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Titel: Ehre, wem Ehre gebührt

Datum: 1. März 2012 um 13:27 Uhr
Rubrik: Bundespräsident, Lobbyismus und politische Korruption, Soziale Gerechtigkeit
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Deutschland ist diese Woche ein wenig englischer geworden. Auf der Insel kennt man das Problem mit der fürstlichen Apanage mal mehr, meist jedoch weniger honoriger Mitglieder des Königshauses nur allzu gut. Dank Christian Wulff hat nun auch Deutschland ein Problem mit der standesgemäßen Honorierung eines nicht honorigen Mannes. Mit rechten Dingen geht es dabei nicht zu, verstößt der Ehrensold für den ehemaligen Bundespräsidenten doch gegen Wortlaut und Sinn des Gesetzes. Mehr noch – die Anerkennung des Ehrensolds ist ein Schlag ins Gesicht der normalen Bürger und ein Schritt zurück in feudale Zeiten. Von Jens Berger

Um das Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten (BPräsRuhebezG) zu verstehen, muss man einen Blick auf die Nachkriegszeit werfen – nicht in die Zeit nach dem Zweiten, sondern in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Das heutige Gesetz fußt nahezu wörtlich auf den 1922 verabschiedete Gesetz über das Ruhegehalt des Reichspräsidenten, in dem auch der „Ehrensold“ zum ersten Mal für nicht-militärische Staatsdiener eingeführt wurde. Nun muss man wissen, dass der erste Reichspräsident der Weimarer Republik, Friedrich Ebert, ein – vorsichtig ausgedrückt – lockeres Verhältnis zu seiner Besoldung hatte. Eberts Besoldung als Reichspräsident entsprach mit 150.000 Reichsmark rund dem 150fachen Lohn eines damaligen Fabrikarbeiters und war von Beginn an für die Bevölkerung ein Reizthema. Der gelernte Sattler-Geselle wollte – auch finanziell – auf gleicher Augenhöhe mit seinen großbürgerlichen politischen Konkurrenten verhandeln und dies auch durch eine lebenslange großbürgerliche Besoldung unterstreichen. Die „Lex Ebert“ wurde 1953 in einer geringfügig abgeänderten Version von der jungen Bundesrepublik übernommen. Erst heute, also fast 90 Jahre nach der Verabschiedung im Reichstag, wird dieses Gesetz wieder zu einem politischen Zankapfel.

Der heutige Ehrensold besteht nicht nur aus den 199.000 Euro Jahresbesoldung, sondern auch noch aus geldwerten Leistungen, wie einem Dienstwagen samt Fahrer, und einem Büro samt Sekretärin. Es geht also nicht um 199.000 Euro, sondern um rund 300.000 Euro per anno. Das ist schon eine stolze Summe. Hat Christian Wulff einen Ehrensold verdient? Nach den Buchstaben des Gesetzes nicht. Ein solcher Ehrensold steht einem Präsidenten in drei Fällen zu. Er beendet seine Amtszeit und wird abgelöst, er scheidet aus gesundheitlichen Gründen aus, oder aber er demissioniert aus politischen Gründen. Diese politischen Gründe macht nun Wulff für sich geltend. Nach Ansicht verschiedener Staatsrechtler ist diese Argumentation jedoch rechtlich nicht haltbar.

Siehe dazu: Hans Herbert von Arnim – Warum der Bundespräsident nicht zurücktreten kann [PDF – 85 KB]

Von Arnims Ausführungen sind überzeugend. Christian Wulff ist nicht zurückgetreten, weil es einen unüberwindbaren politischen Konflikt mit anderen Verfassungsorganen gab, sondern weil er das Amt aufgrund der laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vor Schaden bewahren wollte. Das ist die offizielle Version, inoffiziell ging es natürlich vor allem darum, diesem entwürdigenden Spiel um die Schnäppchenjagd des Präsidenten und seine eigenwillige Amtsauffassung ein Ende zu bereiten. Dies sind jedoch keine politischen, sondern persönliche Gründe. Der Ehrensold ist auch keine herkömmliche Pension für ehemalige Staatsdiener, sondern ein besonderes Zugeständnis an die politisch und moralisch äußerst prägnante Funktion eines Bundespräsidenten.

Ein ehemaliger Bundespräsident soll – so der Gedanke des Gesetzes – nicht aus ökonomischen Zwang heraus profanen Tätigkeiten nachgehen müssen, die mit der Ehre des Amtes nicht vereinbar sind. Dies mag für Präsidenten, die das Amt in Ehren ausgefüllt haben, ja auch vertretbar sein. Christan Wulff wurde jedoch mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt. Er hat gezeigt, war er von Ehre hält – nämlich nichts. Nicht nur aus juristischen, sondern auch aus moralischen Gründen heraus ist der Ehrensold für Christian Wulff eine einzige Farce.

Dem Gesetz nach gibt es keine Regelung, wer über die Frage zu entscheiden hat, ob einem zurückgetretenen Präsidenten der Ehrensold zusteht. In der Praxis hat es sich eingebürgert, dass diese Entscheidung vom Bundespräsidialamt getroffen wird. Diese Regelung ist vor allem in der Causa Wulff nicht hinzunehmen. Der Chef des Bundespräsidialamtes ist ein gewisser Lothar Hagebölling. Hagebölling wurde im Juni 2010 von Christian Wulff in diese Position befördert. Zuvor war er Chef der Staatskanzlei des Landes Niedersachsen und somit ein direkter Vertrauter von Wulff. Dass Hagebölling seinem Förderer nicht den Ehrensold verweigert, ist natürlich klar. Einen besonderen Hautgout hat in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass Hageböling als ehemaliger Chef der niedersächsischen Staatskanzlei – z.B. wegen des Nord-Süd-Dialogs – selbst im Fokus der Ermittlungen steht.

Es ist in Zeiten von prekären Arbeitsverhältnissen, Hartz IV und einer unnachgiebigen arbeitsrechtlichen Rechtsprechung für Bagatelldelikte ganz einfach nicht zu vermitteln, warum ein raffgieriger Berufspolitiker für eineinhalb Jahre Arbeit lebenslang eine Apanage bekommen soll, die dem 72fachen eines Hartz-IV-Regelsatzes entspricht. Christian Wulff ist ein Fanal für die moralische Bankrotterklärung der politischen Eliten. Um die Politikerverdrossenheit nicht noch weiter anzufachen und damit einen Flächenbrand auszulösen, ist es für jeden Politiker – gleich welcher Parteizugehörigkeit – geboten, sich gegen den Ehrensold für Christian Wulff auszusprechen.

Hätte Christian Wulff auch nur einen Hauch verbliebener Ehre, würde er von sich aus auf den Ehrensold verzichten. Dies kommt für einen ehrlosen Schnäppchenjäger wie Wulff natürlich nicht in Frage. Daher wäre es auch politisch geboten, über Wulffs Ehrensold im Bundestag abzustimmen. Dann könnte das Volk sich ein Bild machen, was seine Vertreter von der fürstlichen Apanage für einen ehrlosen Ex-Präsidenten halten. Dies ist die Politik dem Volk schuldig.


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