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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Bundesregierung sieht kein Problem in Kampfausbildung für deutsche Neo-Nazis durch ukrainische Armee
Datum: 22. Mai 2025 um 13:00 Uhr
Rubrik: Militäreinsätze/Kriege, Rechte Gefahr
Verantwortlich: Florian Warweg
Das „Deutsche Freiwilligenkorps“ (DFK), welches sich vor allem aus dem Umfeld der Neonazi-Partei „Der 3. Weg“ rekrutiert, wurde kürzlich offiziell in die ukrainische Armee integriert, genauer in das 49. Sturmbataillon „Karpaten-Sitsch“. Mit der Integration des Freiwilligenkorps in die offiziellen Strukturen der ukrainischen Armee gehen der Zugang zu westlichen Waffen und Ausbildung nach NATO-Standard einher. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob es Kanzler Merz beunruhigt, dass jetzt Dutzende gewaltbereiter deutscher Neo-Nazis von der ukrainischen Armee ausgebildet und mit Waffen aus US- und EU-Produktion versorgt werden und ob Kiew die Bundesregierung vor diesem Schritt informiert hat. Die „Antwort“ wird selbst hartgesottene BPK-Zuschauer überraschen. Von Florian Warweg.
Hintergrund
Seit April 2025 gehört das „Deutsche Freiwilligenkorps“ (DFK), wie die auf rechtsradikale Bewegungen in der Ukraine spezialisierte Journalistin Susann Witt-Stahl für die junge Welt berichtet („Kiew gliedert deutsches Neonazikorps in die reguläre ukrainische Armee ein“), dem 49. Sturmbataillon „Karpaten-Sitsch“ der ukrainischen Bodentruppen an. „Karpaten-Sitsch“ wiederum wurde 2014 nach dem Maidan-Putsch (siehe hierzu den NDR-Panorama-Beitrag von März 2014 „Putsch in Kiew: Welche Rolle spielen die Faschisten?“) von Mitgliedern der rechtsradikalen Swoboda-Partei und der Wehrsportgruppe „Sokil“ als Freiwilligeneinheit gegründet, zwischenzeitlich aufgelöst, 2022 reaktiviert und in die ukrainische Armee integriert.
Der Kampf gegen „Putins Neobolschewiken“
Das DFK rekrutiert sich bis heute aus dem Umfeld der rechtsradikalen Partei „Der III. Weg“, die 2013 von ehemaligen NPD-Funktionären gegründet wurde. Die Neo-Nazis des III. Weges unterhalten seit Jahren enge Kontakte zu Swoboda, Sokil sowie zur Asow-Bewegung. Deren Chef Matthias Fischer zieht auf Reden regelmäßig über „Putins Neobolschewiken“ her und bittet um Spenden, „damit unsere Truppen da drüben besser dastehen“. Das Asow-Regiment wird als „bewaffneter Arm der nationalen Bewegung, der sich in einem heldenhaften Kampf um die Freiheit“ befinde, gepriesen. Russland dagegen wird in Publikationen und Reden des III. Wegs als „Vielvölkerstaat“, in dem Asiaten, Juden und Muslime ihren Platz hätten, gegeißelt. Die Nationalisten in der Ukraine hätten mittelfristig das größte Potenzial in Europa, so eine weitere Begründung der rechtsextremen Partei für die materielle und personelle Unterstützung. Die dem deutschen Innenministerium unterstehende Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) definiert die Partei als „eine rechtsextreme Partei in Deutschland mit neonazistischer Prägung“ und erklärt in einer Publikation von 2024:
„Der Verfassungsschutz warnt seit Jahren vor der gefährlichen Rolle, die die Neonazi-Partei spielt…“
Häuserkampftraining für deutsche Neonazis
Aus diesem Umfeld rekrutiert sich wie schon angesprochen das DFK, welches jetzt in die offiziellen Strukturen der ukrainischen Armee aufgenommen wurde.
Deren Gründer und Sprecher Stephan K. versprach in diesem Zusammenhang in einem Video zur Werbung von DFK-Kämpfern für den Krieg in der Ukraine:
„Ihr erhaltet eine komplette Ausrüstung, technisches Training, medizinische Versorgung und Vorbereitung für den Häuserkampf.“
Das aus Neonazis bestehende "Deutsche Freiwilligenkorps" in der #Ukraine kämpft dort weiterhin für ihr Projekt eines "weißen Europas". Ein Kämpfer posiert hier nicht nur mit dem rassistischen Slogan der sog. "fourteen words", sondern auch mit dem IB-Slogan "Defend Europe". https://t.co/f0lcBxuyO2 pic.twitter.com/aNIXcSAJ73
— Rechercheplattform zur Identitären Bewegung (@IbDoku) October 9, 2023
Dass DFK gratulierte auf seinem offiziellen Social-Media-Kanal am 20. April dieses Jahres, da war es bereits in die ukrainische Armee integriert, Adolf Hitler ganz selbstverständlich zum Geburtstag („Wiegenfest“).
Zum 8. Mai veröffentlichte das DFK eine Erklärung, in der man verkündete, dass man in Deutschland den 8. Mai 1945 nicht vergessen habe und verlangte vom deutschen Volk „selbigen Mut, selbige Treue, selbige Opferbereitschaft“, wie sie einst Hitlers Soldaten bewiesen hätten – „für eine strahlende Zukunft im Glanze der alten Herrlichkeit“. Desweiteren wurde auf dem Telegram-Kanal des „Korps“ anlässlich des 80. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs ein Archiv-Foto von 1945 veröffentlicht mit dem Slogan „Wir kapitulieren nie“ und dem Kommentar „Der Kampf geht weiter“.
Gegenüber den NachDenkSeiten erklärte Witt-Stahl, angesprochen auf ihre Bewertung der entsprechenden Antwort der Bundesregierung in der BPK vom 21. Mai:
„2024 hatte die Bundesregierung diesen Kräften noch „eine (abstrakte) Gefährdungsrelevanz“ bescheinigt, nun ist diese sehr konkret. Als lupenreine Hitlerfaschisten wollen die DFK-Kämpfer wettmachen, was die Rote Armee vor 80 Jahren vorerst beendet hatte – nur dieses Mal mit hochmodernen Waffen, die ihnen NATO-Länder zur Verfügung stellen: Ihr Bataillon ist beispielsweise mit US-amerikanischen schweren Maschinengewehren Browning M2 und Maschinengranatwerfern Mk 19 ausgerüstet.“
Reichsbürger-Opis pfui – Kampfausbildung und NATO-Waffen für deutsche Neonazis hui?
Vor dem skizzierten Hintergrund des DFK mutet es mindestens bizarr an, mit welcher Indifferenz die Bundesregierung Fragen nach diesen deutschen Neo-Nazis und deren Kampfausbildung durch die ukrainische Armee abwimmelt. Was denkt Kanzler Merz eigentlich, wohin diese Neo-Nazis mit dann umfangreicher Kampferfahrung und Ausbildung zurückkehren, wenn der Krieg in der Ukraine oder auch nur deren Kampfeinsatz gegen „Putins Neobolschewiken“ zu Ende geht?
Wirklich absurd wird die Haltung von Regierungssprecher und Auswärtigem Amt allerdings, wenn man bedenkt, mit welchen verbalen und rechtlichen Geschützen man die Verhaftung der Reichsbürger-Opas und -Omas begleitet hat. In dem Fall war jedes gefundene Jagdgewehr aus dem 19. Jahrhundert Beleg für die Gefährlichkeit der „Staatsstreich“-Pläne dieser Gruppe. Wenn aber junge, hochideologisierte deutsche Neo-Nazis Kampfausbildung und Erfahrung in der ukrainischen Armee erhalten – dann herrscht plötzlich Schweigen im Walde.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 21. Mai 2025
Frage Warweg
Das Deutsche Freiwilligenkorps, welches sich vor allem aus dem Umfeld der Neonazipartei Der III. Weg rekrutiert, wurde kürzlich offiziell in die ukrainische Armee integriert, genau in das 49. Sturmbataillon „Karpaten-Sitsch“, welches wiederum 2014 von der rechtsradikalen Swoboda-Partei gegründet wurde. Mit der Integration dieses Freiwilligenkorps in die ukrainische Armee hätten die Neonazis dann zumindest laut dem Sprecher Zugang zu aus EU und USA gelieferten Waffen sowie zu Ausbildung nach NATO-Standard. Insbesondere das Häuserkampftraining wurde hervorgehoben. Da würde mich interessieren: Beunruhigt es den Kanzler eigentlich, dass jetzt dutzende gewaltbereite deutsche Neonazis von der ukrainischen Armee mit westlichen Waffen und Militärausbildung nach NATO-Standard versorgt werden? Wenn ja, was plant er dagegen zu unternehmen?
Regierungssprecher Kornelius
Der Bundeskanzler hat keine Kenntnis vom Einsatz dieser Einheiten und vor allem nicht von ihrer Bewaffnung.
Zusatzfrage Warweg
Hat die ukrainische Seite eigentlich vor dieser Integration in die offiziellen Strukturen der ukrainischen Armee, die im April standfand, die deutsche Seite darüber informiert? Die Frage geht im Zweifel an das Auswärtige Amt. Der Kanzler ist ja anscheinend nicht informiert.
Wagner (AA)
Herr Warweg, ich kann dazu nichts sagen, weil ich diesen Bericht nicht kenne. Was uns aber in der Ukraine beunruhigt, ist der fortwährende russische Angriff auf die Ukraine; denn es ist ja so, dass Russland ungehindert aller Gespräche, die laufen, weiterhin die Ukraine jeden Tag mit Drohnen- und Bombenangriffen überzieht. Das ist, glaube ich, das wirklich Beunruhigende an diesem Konflikt.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 21.05.2025
Wieso traf sich der Leiter des Bundeswehr-Planungsstabs mit rechtsradikalem Asow-Kommandeur Romanow?
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
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