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Titel: Man sollte den Zynismus, die Menschenfeindlichkeit und die Macht der neoliberalen Clique nicht unterschätzen

Datum: 9. Mai 2012 um 10:46 Uhr
Rubrik: Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Neoliberalismus und Monetarismus, Schulden - Sparen
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Der Österreicher Robert Misik hat in seinem Blog über „Die Weisheit der griechischen und französischen Wähler“ hoffnungsvolle Worte von Paul Krugman zitiert und dann angemerkt, „die Protagonisten der neoliberalen Kamikaze-Politik“ würden „natürlich nicht so einfach abrücken von ihren Vodoo-Ideen von der ‚Genesung durch Leiden’, aber ab jetzt führen sie Rückzugsgefechte“. – Wenn man sich die Szene bei uns im Land anschaut einschließlich der Attacken auf die betreffenden Völker und ihre dort bei den Wahlen erfolgreichen Politiker, wenn man sich einige Medienereignisse wie Jauch am vergangenen Sonntag anschaut oder die medialen Orgien zur Feier der angeblichen deutschen Sparpolitik, dann merkt man leider nichts von Rückzugsgefechten. Man muss davon ausgehen, dass die Vertreter der neoliberalen Ideologie – und dazu gehören die maßgeblichen Politiker hierzulande -, zynisch an ihrer Ideologie festhalten und ihnen das Wohl und Wehe der betroffenen Menschen schnurz egal ist. Albrecht Müller.

Das war bisher schon so. Die deutsche Seite hat zynisch diagnostiziert, dass man mit den Parolen „sparen“, „Reformen“ und „Exportweltmeister“ und mit einer damit verwobenen herablassenden Feindseligkeit gegenüber anderen Völkern, die angeblich über ihre Verhältnisse leben, in Deutschland Zustimmung erzielen und Mehrheiten gewinnen kann. Dass die empfohlenen Rezepte gar nicht wirken und stattdessen die Volkswirtschaften in Griechenland, in Portugal oder in Spanien hart treffen und Millionen von Menschen in die Arbeitslosigkeit und Insolvenz schicken, hat sie nicht gekümmert. Die potentielle Mehrheitsfähigkeit in Deutschland war der eigentliche Leitfaden ihrer Politik. Daran hat sich nichts geändert. Rückzugsgefechte sehen anders aus.

Es hat sich auch daran nichts geändert, dass diese politisch Verantwortlichen ohne Hemmungen die Spekulanten für ihre politischen Interessen einsetzen. Jetzt z.B. werden wie schon bei den seit 2010 turnusmäßig aufgelegten Rettungspaketen die Finanzmärkte und die dort Spekulierenden gegen die Wahlsieger in Frankreich und Griechenland mobilisiert. Auch das ist der reine Zynismus, vor allem ein zynischer Umgang mit dem Grundgedanken der Demokratie.

Anlage:
Auszüge aus Robert Misiks „Die Weisheit der griechischen und französischen Wähler“:

Eine Botschaft, die uns alle irgendwie aufrüttelt, wie aus einem seltsamen Alptraum. Bloß, wir sind jetzt wach, aber ob der Alptraum wirklich vorbei ist, das wissen wir noch nicht so genau. 
Die Franzosen haben für einen Kurswechsel gestimmt. Die Griechen haben ihr Land praktisch unregierbar gemacht, aber doch eine klare Botschaft gesendet: „Weiter so” wie sich das die neoliberalen Hardliner vorgestellt hatten, das ist nicht mehr.

Dieser Wahlsonntag war eine Detonation. Jetzt sitzen wir im Rauch, der sich langsam lichtet. Wenn die Schwaden verzogen sind, werden wir sehen, dass nichts mehr so ist wie vor zwei Tagen.

Klar, die Protagonisten der neoliberalen Kamikaze-Politik werden natürlich nicht so einfach abrücken von ihren Vodoo-Ideen von der „Genesung durch Leiden”. Aber ab jetzt führen sie Rückzugsgefechte. Und das bedeutet immerhin, wie Paul Krugman formulierte, 

that both the euro and the European project now have a better chance of surviving than they did a few days ago.


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