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Titel: Merz: Wir müssen uns gegen Russland „wehren“ – nein, das müssen wir nicht
Datum: 4. Juli 2025 um 12:30 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech
Verantwortlich: Redaktion
„Russland greift uns an. Dagegen müssen wir uns wehren“ – das sagte Friedrich Merz vor einem Millionenpublikum in der Sendung „Maischberger“. In einem Tweet auf der Plattform X wiederholte er die Aussage. Das ist nichts anderes als Feindbildaufbau. Der deutschen Bevölkerung wird Angst vor Russland gemacht. Ein Deutschland, das sich gegen Russland „wehren“ soll? Das klingt wie ein historischer Albtraum. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
Russland greift uns nicht an. Und wir müssen uns auch nicht gegen Russland wehren. Friedrich Merz sieht das aber anders. Bei Maischberger sagte der Bundeskanzler das Folgende: „Wir werden ausspioniert, wir haben Sabotageakte und massive Falschmeldungen. Russland greift uns an. Dagegen müssen wir uns wehren.“
So, so. Ist das so? Gibt es da Gerichtsfestes? Oder bewegen sich die Anschuldigungen auf der Qualitätsebene der Medienberichterstattung? Im Februar berichtete etwa der Spiegel „exklusiv“ von aus Russland gesteuerten Angriffen auf deutsche Autos – mit, Achtung: Bauschaum. Ja, richtig: Bauschaum. Ich bezeichne das als billige Propaganda. Warum sollte die Atommacht Russland des deutschen liebstes Kind, das Auto, mit Bauschaum angreifen?
Ja, ja, schon klar: Weil Russland eben „böse“ ist. Und dumm wohl noch obendrauf. Dumm deshalb, weil das Land auf diese Weise selbst dafür sorgen würde, dass die deutsche Bevölkerung Wut gegen Russland entwickelt. Warum aber sollte Russland das wollen? Ein Interesse daran, die Bevölkerung gegen Russland aufzustacheln, haben der Logik nach jene Kreise, die unbedingt das Feindbild Russland in Deutschland und anderen NATO-Staaten aufbauen wollen. Doch die Logik ist bekanntlich der Feind der Propaganda.
Da Merz von Angriffen gesprochen hat: Wie sieht es überhaupt mit Nord Stream aus? Der schwerste Anschlag auf die Energieinfrastruktur seit dem Bestehen der Republik. Gibt es nun endlich Beweise, dass Russland verantwortlich ist? Da ist die Politik erstaunlich schmallippig geworden. Und das, wo doch US-Präsident Joe Biden auf einer Pressekonferenz gesagt hat, es werde Mittel und Wege geben, Nord Stream zu einem Ende zu bringen. Zu den Äußerungen Bidens sagte Merz nichts. Und wie war das, als bekannt wurde, dass die USA Deutschland abhörten? Sprach Merz damals auch von einem Angriff? Damals hat die deutsche Politik allenfalls mit Watte geworfen.
Die Aussage, „Russland greift uns an“, zeugt gerade auch im Hinblick auf das Vorhaben „Kriegstüchtigkeit“ von bemerkenswerter politischer Verantwortungslosigkeit. Da wird der Krieg plötzlich zum Greifen nah. Hatte Merz keine andere Formulierung zur Hand, als von „greift uns an“ zu sprechen? Merkel formulierte damals beim Abhörskandal so: „Ausspähen unter Freunden geht gar nicht.“ Der Unterschied sollte jedem auffallen. Einmal sanfte Zurückhaltung, einmal eine Sprache, die die Eskalation bedingt.
Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehen aber Aussagen dieser Art problemlos durch. Ein Millionenpublikum hört unwidersprochen und ohne kritische journalistische Einordnung anti-russische Stimmungsmache. Maischberger sitzt da und nickt zustimmend bei den Ausführungen von Merz. Ein Deutschland, das sich gegen Russland wehren soll – das klingt wie ein historischer Albtraum!
Titelbild: Screenshot maischberger
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