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Titel: Zwei Zimmer, Küche, Heizfalle: Beim Abzocken machen Vonovia und Co. jetzt auf prima Klima

Datum: 1. Juli 2025 um 9:00 Uhr
Rubrik: Innen- und Gesellschaftspolitik, Verbraucherschutz
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Immer mehr Mieter in Deutschland werden mit horrenden Nebenkostennachzahlungen traktiert, selbst bei rückläufigem Verbrauch und nach Einbau modernster Technik. Tatsächlich kommt sie genau diese Erneuerung teuer zu stehen. Schuld sind Contracting-Deals ihrer Hauseigentümer mit Energiedienstleistern, die nur eins im Sinne haben: Profitmaximierung. Und so heizt oder friert man heute nicht mehr nur für sich selbst, sondern für BlackRock und andere Halsabschneider. So bleibt man wenigstens im Hitzesommer frei von warmen Gedanken. Ralf Wurzbacher.

Für Mieter der LEG Immobilien SE muss sich die sogenannte Wärmewende anfühlen wie ein Raubüberfall. Medienberichten zufolge haben nicht wenige von ihnen neuerdings mithin dreimal so viel wie bisher für eine beheizte Bude zu bezahlen. Der nach Vonovia zweitgrößte Vermieter in Deutschland will nach und nach seine bundesweit rund 170.000 Wohneinheiten modernisieren und vorhandene Gasetagenheizungen und Nachtspeicheröfen durch Luft-Luft-Wärmepumpen (LLWP) ersetzen. Das alles geschehe ganz im Sinne der nationalen und europäischen Klimaschutzvorgaben, heißt es seitens des Konzerns mit Sitz in Düsseldorf.

Den Bewohnern von schätzungsweise 20.000 LEG-Objekten wurden im Vorfeld nichts als Vorteile versprochen. Sie würden kein CO₂ mehr ausstoßen, der Schornsteinfeger habe sich erledigt, dazu sei die Technik deutlich effizienter und im Sommer könne sie gar zum Kühlen genutzt werden. Und das Allerbeste: Die Sache werde für sie nicht teuer, mithin sogar günstiger. Nun ja. Das ARD-Magazin „Panorama“ hat eine Rechnung aufgemacht. So verlangt die LEG für eine 85-Quadratmeter-Wohnung in Münster einen monatlichen Grundpreis von 140 Euro, also 1.680 Euro im Jahr. Zuzüglich der faktischen Heizkosten – der Arbeitspreis – ergeben sich Gesamtkosten von 2.486 Euro. Im zurückliegenden Jahr drückte die fragliche Mieterin nicht einmal die Hälfte davon ab, nämlich 1.140 Euro.

Absahner laufen heiß

Der Deutsche Mieterbund (DMB) in Nordrhein-Westfalen (NRW) hat sich anhand von Betriebskostenabrechnungen anderer Mieter derselben Wohnanlage ein Bild gemacht. Demnach sind die Forderungen in einer Bandbreite von mindestens 40 Prozent bis hin zum Dreifachen gestiegen. Die Differenzen erklären sich damit, dass sich die Betroffenen ihren Gasanbieter bis dato selbst ausgesucht und mit ihrer Wahl entweder mehr oder weniger profitiert hatten. Nun sind sie alle an einen „Versorger“ gebunden beziehungsweise diesem regelrecht ausgeliefert – 15 Jahre lang.

Dahinter steht ein im Zuge der gewachsenen klimapolitischen Ambitionen an Fahrt gewinnendes Geschäftsmodell, oder anders: der neue heiße Scheiß bei der Mieterabzocke, das sogenannte Wärme-Contracting. Dabei lagern Hauseigentümer Planung, Einbau, Betrieb und Wartung einer Heizanlage an einen externen Dienstleister aus, einen Contractor, der sich als Besitzer der neuen Infrastruktur die Investitions- und Instandhaltungskosten begleichen lässt, also durch den Immobilienbesitzer und schlussendlich die Mieter.

Contracting gibt es hierzulande seit den 1990er-Jahren, wurde aber lange Zeit vor allem durch mittelständische Heizungsbauunternehmen sowie öffentliche und private Energielieferanten offeriert. Richtig reizvoll, sprich lukrativ wurde das Modell erst mit dem Energiepreisschock infolge des Ukraine-Kriegs, der Obsession des „Wertewestens“, sich von russischem Gas loszusagen, und der plötzlichen Regulierungswut der Ampelregierung mit Blickrichtung deutscher Heizungskeller.

Gesetzeslücke

Dabei kann Contracting vom Prinzip her sinnvoll sein. Derart spezialisierte Firmen haben mehr Überblick über den Markt, für große Wohnanlagen könnten wegen der vielen Abnehmer bessere Versorgungsverträge abgeschlossen werden und das gesparte Geld ließe sich beispielsweise in eine klimaeffiziente Wärmedämmung stecken. Die LEG hatte sogar ausdrücklich „Kostenneutralität“ bis hin zu sinkenden Kosten in Aussicht gestellt, anhand einer tabellarischen Gegenüberstellung der bestehenden Preise, von wegen: Gas „hoch“, Strom für Wärmepumpe „günstig“. Schön wär’s, denn schlecht umgesetzt ruft das Modell in großem Stil Absahner auf den Plan.

Im Fall der LEG ist dies ein hauseigener Contractor, ein Tochterunternehmen namens EnergieServicePlus (ESP). Das packt für die Mieter alles, also Abschreibung, Wartung, Instandhaltung, Service, EDV, Abrechnung, Verwaltung, Versicherung und Risiko in einen üppigen Grundpreis, der alle Monate zu Buche schlägt, auch im Hochsommer, ohne dass sich damit auch nur eine einzige Minute heizen ließe. Obendrauf kommt dann noch ein saftiger Arbeitspreis, der sich nicht am realen Verbrauch, sondern an einer „Schätzung“ bemisst. Wobei ESP, wie Panorama nachweisen konnte, sich bei besagter Wohnanlage in Münster ganz massiv verschätzt hatte.

Bei all dem nutze das Unternehmen laut Mieterbund eine Gesetzeslücke aus, „um unter dem Deckmantel der Dekarbonisierung in ihren Wohnungen zusätzliche Gewinne zu machen“. Denn eigentlich sollten bestehende Vorgaben für eine kostenneutrale Umstellung auf Wärmelieferung greifen. Diesmal aber nicht. So beziehe sich das Gesetz „nur auf die Situation, dass Vermietende zuvor die Heizenergieversorgung übernommen haben“. Wo Mieter das selbst erledigen, verpufft das Regelwerk und können diese kollektiv zu Knebelverträgen genötigt werden. Die „Lücke“ ist ziemlich klaffend und betrifft nach DMB-Auskunft „noch rund fünf Millionen Mieterhaushalte“.

Bitterkalt dank BlackRock

Da ist noch einiges zu holen. Der Geschäftsbericht von 2024 spricht Klartext. Aus der politisch gewollten Transformation zu einer emissionsarmen Wirtschaft „ergeben sich für die LEG auch kommerzielle Chancen“, liest man da. Neue Geschäftszweige in diesem Bereich, sogenannte „Green Ventures“, sollten einen „finanziellen Erfolgsbeitrag“ leisten. Den hatte auf der Hauptversammlung Ende Mai der Vorstandsvorsitzende Lars von Lackum mit 20 Millionen Euro bis 2028 beziffert. Kommt es so, winkt dem Konzernboss ein Erfolgszuschlag von einer halben Million Euro. Im Vorjahr erwirtschaftete die LEG einen Reingewinn von 200 Millionen Euro, der komplett an die Anteilseigner ausgeschüttet wurde. Größter Einzelaktionär mit einem Anteil von mehr als zehn Prozent ist der Vermögensverwalter BlackRock.

Beim Contracting mischen noch andere mit – nicht nur die großen Wohnkonzerne, die, wie auch Marktführer Vonovia, über Tochtergesellschaften profitieren. Das Metier ist ein gefundenes Fressen für Finanzinvestoren, sprich Private-Equity-Fonds oder das, was Franz Müntefering als früherer SPD-Vorsitzender einmal „Heuschrecken“ nannte. Zu den größten Playern in Deutschland zählen die Getec Group aus Hannover und die Techem Energy Solutions GmbH mit Sitz im hessischen Eschborn. Letztere bezeichnete unlängst die Bürgerbewegung Finanzwende als „‚Wanderpokal‘ der Private-Equity-Branche“. Derzeit befindet er sich in den Händen der US-Investmentgesellschaft TPG und des singapurischen Staatsfonds GIC, davor gehörte er der Partners Group, einem berüchtigten „Geldstaubsauger“.

Preisformeln undurchschaubar

Im März berichtete Business Insider (hinter Bezahlschranke) über Manuel Wozniak aus Frankfurt (Oder), dem zu Jahresbeginn eine Nachzahlungsforderung seines Hauseigentümers über 5.000 Euro ins Haus flatterte. Im Jahr davor hatte er noch 400 Euro zurückbekommen, und das bei einem höheren Verbrauch. Mit der Bindung an Techem hat sich sein Vermieter aus dem Heizungskeller gestohlen und seine Mieter einem Halsabschneider überlassen. Die zahlen jetzt für Fernwärme, auch dann, wenn noch eine intakte Gasheizung existiert.

Im Februar schilderte nd-aktuell das Schicksal einer Mieterin aus Magdeburg. Die Altenpflegerin heizt ihre Zwei-Zimmer-Wohnung in einem Plattenbau seit Jahren nur bei Nullgraden, und dann auch bloß in der Wohnstube. Ende 2023 wurde trotzdem eine Nachzahlung fällig: über 3.227 Euro. Auch hier kommt zu einem hohen Grundpreis ein gepfefferter Arbeitspreis, berechnet mit einer komplexen Formel mit neun Variablen. Otto Normalverbraucher durchschaut das nicht und schluckt solche Forderungen in den allermeisten Fällen. Bei der extrem angespannten Marktlage haben die wenigsten den Mumm, geschweige denn die Mittel, sich juristisch zur Wehr zu setzen.

Das nutzen die Profiteure weidlich aus, im Fall Magdeburg die Getec Group. Diese ging 2022 mehrheitlich in einem von J.P. Morgan Investment Management beratenen Investmentfonds auf. Laut Firmenwebsite kümmern sich die Macher um „nicht weniger als die Bewahrung der Lebensgrundlagen künftiger Generationen“. Außerdem stehe man für die „Unterstützung und Förderung von kulturellen, sozialen und wissenschaftlichen Aktivitäten“. Dass man vor allem massenhaft Menschen aus einfachen Verhältnissen um ihr weniges Geld bringt, erfährt man dort nicht.

Legaler Betrug

Correctiv, sonst eher als Antiaufklärer bekannt, hatte im November 2024 ein lesenswertes Stück mit dem Titel „Mieter in der Heizungsfalle“ gebracht und die dubiosen Machenschaften an einer Vielzahl von Beispielen beleuchtet. Der Fall einer Berlinerin lässt aufhorchen. Ende 2023 sollte sie für ihre 60-Quadratmeter-Wohnung 6.500 Euro extra an Nebenkosten hinblättern, in ihrer Nachbarschaft sollen sogar bis zu 9.000 Euro fällig gewesen sein. Ihr Vermieter ist die Deutsche Wohnen, die 2021 mit dem deutschen Platzhirsch Vonovia fusionierte. Pächter und Betreiber der Heizung in ihrem Haus ist die G+D Gesellschaft für Energiemanagement mbH, ein Gemeinschaftsunternehmen der Deutsche Wohnen und Getec, woran Vonovia mittlerweile 49 Prozent der Anteile hält.

„Ein Wirrwarr aus Zuständigkeiten“, befand Correctiv, das ein Dutzend Wärmelieferverträge und Abrechnungen mit Mietern aus sechs Städten (Berlin, Magdeburg, Stuttgart, Bottrop, Göttingen, Hamburg) durch Experten auswerten ließ. In allen Fällen seien die Preisklauseln entweder „sachlich falsch“, „unwirksam“ oder zumindest umstritten. Die rechtlichen Vorgaben würden von den Contractern nicht eingehalten oder maximal ausgereizt – immer zum Nachteil der Mieter. Angesichts rechtlicher Schlupflöcher sei deshalb wenigstens von „legalem Betrug“ auszugehen.

Grünärgern

Immerhin: Nach Mieterprotesten und wegen der schlechten Presse hat die LEG inzwischen verkündet, den Einbau von Wärmepumpen in Münster vorerst „ausgesetzt“ zu haben. Künftig werde man die „Kostenneutralität einhalten“ und weiter: „Wir sind uns bewusst, dass wir beim Einsatz der neuen Technologie eine Lernkurve durchlaufen.“ Zu lernen wäre etwa, dass, wann immer die Politik der kommerziellen Wirtschaft ein Profilfeld eröffnet, dieses mit maximaler Rücksichtslosigkeit beackert wird – und dass renditeorientierter Klimaschutz zuallerletzt dem Klima weiterhilft.

Zakaria Said vom Magdeburger Mieterverein brachte es auf den Punkt: „Mit Sicherheit wäre es günstiger, wenn kein Dritter nochmal zusätzlich dazwischengeschaltet wird, der mit der Heizungsanlage Gewinne machen muss, damit es sich für ihn rechnet. Das zahlen dann in diesem Fall zu 100 Prozent die Mieter. Der Mieter ist hier ganz eindeutig der Dumme.“ Also alles wie gehabt, nur ein bisschen anders. Diesmal können sich die Leidtragenden nicht nur schwarzärgern, sondern grün. Mit bestem Gewissen also …

Titelbild: Life Background/shutterstock.com


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