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Titel: Leserbriefe zu „„Hat es nicht gegeben …“ – Desinformation von Außenminister Wadephul gegenüber dem Bundestag“
Datum: 13. Juni 2025 um 15:00 Uhr
Rubrik: Leserbriefe
Verantwortlich: Redaktion
In diesem Beitrag wird die Aussage von Bundesaußenminister Wadephul hinterfragt, es habe im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung keine entsprechende Zusage gegeben, die NATO nicht nach Osten auszudehnen. Florian Warweg hat z.B. gefragt, „ob dem amtierenden Außenminister unter anderem die protokollierte Erklärung des damaligen Politischen Direktors des Auswärtigen Amtes, Jürgen Chrobog, vom 6. März 1991 bekannt ist“. Wir danken für die interessanten Leserbriefe. Christian Reimann hat für Sie die nun folgende Auswahl zusammengestellt.
1. Leserbrief
Liebes Team der Nachdenkseiten,
ergänzend zum Artikel von Florian Warweg schicke ich Ihnen einen Link zum amerikanischen Nationalen Sicherheitsarchiv: nsarchive.gwu.edu/document/16116-document-05-memorandum-conversation-between
Hier findet sich das Gesprächsprotokoll zwischen dem damaligen US-Außenminister James Baker und Präsident Michail Gorbatschow sowie Eduard Schewardnadse.
Die entscheidenen Sätze zur Nichtausweitung der NATO nach Osten finden sich auf Seite 6 zu Beginn des 2. Absatzes.
Dieses Dokument wurde offensichtlich aufgrund einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz veröffentlicht und ist sicher für alle Leser interessant.
Es kann auch als PDF heruntergeladen werden.
Viele Grüße
von Ihrem treuen Leser Michael Gerke
2. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Warweg,
Sie schreiben:
„Wir haben in den Zwei-plus-vier Verhandlungen deutlich gemacht, dass wir die Nato nicht über die Elbe (sic! gemeint ist wohl die Oder) hinaus ausdehnen. Wir können daher Polen und den anderen keine Nato-Mitgliedschaft anbieten.“
Laut dem Zwei-plus-Vier-Vertrag dürfen auf das Gebiet der ehemaligen DDR weder ausländische Soldaten verlegt noch dort stationiert werden (Völkerrechtswidrige NATO-Kommandozentrale in Rostock? Die fragwürdigen Ausreden der Bundesregierung). Insofern ist die “Elbe” durchaus eine plausible Grenze.
Freundliche Grüße
Hajo Zeller
3. Leserbrief
„Wir haben in den Zwei-plus-vier Verhandlungen deutlich gemacht, dass wir die Nato nicht über die Elbe (sic! gemeint ist wohl die Oder) hinaus ausdehnen. Wir können daher Polen und den anderen keine Nato-Mitgliedschaft anbieten.“
Einspruch! Chrobog meinte mit ziemlicher Sicherheit tatsächlich die Elbe. Hintergrund ist eine in der alten Bundesrepublik vielbenutzte Metapher, mit der die DDR als “Gebiet östlich der Elbe” umschrieben wurde. Geografisch war das natürlich immer schon Unsinn, da die Elbe diagonal durch die DDR verlief, und diese in zwei Hälften teilte, nicht Deutschland. Aber das hat sich in den Köpfen etwa westlicher Journalisten derart festgesetzt, daß sie sogar über einen “Rückzug der US-Truppen aus den Gebieten östlich der Elbe” im Jahr 1945 schreiben (so gelesen im Spiegel), ohne etwas zu merken. Denn tatsächlich waren die US-Truppen nie östlich der Elbe. Vielmehr trafen sich dort sowjetische und US-Truppen mit Ende des Krieges.
Und übrigens gehen die Vereinbarungen des 2+4-Vertrages über die (nicht schriftlich fixierten) Zusicherungen, die NATO nicht nach Osten zu erweitern, noch hinaus, indem sie zwar die Bundeswehr als Teil der NATO im Gebiet der ehemaligen DDR zuließen, nicht jedoch explizite NATO-Truppen oder solche aus anderen (NATO-) Staaten! Das spielte ja neulich eine Rolle, als in Rostock das neue NATO-Kommando CTF Baltic eröffnet wurde, das kurz danach plötzlich nicht mehr so genannt werden durfte, da im 2+4-Vertrag klar steht: “Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil Deutschlands weder stationiert noch dorthin verlegt.”
“Bruch des Zwei-plus-Vier-Vertrags? Pistorius eröffnet NATO-Hauptquartier in Rostock”
Und da wären wir ja wieder “östlich der Elbe”! ;-)
Grüße, und weiter so!
Ole
4. Leserbrief
Guten Tag NDS und Herr Warweg
Sehr geehrter Herr Warweg ich bewundere ja ihr Durchhaltevermögen in der BPK.
Die BPK betrachte ich nur noch als Satire Veranstaltung.
Ernst kann man das nicht mehr nehmen.
Irgendwann wird einer in der BPK behaupten die Erde ist eine Scheibe und Kühe können fliegen.
Dann werden sie Herr Warweg antworten.
Das ist von tausenden Wissenschaftlern weltweit belegt das die Erde eine Kugel ist
Dann sollten Sie weiter antworten.
Vorsicht am Rand gibt es kein Geländer oder Zaum.
Dumme könnten runterfallen und dann im Universum verschwinden und mit den fliegenden Kühen Zusammenstoßen.
Das ist mein Sarkasmus.
Nur so ist das zu ertragen.
MfG Dieter Klaucke
5. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Warweg,
die Zusage, dass der Westen die NATO nicht in Richtung Osten erweitern wird, gab es nie! Diese These ist ein Legende. Sie ist vielfach widerlegt worden (Stefan Creuzberger: Die Legende vom Wortbruch. Russland, der Westen und die NATO-Osterweiterung, in: Osteuropa, 3/2015, S. 95–108.). Auch die Zusicherungen des damaligen US-Außenministers James Baker waren mit Washington nicht abgesprochen, das angebliche „Versprechen“ wurde nirgendwo verbindlich fixiert und Michail GorbaÄ�ev (sic!) versicherte 1990, dass die Staaten Ostmitteleuropas das Recht hätten, sich um Aufnahme in die NATO zu bemühen (Mary Sarotte: Not One Inch. America, Russia, and the Making of Post-Cold War Stalemate. New Haven 2021.). Die kürzlich erschienene umfassende Studie der Historikerin Mary Sarotte zeigt, wie kompliziert das Ringen um eine europäische Sicherheitsordnung Ende der 1980er Jahre und in den 1990er Jahren war. Weder in Washington noch in Moskau bestand in dieser Frage zu Beginn der 1990er Jahre Einigkeit. Während GorbaÄ�ev 1990 das Recht auf freie Bündniswahl auch eines wiedervereinigten Deutschlands betonte, waren seine Berater darüber entsetzt (Sarotte, Not One Inch [Fn. 45], S. 87.). In ihrem Fazit weist Sarotte zwar darauf hin, dass in den 1990er Jahren eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur unter Einschluss Russlands scheiterte. Doch sie erinnert daran, dass es Entscheidungen in Moskau in dieser Zeit waren – die Beschießung des Parlaments 1993 und der erste Tschetschenienkrieg – die eine sicherheitspolitische Kooperation mit dem Westen erschwerten.
Kurze Frage an Sie: in welchen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag steht der Verzicht auf die NATO-Osterweiterung? Selbst Putin hat 2001 noch gesagt, dass die Länder der ehemaligen Sowjetunion ihren Bündnispartner frei wählen können!
Freundliche Grüße
Martin Boremann
Anmerkung Florian Warweg:
Es ist korrekt, dass es keinen völkerrechtlich verbindlichen unterzeichneten und ratifizierten Vertrag gibt, in dem eine Nichtausdehnung der NATO versprochen wurde. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass, und dies ist umfassend dokumentiert und auch protokolliert worden, alle (!) relevanten westlichen Staatsführer (Reagan, Kohl, Mitterand und Thatcher) sowie deren jeweiligen Außenminister Gorbatschow mündlich sowie in Briefform zugesichert haben, dass es keine Ostausdehnung der NATO geben wird. Die umfassendste Dokumentation, die dies belegt, ist die im National Security Archiv an der George Washington University.
Und auch offizielle Protokolle und Briefe von Staatsoberhäuptern und Außenministern haben, wenn auch nicht im Umfang von ratifizierten Verträgen, eine völkerrechtlich verbindliche Wirkung.
6. Leserbrief
Geschätztes Nachdenkseiten-Team!
“Nicht wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt.”
Niccolò di Bernardo dei Machiavelli (1469 – 1527), italienischer Diplomat, Historiker und Philosoph der Renaissance.
Helmut Schmidt, 1993 im August:
„Wenn ich ein sowjetischer Marschall wäre oder ein Oberst, würde ich die Ausdehnung der NATO-Grenze, erst von der Elbe bis an die Oder und dann über die Weichsel hinaus bis an die polnische Ostgrenze, für eine Provokation und eine Bedrohung des Heiligen Russland halten. Und dagegen würde ich mich wehren. Und wenn ich mich heute dagegen nicht wehren kann, werde ich mir vornehmen, diese morgen zu Fall zu bringen“
Genscher wies am 6. Februar des gleichen Jahres bei einem Treffen mit dem britischen Außenminister Douglas Hurd darauf hin:
„Wir müssen den Russen zusichern, dass wir Polen nicht in die NATO aufnehmen, falls seine Regierung eines Tages den Warschauer Pakt verlässt.“
James Baker, damals US-Außenminister, versuchte Gorbatschows Bedenken einer NATO-Expansion nach Osteuropa aus dem Wege zu räumen. In dessen Beisein erklärte er am 9. Februar 1990 unmissverständlich:
„Wir verstehen, dass es nicht nur für die Sowjetunion, sondern auch für andere europäische Länder wichtig ist, Garantien zu haben, dass, wenn die Vereinigten Staaten ihre Präsenz in Deutschland im Rahmen der NATO beibehalten, sich der derzeitige militärische Hoheitsbereich keinen Zoll in Richtung Osten ausweiten wird.”
Einen Tag später versicherte der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl dem russischen Staatschef Michail Gorbatschow:
„Wir sind der Meinung, dass die NATO ihren Geltungsbereich nicht ausweiten sollte. Wir müssen eine vernünftige Lösung finden. Ich verstehe die Sicherheitsinteressen der Sowjetunion völlig, und mir ist klar, daß Sie, Herr Generalsekretär, und die sowjetische Führung dem sowjetischen Volk klar erklären müssen, was geschieht.“
NATO-Generalsekretär Manfred Wörner betonte in einer Rede am 17. Mai 1990:
„Allein die Tatsache, dass wir bereit sind, keine NATO-Truppen über das Gebiet der Bundesrepublik hinaus zu stationieren, gibt der Sowjetunion feste Sicherheitsgarantien.““
Dazu noch ein Auszug aus der Diskussion des sowjetischen Staatschefs Gorbatschow mit US-Außenminister Baker am 9. Februar 1990 bei der Baker es Gorbatschow freistellte, die Beantwortung der Frage aufzuschieben oder diese sofort zu beantworten
„Angenommen, die Wiedervereinigung findet statt, was würden Sie vorziehen: ein vereinigtes Deutschland außerhalb der NATO, absolut unabhängig und ohne amerikanische Truppen; oder ein vereinigtes Deutschland, das seine Verbindungen zur NATO beibehält, aber mit der Garantie, dass sich die Rechtsprechung oder die Truppen der NATO nicht östlich der gegenwärtigen Grenze ausbreiten werden?” (5i)
Gorbatschow antwortete sofort und unmissverständlich die Sicherheitsinteressen seines Landes zum Ausdruck bringend:
„[…] Wir beabsichtigen, alle diese Fragen auf der Ebene der Führung eingehend zu erörtern. Es versteht sich von selbst, dass eine Ausweitung der NATO-Zone nicht akzeptabel ist.“
Worauf Baker erwiderte: „Wir sind damit einverstanden.“
Zum Schluß: „Wenn man einen strategischen Gegner besiegen kann und das ohne den Einsatz von US-Truppen, ist das der Gipfel der Professionalität. Denn so können wir uns auf das konzentrieren, was wir gegen unseren Hauptgegner tun sollten, der momentan China ist. -Wenn wir dabei scheitern, müssen wir vielleicht einen weiteren europäischen Krieg führen, das wäre dann das dritte Mal.“
US-Generalleutnant a.D. Keith Kellogg, ehemaliger Berater von Vizepräsident Mike Pence, vor dem Streitkräfteausschuss des US-Senats am 20.3.2023
Siehe und höre dazu auch diese Anhörung im US-Senat im Original;
Zum Schluss lassen wir aber Albert Einstein zu Wort kommen:
„Frieden kann nicht mit Gewalt aufrechterhalten werden, er kann nur durch Verständnis erreicht werden!“
Am 31. Januar 1990 erklärte Hans-Dietrich Genscher, als Teilnehmer eines zweitägigen Treffens von bedeutenden Persönlichkeiten aus Politik und Kirchen, Kultur und Wirtschaft zur Frage der Zukunft der beiden deutschen Staaten, in einer langen Rede in der Akademie Tutzing u. a.:
„Sache der NATO ist es, eindeutig zu erklären: Was immer im Warschauer Pakt geschieht, eine Ausdehnung des Nato-Territoriums nach Osten, das heißt, näher an die Grenzen der Sowjetunion heran, wird es nicht geben. […] Der Westen muss auch der Einsicht Rechnung tragen, dass der Wandel in Osteuropa und der deutsche Vereinigungs-prozess nicht zu einer Beeinträchtigung der sowjetischen Sicherheitsinteressen führen dürfen.
Beste Grüsse!
Horst Unger
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