Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Merz will Europa zu „neuer Stärke“ führen – bitte, alles nur das nicht!
Datum: 30. Juni 2025 um 9:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Aufrüstung, Europapolitik
Verantwortlich: Redaktion
Friedrich Merz hat seinen ersten EU-Rat hinter sich gebracht und teilt der Öffentlichkeit über die Plattform X mit: „Wir Europäer müssen zu neuer Stärke finden.“ Das wirft die Frage auf: Wie soll das aussehen? Mit gigantischen Aufrüstungsprogrammen? Mit 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die NATO? Mit Panzern und Raketen? Auf diese „Stärke“ sollte Europa ganz schnell verzichten. Denn sie führt in den Abgrund. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
„Nur wenn wir mit einer Stimme sprechen, werden wir uns in einem rauen, geopolitischen Umfeld behaupten können. Wir Europäer müssen zu neuer Stärke finden“, schreibt Merz auf der Plattform X.
Beispielhaft spiegeln diese Zeilen wider, was passiert, wenn Politik Ursache und Wirkung verkennt.
Das, wie Merz es nennt, „raue, geopolitische Umfeld“, gegen das sich die deutsche Politik nun wappnen will, hat sie nämlich selbst geschaffen. Die außen- und geopolitischen Verwerfungen sind nicht denkbar ohne zwei Böcke, die sich aneinander stoßen. Da ist Russland. Und da ist die NATO. Da sind die Sicherheitsinteressen Russlands. Da sind aber auch handfeste geostrategische Interessen des Militärbündnisses bzw. jener Mächte, die hinter ihm stehen.
Mit anderen Worten: Merz – wie nahezu die gesamte deutsche Politik – nimmt das Geld der Steuerzahler in die Hand, um gegen ein Problem vorzugehen, das die Politik selbst geschaffen hat.
Von daher: Die deutsche und europäische Politik erinnert an das Prinzip Nepper, Schlepper, Bauernfänger. Man denke an windige Gesellen, die in der Nacht auf ein Hausdach steigen, um einen Schaden zu verursachen. Am nächsten Tag klingeln sie bei den Eigentümern und schlagen freundlich vor, den entdeckten Schaden „sehr günstig“ zu reparieren.
Aus welchem Grund soll Europa zur „neuen Stärke“ finden? Und: Wie soll diese Stärke aussehen? Wenn Merz hier von einem „geopolitischen Umfeld“ spricht, ist doch klar, worum es geht: Europa soll zu einer Militärmacht werden. Die Stärke, von der hier die Rede ist, ist eine militärische Stärke. Und dazu passt ja auch die Politik: Aufrüsten, Hochrüsten. Mehr Panzer, mehr Raketen.
Sowohl die deutsche als auch die europäische Politik zeigt eine immer hässlicher werdende Seite. Die Saat des Destruktiven beginnt zu keimen. Wenn ein Land über 1 Billion an neuen Schulden aufnehmen will, um gegen einen Feind hochzurüsten, dann hat das Primat des Militärischen längst übernommen. Dann stehen an erster Stelle Panzer, Raketen und Waffen – und nicht etwa die Armutsbekämpfung und die Fokussierung auf die schweren innergesellschaftlichen und innerpolitischen Verwerfungen.
Merz „zwitscherte“ übrigens auch die folgenden Zeilen:
„Wir statten die NATO mit wesentlich besseren Mitteln aus. Nicht, um jemandem einen Gefallen zu tun, sondern aus eigener Erkenntnis: Russland bedroht die gesamte politische Ordnung unseres Kontinents. Vor allem Europa muss mehr für die eigene Verteidigungsfähigkeit tun.“
Der Kanzler der Bundesrepublik stellt Russland als eine Art ultimativen Feind dar. Deswegen soll Europa „stark“ werden. Um gegen ein Russland bestehen zu können, das angeblich ganz Europa bedroht. Nein, bitte, eine solche „Stärke“ braucht das Friedensprojekt Europa nicht. Denn diese „Stärke“ wird das friedliche Europa in ein Trümmerfeld verwandeln. Ist das so schwer zu verstehen?
Titelbild: shutterstock.com
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=135289