Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Kann Bundesregierung bestätigen, dass ein Drittel aller Einnahmen in Rüstung geht? – „Angesichts der russischen Aggression …“
Datum: 26. Juni 2025 um 13:00 Uhr
Rubrik: Aufrüstung, Finanzpolitik
Verantwortlich: Florian Warweg
Diese Woche hat Finanzminister Lars Klingbeil im Namen der Bundesregierung den Haushaltsentwurf 2025 sowie die sogenannte Eckpunkte-Planung bis 2029 vorgestellt. Daraus geht hervor, dass bis 2029 das Rüstungsbudget auf jährlich über 150 Milliarden Euro anwachsen soll. Die gesamten Bundeseinnahmen 2024 betrugen laut dem Bundesfinanzministerium 440 Milliarden Euro. Das hieße über ein Drittel aller Einnahmen des Bundes würden in naher Zukunft nur in militärische Aufrüstung fließen. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund von der Bundesregierung wissen, ob sie dieses Verhältnis so bestätigen kann und wenn ja, was das für andere gesellschaftliche Bereiche wie Soziales, Wirtschaft und Gesundheit bedeutet. Von Florian Warweg.
Hintergrund
Bei der Vorstellung des „zweiten Regierungsentwurfs für den Bundeshaushalt 2025, den Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes und die Eckwerte 2026 bis 2029“ tat Finanzminister Klingbeil so, als läge der Fokus des neuen Haushalts und der Eckpunkte bis 2029 auf gut finanzierten Schulen, Kitas und Krankhäuser. Im Wortlaut erklärte er:
„Wir ermöglichen damit einen dringend nötigen Modernisierungsschub für unser Land: für gute Schulen, Kitas und Krankenhäuser, für moderne Bahnstrecken, Brücken und Straßen, für den Klimaschutz und die Digitalisierung…“
Doch die tatsächlichen Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache: Während das Budget des Bundesverteidigungsministeriums (Einzelplan 14, rot umrandet) von 62,4 Milliarden Euro im Jahr 2025 innerhalb der nächsten vier Jahre um 144 Prozent auf sage und schreibe 152,8 Milliarden Euro ansteigen soll, stehen beispielsweise beim Gesundheits-und Wirtschaftsministerium milliardenschwere Einschnitte an (siehe Einzelplan 9 und 15).
35 Prozent aller Einnahmen des Bundes …
Die gesamten Bundeseinnahmen im Jahr 2024 beliefen sich laut Daten des Bundesfinanzministeriums auf 440 Milliarden Euro. Das geplante Militärbudget für 2029 von 152,8 Milliarden Euro entspräche damit Stand heute rund 35 Prozent der gesamten Bundeseinnahmen. Ein völlig absurdes Verhältnis:
Eine solche Ressourcenkonzentration auf den militärischen Sektor lässt umgehend Fragen der Verfassungskonformität dieser Maßnahme aufkommen. Denn wie bereits Thorsten Küllig in seinem Artikel „Der deutsche Sozialstaat – vom Winde verweht …“ anmerkt, legt das Grundgesetz fest, dass es sich bei der Bundesrepublik Deutschland (Artikel 20 Absatz 1) um einen „demokratischen und sozialen Bundesstaat“ handelt. Das heißt, der sogenannte Sozialstaatscharakter hat Verfassungsrang und sogar einen „besonderer Ordnung“, der gemäß Artikel 79 Absatz 3 Ewigkeitscharakter besitzt. Ein Aspekt, den das Bundesverfassungsgericht bei seinem sogenannten „Lissabon-Urteil“ vom 30. Juni 2009 nochmal ausdrücklich betont hat („Ewigkeitsgarantie“).
Wenn aber über ein Drittel aller Bundeseinnahmen in Aufrüstung fließen, dann gefährdet dies augenscheinlich den im Grundgesetz verankerten Sozialstaatscharakter der Bundesrepublik Deutschland. Denn langfristig angelegte Militärausgaben in dieser Höhe gehen nachweislich an die Grenze der (sozialen) Leistungsfähigkeit des deutschen Staates in seiner aktuellen wirtschaftlichen und finanziellen Verfasstheit.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 25. Juni 2025
Frage Warweg
Was ja besonders ins Auge fällt, ist der Einzelplan 14, sozusagen die Rüstungsausgaben, die von 62 Milliarden Euro – Stand 2025 – auf über 152 Milliarden Euro in 2029, zumindest als Eckwertangabe, ansteigen sollen. Jetzt betrugen die gesamten Bundeseinnahmen 2024, zumindest laut Angaben des Finanzministeriums, 440 Milliarden Euro. Das hieße, ein Drittel der gesamten Bundeseinnahmen würde in die Rüstungsausgaben fließen. Können Sie zum einen bestätigen, dass dem so ist, und wie wollen sie das in dieser Größenordnung tatsächlich nachhaltig finanzieren?
Kall (BMF)
Die Zahlen können Sie der gestrigen Pressekonferenz des Bundesfinanzministers in der Bundespressekonferenz entnehmen, in der er alle Zahlen vorgestellt hat. Sie finden die Zahlen auch alle in unserer gestrigen Pressemitteilung, auf unserer Website usw.; die Zahlen sind also alle transparent.
Lassen Sie mich dazu noch sagen, dass eine breite Mehrheit der politischen Mitte im Deutschen Bundestag – Union, SPD und Grüne – noch vor Amtsübernahme durch diese Bundesregierung gemeinsam Grundgesetzänderungen beschlossen hat, die dazu dienen, Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des BIP von der Schuldenbremse auszunehmen. Damit haben sie den Handlungsspielraum für diese massiven Investitionen in Sicherheit und Verteidigung geschaffen.
Der Bundesfinanzminister hat gestern sehr deutlich gemacht, dass Deutschland angesichts der russischen Aggression und der massiven Bedrohung der Sicherheit in ganz Europa verteidigungs- und abschreckungsfähig sein muss, und das wollen wir schon bis 2029 sein – entsprechend dieser enorme Hochlauf, diese Steigerung der Investitionen in Sicherheit und Verteidigung. Das hat der Bundesfinanzminister, wie gesagt, gestern deutlich ausgeführt. Das dient dazu, dass wir angesichts der russischen Aggression auch in Zukunft in Deutschland sicher leben können.
Zusatzfrage Warweg
Ich habe Sie richtig verstanden, Sie haben das bestätigt, dass ein Drittel aller Bundeseinnahmen in die Rüstung fließen.
Kall (BMF)
Nein, das habe ich nicht bestätigt. Ich habe auf die Zahlen verwiesen, die ein bisschen komplexer sind, als Sie das jetzt darstellen, aber die komplett transparent sind und gestern hier eine Stunde lang vorgestellt worden sind. Sie sind, wie gesagt, auch alle auf der Website des Bundesfinanzministeriums nachlesbar.
Zusatzfrage Warweg
Dann gibt es andere Ministerien, die signifikative Einbußen hinnehmen müssen, etwa das Gesundheitsministerium oder auch das Wirtschaftsministerium. Das sind durchaus Bereiche, in denen es in der Bundesrepublik eher Investitionsbedarf gäbe. Gab es denn – die Frage geht vielleicht an Herrn Meyer – in der entsprechenden Kabinettssitzung auch kritische Stimmen zu dieser extremen Ressourcenfokussierung auf den Rüstungssektor bzw. die Rüstungsausgaben?
Kall (BMF)
Herr Warweg, bevor Herr Meyer antwortet, darf ich Ihnen da noch einmal für das Bundesfinanzministerium widersprechen. Ich habe beschrieben, dass es die sogenannte Bereichsausnahme von der Schuldenbremse gibt. Dass wir in Sicherheit und Verteidigung investieren können, bedeutet gerade, dass es kein Entweder-oder zwischen Verteidigungsausgaben und anderen Ausgaben gibt, also Investitionen in die wirtschaftliche Stärke Deutschlands, in Wachstum, in Beschäftigung oder in Gesundheit, zum Beispiel in die Modernisierung von Krankenhäusern; darüber habe ich gerade erst gesprochen. Das heißt, dieses Entweder-oder gibt es nicht. Wir investieren in Sicherheit und Verteidigung, und wir investieren in andere Bereiche, vor allen Dingen in wirtschaftliches Wachstum.
Vize-Regierungssprecher Meyer
Ich kann das für die Bundesregierung insgesamt sehr unterstreichen. Das ist ja auch der Wesenszug dieses Finanzpakets, aber auch des Bundeshaushalts – ehrlich gesagt, auch ein Stück weit die Geschäftsgrundlage dieser gesamten Koalition -, dass beides möglich sein muss: einerseits Investitionen in unsere Sicherheit und andererseits – ich habe das gerade versucht zu skizzieren – massive Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, in den Alltag der Bürgerinnen und Bürger, in die Krankenhausinfrastruktur, Digitalisierung etc. Beides gehört also zusammen.
Mir ist vor dem Hintergrund Ihrer Frage noch einmal wichtig zu betonen, dass wir – das habe ich hier schon mehrfach gesagt -, wenn es um Investitionen in unsere Sicherheit geht, das ja nicht aus Spaß machen, sondern wir machen das aus einem ganz konkreten Grund, nämlich weil sich die Bedrohungslage durch die russische Aggression in Deutschland und Europa massiv verändert hat. Darauf reagieren wir mit einem Hochlauf, damit wir jederzeit dafür sorgen können, dass Menschen hier in Deutschland sicher leben können, und das ist eine klare Priorität der Bundesregierung.
Zusatzfrage Warweg
Eine ganz kurze Verständnisfrage, weil Herr Kall gerade noch einmal die Investitionen in den Gesundheitssektor betont hat: Zumindest in der Einzelplanaufstellung reduziert sich das Budget von 19 Milliarden Euro in 2025 auf 17 Milliarden in 2029. Das ist ein Minus, wenn ich in Mathe nicht völlig dumm bin, von über 2 Milliarden Euro. Wie kann man da von zusätzlichen Investitionen sprechen, wenn eine untere einstellige Milliardensumme aus dem Gesundheitsbudget abgezogen wird?
Kall (BMF)
Wenn Sie über den Einzelplan sprechen, dann müssen wir auch über Investitionen aus dem Investitionspaket des Bundes von insgesamt 500 Milliarden Euro sprechen. Ich habe ja gerade über Investitionen in die Modernisierung der Krankenhäuser gesprochen, worüber sich Bund und Länder in dieser Woche verständigt haben; da investiert der Bund jetzt noch eine Milliarde zusätzlich.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 25.06.2025
5 Prozent für die Rüstung – was heißt das konkret?
Der deutsche Sozialstaat – vom Winde verweht …
Wadephul kündigt „Phase zwei der Zeitenwende“ an – es reicht!
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=135080