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Titel: Die wichtigste Fertigkeit des modernen Topmanagers: die Steuerzahler ausnehmen

Datum: 16. November 2011 um 23:52 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Lobbyismus und politische Korruption, Riester-Rürup-Täuschung, Privatrente
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Und die wichtigste Voraussetzung dafür, dass dies gelingt: Netzwerke bilden, wichtige Stellen auch beim Staat besetzen und mit PR einen Nebel der Verschleierung ausbreiten. Die Investmentbank Goldman Sachs, deren Berater und ehemaligen Mitarbeiter den Chefsessel der EZB sowie der Regierung von Griechenland und von Italien besetzen, hat von Rettungsaktionen des amerikanischen Staats und auch vom deutschen Steuerzahler profitiert. Die Allianz AG, deren Finanzchef Achleitner früher ebenfalls bei Goldman Sachs war, wechselt 2012 als Aufsichtsratsvorsitzender zur Deutschen Bank. Wenn man der Mehrheit der Medien traut, sind das alles Erfolgsgeschichten. Dass diese Institutionen unentwegt den Staat ausnehmen, wird unter den Teppich gekehrt. Deshalb soll am Beispiel der Allianz AG in Stichworten sichtbar gemacht werden, wie wenig erfolgreich diese hoch gejubelten Spitzenmanager wären, hätten sie sich und ihr Unternehmen nicht immer wieder mit staatlichen Subventionen und Hilfen saniert. Albrecht Müller.

Zunächst noch zu Goldman Sachs und zum Einfluss dieser Investmentbank:

Den am 15. November erwähnten und nur auf Französisch verfügbaren Artikel von Le Monde hat Gerhard Kilper übersetzt. Auszüge siehe Anlage 1.

Das Handelsblatt zog am 16. November mit einem Beitrag „Goldman Sachs – Die Goldjungs an den Schaltstellen der Wirtschaft“ nach. Der Artikel beginnt mit folgender Feststellung: ‚„Government Sachs“ nennen Kritiker die Investmentbank wegen ihrer engen Beziehungen zur US-Regierung. Doch auch in Europa sitzen frühere Mitarbeiter von Goldman Sachs – wie Paul Achleitner – in Schlüsselpositionen.’

Paul Achleitner und die Allianz AG – der „erfolgreiche“ Ritt auf dem Rücken von uns Steuerzahlern

Von Paul Achleitner und seinem Wirken bei der Allianz AG ist in diesen Tagen viel die Rede, weil er den Aufsichtsratsvorsitz bei der Deutschen Bank übernehmen soll. Davon, dass die Allianz AG in großem Maße Steuergelder in Anspruch genommen hat, wird dabei nicht gesprochen. Deshalb soll beispielhaft an diesem Unternehmen sichtbar gemacht werden, wie Unternehmen aus der Finanzbranche den Staat und die Steuerzahler melken. Achleitner ist übrigens seit 2000 im Vorstand der Allianz:

  1. Die Allianz AG profitiert Milliarden von der staatlichen Förderung der Privatvorsorge über die Riester-Rente, die Rürup-Rente und – meist im Verborgenen aber sehr umfangreich – von der Subventionierung der betrieblichen Altersvorsorge (Entgeltumwandlung).
  2. Die Allianz AG hat rechtzeitig und bevor die Krise der Industriekreditbank (IKB) sichtbar wurde, ihren fast 34-prozentigen Anteil an die dem Bund gehörende Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verkauft. Gezahlt hat mittelbar der Steuerzahler.
  3. Die Allianz AG konnte ihre fragwürdige Entscheidung, die Dresdner Bank zu kaufen, zulasten des Steuerzahlers korrigieren. Die Dresdner Bank wurde an die Commerzbank verkauft und der Bund hat zur Rettung der Commerzbank 18,2 Milliarden Euro gezahlt und dafür gerade mal 25 % dieses Instituts erworben.
  4. Die rot-grüne Regierung hat mit Unterstützung der damaligen Opposition aus CDU/CSU und FDP die Gewinne, die beim Verkauf von Aktienpaketen realisiert werden, zum 1.1.2002 steuerfrei gestellt. Das war auch ein Geschenk an die Allianz AG. Sie konnte damit die in ihrem Aktienvermögen steckenden Gewinne steuerfrei einstreichen. Ein eigentlich unglaublicher Vorgang. Jeder normale Unternehmer muss bei Realisierung bisher nicht realisierter und versteckter Gewinne dafür Steuern bezahlen.
  5. Mit der Rettung der Münchner HRE wurden auch Einlagen der Allianz AG gerettet. Siehe hier: „Allianz SE, München (inklusive Dresdner Bank) 833 Millionen“

Das sind fünf gravierende Subventionskomplexe zu Gunsten der Allianz AG und zulasten der Steuerzahler. Sie fallen alle in die Zeit der Vorstandsmitgliedschaft von Paul Achleitner. Die Gewinne des Unternehmens durch die sich wiederholenden Rettungsschirme zu Gunsten von Griechenland, Irland usw. sind dabei noch nicht enthalten.

Das Geschäftsmodell dieser Unternehmen besteht nicht zuallererst aus der wertschöpfenden Produktion von Dienstleistungen oder Gütern – entscheidend ist die staatliche Subvention, entscheidend ist die Organisation des Einflusses auf die politischen Entscheidungen zu Gunsten der Unternehmen und des Wirtschaftssektors wie im konkreten Fall der Finanzwirtschaft.

Dazu braucht man netzartige Strukturen, die in den oben erwähnten Medienbeiträgen skizziert sind. Dazu braucht man die nötige Propaganda, mit der man den Staat dazu bringt, das Geld freiwillig auf unsere Kosten herauszurücken. Wenn die Steuerzahler nicht zum Zahlen gezwungen würden, dann sähe die Gewinn- und Verlustrechnung dieser hoch gelobten Persönlichkeiten ziemlich rot aus.

Mit konservativen Werten hat das praktizierte Geschäftsmodell wenig gemein.

Es ist deshalb schon verwunderlich, dass Unternehmen und ihre Manager, die dem Staat so rücksichtslos in die Tasche greifen, immer noch das Vertrauen konservativer Kreise besitzen. Offensichtlich schauen viele Menschen aus diesem Milieu nicht genau hin. Oder sie finden es sogar schick, wie hier der Staat wie eine Gans ausgenommen wird. Schließlich hat man in diesen Kreisen ja auch schon Frau Thatcher bewundert, obwohl auch diese freimütig auf den Staat zurückgriff, wenn es ihr und ihrer Partei passte. Ein anschauliches Beispiel dafür beschrieb der britische Autor und ehemalige Chefredakteur des Observer Will Hutton in seinem Buch „The State We’re In“. Thatcher hat den konservativen Parteiapparat durch staatlich ausgehaltene quasi privatisierte Unternehmen (so genannte Quangos) mitfinanzieren lassen.

Auch jene Unternehmen und Unternehmer, die ihre ganz normale Arbeit leisten, also produzieren und Dienste leisten durch Kombination von Arbeit und Kapital, zahlen die Subventionen der ausgehaltenen Unternehmen mit. Von nichts kommt nichts. Von der Wertschöpfung der normal tätigen Unternehmer und der dort tätigen Menschen profitieren jene Kreise, die in Deutschland immer noch in besonderer Weise gesellschaftlich angesehen sind. Zu Unrecht.

Anlage 1:
Auszüge aus

Marc Roche, Goldman Sachs als Verbindungsglied zwischen Mario Draghi, Mario Monti und Lucas Papadémos, Le Monde online-Meldung vom 14.11.2011

Originaltitel: Goldman Sachs, le trait d’union entre Mario Draghi, Mario Monti et Lucas Papadémos, Mario Roche, Le Monde London-Korrespondent

Die amerikanische Geschäftsbank Goldman Sachs kehrt zu ihren Wurzeln zurück – nach Europa.

Was haben Mario Draghi, Mario Monti und Lucas Papadémos gemeinsam? Der neue Präsident der Europäischen Zentralbank, der designierte italienische Ministerpräsident und der neue griechische Ministerpräsident gehören in unterschiedlicher Stufung der europäischen „Sachs Regierung“ an.

Jedes Ausleseverfahren bedingt eine hierarchische Ordnung. Den ersten Preis bekommt, natürlich, Mario Draghi, Vizepräsident von Goldman Sachs Europa von 2002 bis 2005. Als zum Sozius aufgestiegener Mitgesellschafter war er für „Unternehmen und souveräne Staaten“ zuständig. In dieser Funktion war eine von Draghis Aufgaben, Finanz-Swap-Produkte an Staaten zu verkaufen. Diese Finanzprodukte ermöglichen Staaten die Versteckung von Teilen ihrer Schulden. Auf diesem Weg wurde die griechische Haushaltslegung geschönt.

Nach Draghi (auf den zweiten Platz) kommt Mario Monti, Goldman Sachs-Berater für internationale Angelegenheiten seit 2005. Auf dem dritten Platz landet schließlich der jüngst zum griechischen Ministerpräsidenten ernannte Lucas Papadémos, Präsident der griechischen Zentralbank von 1994 bis 2002. In dieser Eigenschaft war er an von Goldman Sachs initiierten Kontenfälschungen beteiligt. Der Verantwortliche für die Verwaltung der griechischen Staatsschuld ist übrigens der Goldman Sachs Ex-Trader Petros Christodoulos.

Zwei andere (Finanz-)Schwergewichte sind auch maßgeblich an der Euro-Krise (am Sturz des Euro) beteiligt, Otmar Issing, ehemaliger Präsident der Bundesbank und Jim O’Neill, Erfinder des BRICS-Konzepts, eines Projekts zum Aufspüren aufsteigender Märkte mit starkem Wachstumspotenzial (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika). Der Ire Peter Sutherland, ehemaliger Präsident von Goldman Sachs International und heute immer noch als Verwaltungsratsmitglied tätig, spielte eine Schlüsselrolle bei der Rettung Irlands.
Schließlich noch Paul Deighton, 22 Jahre lang bei Goldman Sachs beschäftigt und zurzeit Generaldirektor des Organisationskomitees der Olympischen Spiele 2012 in London. Er hat quasi die rote Laterne (in der Hierarchie), denn… Sport und Familie laufen außer Konkurrenz.

(…)

Mario Draghi behauptet, er habe, nachdem er 2002 seine Funktion bei Goldman übernahm, nichts mit griechischen Konten-Fälschungen zu tun gehabt, die zwei Jahr zuvor inszeniert wurden. Er trat 2005 von seinem Amt zurück, d.h. ein Jahr bevor Goldman Sachs einen Teil der fraglichen Swap-Papiere an die National Bank of Greece, die führende Geschäftsbank des Landes, verkaufte. Diese leitete damals ein anderer alter Goldman, Petros Christodoulos, heute, wie schon oben erwähnt, Verantwortlicher für die Verwaltung der griechischen Staatsschuld.


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