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Titel: Unterstützte ein Luftbetankungs-Airbus der Luftwaffe den israelischen Angriff gegen den Iran?
Datum: 17. Juni 2025 um 12:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Medienkritik, Militäreinsätze/Kriege
Verantwortlich: Florian Warweg
In den letzten Tagen gab es zahlreiche Berichte in den sozialen Netzwerken und in ausländischen Medien, dass ein Luftbetankungsflugzeug der deutschen Luftwaffe vom Typ Airbus A400M Atlas am 14. Juni während der Angriffswellen Israels gegen iranische Atomanlangen, Militärstellungen sowie gegen hochrangige Militärs und Wissenschaftler im Einsatz war. Unterstützt wird die Darstellung dadurch, dass zum fraglichen Zeitpunkt das Transponder-Signal dieses Luftwaffen-Flugzeugs mit der Registrierung 54+43 auf Flightradar24 im jordanischen Luftraum aufgefangen wurde. Die NachDenkSeiten fragten vor diesem Hintergrund nach, ob das Verteidigungsministerium die Präsenz eines Tankflugzeugs der deutschen Luftwaffe in Jordanien während der israelischen Angriffswelle gegen den Iran bestätigen könne und wenn ja, in welcher Mission dieses Flugzeug unterwegs war. Von Florian Warweg.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Hintergrund
Am 14. Juni berichteten zahlreiche vor allem englischsprachige Nutzer auf X und anderen sogenannten „Sozialen Netzwerken“ davon, dass am 14. Juni kurzzeitig das Transponder-Signal eines deutschen Tankflugzeuges im Luftraum von Jordanien auf Flightradar24 aufgefangen worden sei. Kurz danach hätte die Besatzung das Signal wieder abgeschaltet. Flightradar24 ist ein in Stockholm ansässiger Onlinedienst zur Echtzeit-Positionsdarstellung von Flugzeugen.
Einen Tag später, am 15. Juni, griffen dies auch deutschsprachige Nutzer auf, beispielhaft sei auf den Philosophie-Dozenten an der Northwestern University in Katar, Dr. Thorsten Menge, verwiesen:
Zu diesem Zeitpunkt hatten ebenso bereits mehrere Medien-Portale, insbesondere im Nahen Osten und der Türkei, das Thema aufgegriffen.
Die Reaktion im deutschen Mainstream
Wie leicht sich deutsche Mainstream-Medien bei diesem Thema abspeisen lassen, falls sie es überhaupt aufgriffen, belegt die Art der Berichterstattung bei ntv. Dort erklärte man seinen Lesern unter der Überschrift „Verwirrung um Flightradar-Bilder – Bundeswehr weist Spekulationen um Hilfe für Israel bei Iran-Krieg zurück“, es hätte laut Darstellung der Bundeswehr keinerlei Unterstützungsleistung für Israel gegeben, die Präsenz der Luftwaffen-Maschine in Jordanien und Irak sei „mandatskonform“, Deutschland unterstütze dort „die internationale Koalition im Kampf gegen das Terrornetzwerk Islamischer Staat im Rahmen der Mission „Inherent Resolve““. Als einzige Quelle für die Aussage und Einschätzung verweist ntv auf einen Blogeintrag des als bundeswehr-nah geltenden Bloggers und „Militärexperten“ Thomas Wiegold mit dem Titel „Keine militärische Unterstützung der Bundeswehr für israelische Angriffe auf Iran“.
Wiegolds dann von ntv wiedergegebene Einschätzung basiert wiederum lediglich auf den einzigen Satz, den er scheinbar von der Presseabteilung des Verteidigungsministeriums erhalten hatte:
„Deutschland ist nicht beteiligt an der derzeit laufenden Militärkampagne (Israels).“
Hier bleibt zunächst festzuhalten, dass ntv, statt, wie es journalistisch eigentlich geboten wäre, selbst beim Verteidigungsministerium nachzufragen, seine gesamte Berichterstattung zum Thema ausschließlich auf die Nachfrage und Angaben des erwähnten Bloggers basieren lässt.
Dass die Situation mitnichten so klar und unproblematisch („mandatskonform“) ist, wie ntv und der „Militärexperte“ Wiegold der deutschen Öffentlichkeit glauben machen wollen, belegen eindrücklich die Ausführungen des Sprechers des Verteidigungsministeriums (BMVg) auf die Nachfrage der NachDenkSeiten am 16. Juni, ob der Luftwaffen-Airbus denn französische, britische oder US-amerikanische Kampfflugzeuge betankte, die Israel dabei unterstützten, den iranischen Gegenschlag in Form von Drohnen und Raketen abzufangen. Ein Vorgang, der nicht vom Mandatstext für den Einsatz der Bundeswehr in Jordanien und Irak im Rahmen der UN-gestützten „Mission Operation Inherent Resolve“ (OIR) abgedeckt wäre und eigentlich ein neues Bundestagsmandat benötigt hätte. Denn das Bundestagsmandat beschränkt den Einsatz der Bundeswehr in Jordanien und Irak in Bezug auf die Luft-Betankung ausdrücklich auf den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ und die Ausbildung irakischer Soldaten: „Wiedererstarken des IS verhindern, Versöhnung in Irak fördern“.
Die Ausführungen des BMVg-Sprechers Harms lassen allerdings Zweifel aufkommen, ob das wirklich so mandatskonform umgesetzt wird. Auf die entsprechende Nachfrage der NachDenkSeiten erklärte dieser:
„Das Mandat lässt zu – das ist sogar der Auftrag -, dass unser Kampfflugzeug unsere Alliierten, die dort mit Kampfflugzeugen operieren, in der Luft mit Flugkraftstoff versorgen. Das machen wir auch regelmäßig. Wir haben in der Vergangenheit und auch in den letzten Wochen – so viel kann ich sagen – französische Kampfflugzeuge des Typs Rafale betankt. Natürlich ist Auftrag dieser Flugzeuge auch, unsere Kräfte, die alliierten Kräfte, die dort stationiert sind, zu schützen, und zwar im Rahmen von Selbstverteidigung. Wenn also der hypothetische Fall eintritt, dass die Piloten der Kampfflugzeuge, die dort im Einsatz sind, zu der Auffassung kommen, sie müssten entsprechend in Selbstverteidigung handeln, dann können sie das auch tun. Das ist durchaus legitim, und dem steht auch das Mandat nicht entgegen.“
Das heißt, das Argument der „Selbstverteidigung“ ließe sich sehr leicht instrumentalisieren, um damit die eigentlich notwendige Einholung eines neuen Bundestagsmandats zu umgehen. Denn natürlich hat die Unterstützung beim Abfangen von iranischen Raketen und Drohnen auf dem Weg nach Israel, wohlgemerkt dem Land, das diesen Krieg proaktiv begonnen hat, nichts mit der Mandatsbestimmung des Kampfes gegen den IS zu tun. Wenn man aber die Losung ausgibt, jede iranische Rakete und Drohne auf dem Weg nach Israel ist potenziell als eine Gefahr für die in Jordanien und Irak stationierten US-amerikanischen, französischen, britischen und deutschen Militärkontingente zu betrachten, dann ließe sich damit pro forma so ziemlich alles rechtfertigen.
Déjà-vu von 2024
Diese Art der Argumentation ist übrigens nicht neu. Als der Iran im April 2024 Israel in Reaktion auf den völkerrechtswidrigen israelischen Beschuss der iranischen Botschaft in Damaskus mit Raketen beschoss, hatten ebenfalls NATO-Kampfjets der OIR beim Abfangen der Raketen geholfen. Auf die Frage der damaligen BSW-Abgeordneten Zaklin Nastic, wie sich die Betankung mehrerer französischer Kampfjets durch die deutsche Luftwaffe während der Abwehr iranischer Raketen und Drohnen in der Nacht vom 13. auf den 14. April 2024 mit dem Mandat für OIR vereinbaren lasse, erklärte die Bundesregierung lapidar:
„Die betankten französischen Mehrzweckkampfjets des Typs Rafale waren im Rahmen der Mission Operation Inherent Resolve (OIR) als Combat Air Patrol zum Schutz des Luftraums OIR eingesetzt. Im Rahmen des Bundestagsmandats CD/CB-I 2023 (Bundestagsdrucksache 20/8341), ist die Unterstützung von Verbündeten durch Luftbetankung im Mandatstext als Aufgabe („Einsatzunterstützung durch Luftbetankung“) aufgeführt. Es handelte sich daher um einen mandatskonformen Betankungsauftrag.“
Auszug aus dem Wortprotokoll der Bundespressekonferenz vom 16. Juni 2025
Frage Warweg
Ich glaube, ich würde das Personaltableau gerne ein bisschen erweitern, und zwar um Herrn Harms. Es kursieren derzeit in den sozialen Netzwerken und auch in ausländischen Medien Berichte darüber, dass zum Zeitpunkt der israelischen Angriffe gegen den Iran am 14. Juni ein Luftbetankungsflugzeug vom Typ Airbus A400M Atlas der deutschen Luftwaffe in Jordanien im Einsatz war. Unterstützt wird die Darstellung auch durch das Auffangen eines Transpondersignals im jordanischen Luftraum auf Flightradar24. Können Sie denn die Präsenz eines Tankflugzeugs der deutschen Luftwaffe in Jordanien am 14. Juni während der israelischen Angriffswelle gegen den Iran bestätigen? Wenn ja, in welcher Mission war dieses Flugzeug unterwegs?
Harms (BMVg)
Herr Warweg, Sie wissen, dass wir ein Einsatzkontingent in Jordanien haben. Dort ist auch ein Tankflugzeug der Luftwaffe stationiert. Das führt dort einen Auftrag durch, der klar durch ein Mandat umrissen ist, das uns der Deutsche Bundestag gegeben hat. Ich möchte jetzt nicht so sehr ins Detail gehen, aber dieser Auftrag, den wir dort haben, hört ja jetzt nicht auf, weil Israel eine militärische Kampagne im Iran initiiert hat. Es gibt also weiterhin Luftbewegungen. Ich kann aber heute hier ganz klar sagen: Es hat keine Betankung israelischer Kampfflugzeuge durch Flugzeuge der deutschen Luftwaffe stattgefunden.
Zusatzfrage Warweg
Sie haben jetzt israelische Kampfflugzeuge so betont. Berichtsweise haben auch französische, britische und US-amerikanische Kampfflugzeuge versucht, iranische Drohnen und Raketen abzufangen. Können Sie denn auch umfassend ausschließen, dass das Luftwaffentankflugzeug in Bezug auf diese Flugzeuge im Einsatz gewesen ist? Das wäre ja genauso wenig vom Mandat gedeckt, das sich ausschließlich dem Kampf gegen den IS widmet.
Harms (BMVg)
Das Mandat lässt zu – das ist sogar der Auftrag -, dass unser Kampfflugzeug unsere Alliierten, die dort mit Kampfflugzeugen operieren, in der Luft mit Flugkraftstoff versorgen. Das machen wir auch regelmäßig. Wir haben in der Vergangenheit und auch in den letzten Wochen – so viel kann ich sagen – französische Kampfflugzeuge des Typs Rafale betankt. Natürlich ist Auftrag dieser Flugzeuge auch, unsere Kräfte, die alliierten Kräfte, die dort stationiert sind, zu schützen, und zwar im Rahmen von Selbstverteidigung. Wenn also der hypothetische Fall eintritt, dass die Piloten der Kampfflugzeuge, die dort im Einsatz sind, zu der Auffassung kommen, sie müssten entsprechend in Selbstverteidigung handeln, dann können sie das auch tun. Das ist durchaus legitim, und dem steht auch das Mandat nicht entgegen.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 16.06.2025
Ich will nie wieder das Wort „Völkerrecht“ hören
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