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Titel: Feuer frei auf Russland: Bundeskanzler Merz setzt Deutschland Kriegsgefahr aus
Datum: 27. Mai 2025 um 12:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Militäreinsätze/Kriege
Verantwortlich: Redaktion
Wo politische Vernunft und Anstand enden, beginnt die deutsche Russlandpolitik. Gestern gab Friedrich Merz bekannt, dass es keine Reichweitenbeschränkung mehr für von Deutschland an die Ukraine gelieferte Waffen gibt. Damit kann die Ukraine nun Ziele tief in Russland treffen. Merz machte die Entscheidung auf einem Podium sitzend bei einer Veranstaltung öffentlich – und nicht etwa im Parlament, wo etwas so Weitreichendes hingehört. Merz‘ Auftreten folgt einem Kalkül. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Friedrich Merz besuchte am Montag das Internationale WDR Europaforum in Berlin. Dort setzte er sich zum Gespräch mit einem Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf ein Podium und sagte: „Es gibt keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind.“ Mimik und Gestik wirken – Merz typisch – so, als spräche hier einer eine banale Selbstverständlichkeit aus. Doch in Wirklichkeit hat Merz eine politische Bombe platzen lassen.
Denn die Aussage von Merz bedeutet zweierlei. Erstens gestattet die Bundesrepublik Deutschland nun der Ukraine, Ziele tief im Innern Russlands mit deutschen Waffen zu treffen. Zweitens liegt es nahe, dass Deutschland der Ukraine auch Taurus-Raketen liefern wird – oder haben Politiker hinter den Kulissen bereits Taurus freigegeben? Die Frage drängt sich zumindest auf, wenn man berücksichtigt, dass erst vor kurzem bekanntgegeben wurde, man wolle aus strategischen Gründen nicht mehr öffentlich kommunizieren, welche Waffen der Ukraine zur Verfügung gestellt werden.
Ob mit oder ohne Taurus: Diese Entscheidung trifft Russland. Und das auf eine dumme Weise, die Diplomatie, Vernunft und auch dem politischen Anstand trotzt. Dumm deshalb, weil diese Entscheidung Russland ohnehin nicht so weit schwächen kann, dass das Land den Krieg zu den Bedingungen der NATO akzeptieren würde. Und dumm deshalb, weil auf diese Weise eine noch weitere Eskalation zu erwarten ist. Wobei hier rasch einzuschränken ist: Von „Dummheit“ zu sprechen, wäre gefällig. Denn: So dumm kann die Regierung samt ihrer klugen Zuträger gar nicht sein, um diese einfachen Einsichten zu verkennen. Anders gesagt: Die Entscheidung verbreitet förmlich jenen Geruch, der seit langem die Beziehungen zwischen westlicher und russischer Politik umgibt. Es ist der Geruch eines Feuers, das immer weiter angefacht wird. Echte Diplomatie scheint nicht gewollt.
Dass bei diesem politischen Grundtakt eine anstandslose Politik herauskommt, ist erwartbar. In Anbetracht von Millionen durch die Wehrmacht getöteter russischer Soldaten und Zivilisten im 2. Weltkrieg ist die aktuelle Entscheidung ein weiterer Akzent einer Politik von historischer Asozialität. Deutsche Panzer im Kampf gegen Russen? Längst Realität. Deutsche Waffen im Kampf gegen russische Soldaten? Längst Realität. Deutsche, weitreichende Waffensysteme, die Ziele tief in Russland treffen? Das wird nun zur Realität.
Der deutschen Politik darf man eines nicht unterstellen: Ahnungslosigkeit. Das wird auch noch mal durch den Auftritt von Merz deutlich. Politik, das wissen wir alle, ist auch Inszenierung. Politik ist Kalkül. Merz‘ Auftritt auf dem Europaforum zeigt beides deutlich. Nach außen wirkt der Auftritt von Merz so, als ginge es bei der Entscheidung, die begrenzte Reichweite der Waffen aufzuheben, um eine Petitesse. Das ist sie aber keinesfalls. Im Gegenteil: Im schlimmsten Fall könnte die Entscheidung Deutschland in einen Krieg mit Russland ziehen. Mit anderen Worten: Viel weitreichender als das, was Merz gesagt hat, geht es kaum. Und genau deshalb verkündet Merz die Nachricht an einem Ort und in einem Präsentationsmodus, der die Ungeheuerlichkeit der Aussagen abdämpft und letztlich zu verschleiern versucht.
Eine Entscheidung, die unterm Strich das Leben von über 80 Millionen Bundesbürgern betrifft, gehört in das Parlament. Unfreiwillig unterstreicht Merz hier etwas, was ohnehin vielen längst klar ist: Die deutsche Russlandpolitik, die Politik der Kriegstüchtigkeit und die Politik der Waffenlieferungen geht an den Interessen Deutschlands vorbei. So gesehen ist es nur konsequent, dass die Bekanntgabe der Entscheidung außerhalb des Bundestages erfolgt.
Titelbild: Ryan Nash Photography / Shutterstock
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