Fataler noch sind in dieser Hinsicht allerdings die ganzen Groß-, Prestige- und Betonprojekte der Bahn, allen voran Stuttgart 21 oder die geplanten Hochgeschwindigkeitstrassen. Diese haben nicht nur eine verheerende Öko- und Klimabilanz, sondern sind in aller Regel extrem teuer. Nicht selten verursachen sie immer wieder neue Kostenexplosionen, die die Steuerzahler ausbaden müssen.

Aber jetzt kommt die gute Nachricht: Viele dieser Vorhaben stehen plötzlich in Frage, weil eben kein Geld dafür da ist. Der Spiegel schrieb von einer umfangreichen Streichliste, die eine ganze Reihe dieser zweifelhaften Unternehmungen umfasst. Darunter fällt etwa eine ICE-Schnellverbindung zwischen Hannover und Hamburg oder zwischen Nürnberg und Würzburg. Auf Eis gelegt werden ferner die Errichtung eines digitalen Stellwerks der Hamburger S-Bahn und die Verlegung eines Bahnhofs in Brandenburg zur Anbindung des Tesla-Werks in Grünheide. Desgleichen steht wohl die Realisierung eines „digitalen Knotens“ im Tiefbahnhof Stuttgart 21 auf der Kippe, weil Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Bedenken haben soll. Die Digitalisierung soll den störungsanfälligen Betrieb der städtischen S-Bahn verbessern, ist aber vor allem darauf angelegt, die Kapazitätsverluste durch S21 irgendwie zu kompensieren.

Geld fehlt offenbar auch für eine direktere Anbindung des im Bau befindlichen Tunnels unter dem Fehmarnbelt an Hamburg und Lübeck. Das „Monstrum im Ostseegrund“ halten Umweltschützer für ökologischen Irrwitz, der auf deutschem Festland zu irrwitzigen Folgeprojekten führen soll. Deren Umsetzung wird nun immerhin aufgeschoben, und was später passiert, ist nicht absehbar.

Schluss mit Größenwahn

„Weniger Geld für Unsinn ist zunächst einmal eine schöne Neuigkeit“, findet der Journalist und renommierte DB-Kritiker Arno Luik. „Die versprochenen Unsummen sollten fast ausschließlich in unökologischen und unökonomischen Großbetonprojekten versenkt werden, in ICE-Rennstrecken auf Betonplatten mit extrem vielen Tunneln“, bemerkte er gegenüber den NachDenkSeiten. In seinem Buch „Schaden in der Oberleitung“ rechnet Luik kenntnisreich mit der DB-Führung und den bahnpolitisch Verantwortlichen ab. Zuletzt hatte er im NDS-Interview die Deutsche Bahn als „nicht mehr reparabel“ bezeichnet.

Als Beispiele für den DB-Größenwahn nannte Luik am Mittwoch den geplanten Tiefbahnhof in Frankfurt in 41 Meter Tiefe, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Hannover und Bielefeld – „statt billiger Renovierung der alten Strecke“ – sowie die „unverzeihliche Verlegung des Bahnhofs Altona nach Hamburg-Diebsteich“. Weil schon begonnen, wird dieses Projekt zu Ende gebracht, was nach besagten InfraGO-Interna für alle angelaufenen Unternehmungen gelten soll. Ob die Trasse zwischen Hannover und Bielefeld gebaut wird, bleibt abzuwarten. Auf der Streichliste steht sie offenbar nicht. Aber schon Ende 2023 handelte die Presse das Vorhaben als Wackelkandidat, wegen der „Etatprobleme des Bundes“. Luik jedenfalls sieht erhebliches Einsparpotenzial, würden Bahn und Bundesregierung von ihrem Betonbauertrip runterkommen. „Die vielen Milliarden könnten dann Sanierungs- und Ausbauprojekten zugutekommen, die wirklich Sinn machen.“

Mobilitätswende abgesagt

Danach sieht es leider nicht aus. Tatsächlich finden sich auf der Streichliste der InfraGO durchaus wegweisende Dinge, vor allem im Bereich Güterverkehr. Beispielsweise ist die lange geplante Trasse von Uelzen über Magdeburg nach Halle betroffen, dazu ein Zulauf für den Schweizer Gotthard-Tunnel zwischen Karlsruhe und Basel sowie ein Abschnitt bei Oberhausen, der den Anschluss an die Nordseehäfen der Niederlande verbessern soll. Auf holländischer Seite ist die Strecke seit 2017 in Betrieb. Damit rückt das erklärte Ziel der Ampel, den Marktanteil im schienengebunden Warenverkehr „von 19 Prozent auf 25 Prozent“ zu steigern, in noch weitere Ferne. Das bringt Peter Westenberger, Geschäftsführer des Verbands Die Güterbahnen auf die Palme: „Wenn die DB und die zuständigen Ministerien für Finanzen und Verkehr schon im Dezember den Neu- und Ausbau ins Tiefkühlfach gelegt haben, verkennen sie offensichtlich ihre gemeinsame Verantwortung für das Gemeinwohl.“

In dieselbe Kerbe schlägt Carl Waßmuth vom Bündnis „Bahn für Alle“. Die Regierung habe sich entschieden, „die Mobilitätswende in die Tonne zu treten“, betonte er am Mittwoch im Gespräch mit den NachDenkSeiten. „Mit der Absage von allen Neu- und Ausbauprojekten stirbt die Hoffnung, Dauerstau und Abgasgiftwolken jemals zu entrinnen“. Dabei könnten gerade „kleine und mittlere Ausbaumaßnahmen schnell und günstig Flaschenhälse auflösen, im Gegensatz zu den blödsinnigen Großprojekten“. Sein Verband habe dazu eine Liste mit 43 grünen Projekten erstellt, die zeige, „wo jetzt investiert werden müsste, um zügig Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern“, ergänzte Waßmuth.

Warten auf den Deutschlandtakt

Was ihm noch bitter aufstößt: „Warum wird nur bei der Bahn gekürzt, während die Klimakiller Auto und Straßenbau unangetastet bleiben?“ Für den Ausbau von Autobahnen würden „etliche Milliarden Euro rausgehauen, fette Dienstwagen weiter üppig subventioniert, aber für den dringend erforderlichen Güterbahnausbau ist angeblich kein Geld da“.

Das kann ja noch werden. Laut einem Schreiben des InfraGo-Vorstands an den DB-Aufsichtsrat „bedurfte es einer kurzfristigen Priorisierung der Infrastrukturmaßnahmen“. Die DB-Führung erklärte ferner, grundsätzlich an allen Ausbauplänen festhalten zu wollen. „Der Fokus bei der Umsetzung liegt, wie mit dem Bund vereinbart, zunächst auf der Modernisierung und Erneuerung des Bestandsnetzes und auf den Projekten, die bereits im Bau sind“, teilte eine Konzernsprecherin mit. Es bestehe aber zumindest die Gefahr einer großen zeitlichen Verschiebung von Projekten.

Kennt man ja. Wann soll es so weit sein mit dem „Deutschlandtakt“, sprich mit einer Bahn, bei der alles wie am Schnürchen läuft? Ach ja: 2070! Das kann man, wie der Spiegel, utopisch nennen oder ein Jahrhundertprojekt. Darunter macht es die Bahn nicht.

Titelbild: The American Explorer/shutterstock.com


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