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Titel: Frankreich: Die Elenden sind nicht die vielen Franzosen, sondern die Elite und ein Präsident, der Furcht zur Grundlage für Freiheit machen will

Datum: 26. Juli 2025 um 12:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Aufrüstung, Länderberichte
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Emmanuel Macron, französischer Präsident der Reichen, macht seinem Ruf konstant alle „Ehre“. Während die Deutschen hierzulande den auf hoher Drehzahl tourenden Militarisierungsmotor dröhnen hören, ist ein Blick zu den Nachbarn ebenso ernüchternd. Europas boshafte und mächtige Eliten, Frankreich eingeschlossen, finden in der entfesselten Aufrüstung und am zügellosen Geldverdienen schier unbändige Lust. Sie offenbaren ihre Motive nicht – gerissen, wie sie sind –, sie verschleiern die Gier und greifen zur Lüge. Macron zeigt, wie es geht: Freiheit sei ein essenzieller Zustand für ihn und seine Landsleute, die in Wahrheit alles andere als (von Sorgen) frei sind. Diese Art zweifelhafte Freiheit müsse jedoch furchterregend „verteidigt“ werden. Weil? Ja, weil es diese böse Bedrohung im Osten von Europa gibt. Nein! Die Bedrohung kommt von den Eliten. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.

Frankreichs Präsident stellte sich zum Nationalfeiertag der Franzosen selbstgefällig vor sein Volk hin und kündigte ein massives Programm der fortgesetzten Militarisierung der Republik an. Finanziert werden soll das ganze unsägliche Unheil durch das weitere Zusammenkürzen des Zivillebens, legte der französischen Premier Bayrou nach. Man schüttelt nur noch den Kopf. Schier unerschöpflich scheint die boshafte Kreativität der Mächtigen, noch mehr aus den Untergebenen zu pressen und eine Gesellschaft verelenden zu lassen.

Macrons Frankreich ist schon jetzt bis unters Dach vor Waffen strotzend und gewalttätig

Ob dieser Präsident wirklich das glaubt, was er sagt? Die Frage stellte sich mir bei einer Einlassung von Emmanuel Macron zum französischen Nationalfeiertag: „In dieser Welt muss man gefürchtet sein, um frei zu sein, und um gefürchtet zu sein, muss man mächtig sein.“ Ohne Wörter wie Waffen, Raketen, Kampfflieger, Bomben, Drohnen in den Mund zu nehmen, meinte Macron aber genau das: fortgesetzte Aufrüstung, bis es quietscht. Zur Freude der reichen Eigentümer französischer Waffenschmieden, zur Freude der Aktionäre und all der Nutznießer aus den besseren bis besten Kreisen der Gesellschaft. Wie asozial.

Macron sagte das, obwohl er sicher weiß, dass die gesellschaftliche Lage in Frankreich alles andere als stabil, friedlich, sozial, verbindend, zukunftsorientiert ist. Ihm scheint das egal zu sein. Viele Franzosen kämpfen tagtäglich, um ihren Lebensstandard halbwegs zu sichern, um würdevoll zu leben, um im schlimmeren Fall wenigstens nicht ganz abzustürzen. Mit meinem Freund und Frankreichkenner Sebastian Chwala kam ich jüngst ins Gespräch, er fasste diese aktuelle Lage in Frankreich kurz so zusammen, inklusive einer Hoffnung:

Einen Tag, nachdem Staatspräsident Macron am französischen Staatsfeiertag über massive Aufrüstungsprogramme raisonierte, da man ja sonst in der Welt nicht mehr gefürchtet würde, verkündete Premier Bayrou ein massives Kürzungspaket für den Haushalt 2026. Man stelle sich vor: 40 Milliarden Euro sollen eingespart werden.

Besonders betroffen ist der öffentliche Dienst, wo ein massiver Stellenabbau droht. Außerdem ist ein großes Programm gegen „Sozialbetrug“ angekündigt. Zudem sollen Feiertage wegfallen, um die „Produktivität der Volkswirtschaft“ zu steigern. Es verwundert nicht, dass der „Macronismus“ gerne den 8. Mai verschwinden lassen möchte, da dieser in den Zeiten der gewünschten neuen Kriege natürlich jede Bedeutung verloren hat.

Unklar ist, ob dieser Haushalt jemals beschlossen wird. Die gesamte Opposition bekannte sich heute dazu, diesen Angriff auf die „kleinen Leute“ nicht akzeptieren zu wollen. Ein Treppenwitz der Geschichte dabei wird bleiben, dass der ultrarechte RN die Abschaffung des 8. Mai als Schlag gegen die französische Geschichtspolitik bezeichnete.

La France insoumise“ (LFI) hatte bereits gestern jede Erhöhung des Militäretats abgelehnt. Ob der Haushalt, der nach den Sommerferien diskutiert wird, beschlossen werden wird, steht in den Sternen. Sollte er scheitern, fällt auch die Regierung Bayrou. Mißtrauensvoten sind aus allen politischen Spektren jenseits der Regierung bereits angekündigt worden.

(O-Ton Sebastian Chwala)

Die Hoffnung ist, dass all die neuen Pläne Macrons und der Militaristen nicht umgesetzt werden, dass vielleicht diese reaktionäre Regierung scheitert. Die Frage ist nun: Kommt es dann zur Bildung einer vielleicht endlich progressiven Regierung?

Einsparungen, Feiertage streichen, alles wie gehabt – dazu ein Blick zurück

Macron und die Seinen bleiben sich derweil treu. Aktuell toben sie sich mit neuen Einsparungen und mit fragwürdigen Plänen, wie die Streichung von Feiertagen, aus. Diese Ideen lassen sie scheinheilig wie Versuchsballons in die Öffentlichkeit aufsteigen. Tja, was gibt es auch zu feiern, wenn man mächtig und gefürchtet sein will. Ein Blick zurück zeigt, dass die Mächtigen schon früher auf sturem Kurs gegen das Volk waren und das auch weiter sind: Vor zwei Jahren wurde in Frankreich ein Gesetz über die Verlängerung der Lebensarbeitszeit durchgepeitscht. Und das durch ein Parlament, das gar nicht gefragt wurde, und von einem Präsidenten, dessen Amtszeit die letzte ist, der folglich ungeniert und frei so handelt, als käme nach ihm die Sintflut. Durchgepeitscht wurde das Gesetz gegen die Bevölkerung trotz massiven demokratischen Protests der Franzosen.

Das Wort Freiheit wird missbraucht und dessen Sinn verhöhnt

Dabei ist Frankreich immer noch das Land, welches diesen an sich wundervollen Slogan an allen wichtigen Gebäuden zeigt: „Liberté, égalité, fraternité“ – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Siehe, da haben wir wieder das Wort „Freiheit“, welches Macron jedoch wie eh und je schäbig missbraucht, umdeutet und nun einen – ach wie geschickt, Le Président – trotzdem völlig sinnfreien Zusammenhang konstruiert: Mächtig heißt gefürchtet, heißt dann gleich Freiheit. Nein, Macron sollte sich daran erinnern: Der Leitspruch der Französischen Revolution von 1789 stammt aus einer Epoche, in der das Volk aufbegehrte, weil Herrscher und Gefolge die Menschen mit einem gnadenlos repressiven wie zynischen Apparat peinigen, verarmen und allein ließen – bis, ja bis die Gepeinigten, die Elenden dagegen aufbegehrten.

Macron und seinesgleichen von heute sind aber unbelehrbar. Es liegt in ihrer Natur, Macht zu missbrauchen, Macht zu genießen, verächtlich auf das Volk zu schauen. Anderes wird er früher in seinen Eliteschulen und Universitäten auch nicht gelernt haben. Doch sein Geschwätz darf ihm nicht gestattet bleiben. Nein Herr Macron, es geht ganz anders mit der Furcht, der Macht, der Freiheit: In einer Welt, in der soziale Gerechtigkeit gehegt und gepflegt wird, in der deswegen auch Frieden herrscht, was zur Folge hat, dass Glück kein seltenes Gefühl ist – in einer solchen Welt braucht kein Mensch Furcht zu haben. Menschen sind dann frei, gleich und einander zugeneigt. Dieser Dreiklang wird nicht mit Waffen, materieller wie geistiger militantester Aufrüstung, mit äußerer und innerer Repression erzeugt, beschützt, erhalten. Die schlimme Tatsache aber ist: Unbeirrt machen Macron und Konsorten dem Volk weiterhin die Gewaltausrichtung der Gesellschaft als Notwendigkeit weis, wie das auch andere reaktionäre, Furcht einflößende Regierungen in Europa und den USA handhaben, Deutschland fatal wie folgenreich eingeschlossen.

Frei sind die Mächtigen und ihr Gewaltmonopol, weil sie unterdrücken und Furcht verbreiten

Noch eine Erinnerung: Frankreich hatte in jüngerer Vergangenheit ein neues Polizeigesetz durch das Parlament beschlossen. Dieses mächtige Schwert verschärft die Sanktionsmöglichkeiten gegen die Bürger bis in den Alltag, mutmaßliche Ordnungswidrigkeiten werden härter geahndet, unter anderem mit empfindlich hohen „Geldbußen“. Diese schmerzen vor allem die Menschen, deren Budget ohnehin klein ist. Angemessene Prüfungen von Vorwürfen vor Gericht sind dagegen seltener vorgesehen, weil die „Bestrafung“ ja schnell greifen soll, lautet die Begründung der Obrigkeit. Das Motto lautet: Weg mit dem lästigen juristischen Hin und Her und weg mit fairen Verfahren.

So, wie Macron nun in diesen Tagen nach außen noch mehr auf Eskalation und Abschreckung setzen will, so geschah und geschieht das auch nach innen. Frankreichs Regierungen rüsten seit Jahren schon die Polizei auf, Ausrüstungen, Befugnisse, finanzielle Ausstattung inklusive. Militarisierung nach innen. Beispiel: eine schlimme Form der Bewaffnung der Polizei, die berüchtigten Hartgummiwerfer LBD 40, ein Qualitätsprodukt aus der ach so gern neutral genannten Schweiz, deren Geschosse bei zahlreichen Demonstrationen zu schweren Verletzungen bei Demonstranten führ(t)en. Man bedenke, dass diese Geschosse bewusst gezielt abgefeuert wurden, Augenverletzungen waren die häufigsten Schäden. Das erzeugt Macht und manifestiert deren Ausrichtung auf Furcht.

Ich hatte mal über die Hintergründe des aggressiven Handelns der Regierenden bei meinem Freund Sebastian Chwala in unserem Nachbarland nachgefragt. Er stellte unter anderem fest:

Die fünfte Republik begründete von der ersten Minute an ihre Macht auf das Militär, die Geheimdienste und den Repressionsapparat aus den beiden bewaffneten Gattungen ‚Police‘ (dem Innenminister unterstellt) und ‚Gendarmerie‘ (dem Verteidigungsminister unterstellt). Frankreich ist seit jeher ein Polizei-, Schnüffel- und Repressionsstaat, mindestens schon seit Richelieus ‚cabinet noir‘. Alle Präsidenten von de Gaulle bis Macron haben ihre jeweilige Politik zur Not mit Schlagstock (Sarkozy), ‚opérations spéciales‘ (Mitterrand), politischen Hinrichtungen (de Gaulle) und Zurschaustellung der ‚force de dissuasion‘ (Chirac) untermauert und abgesichert. Die Grande Nation hat eine etwas irritierende Faszination für Brutalität.“

Dieser Repressionsapparat der Grande Nation wird derzeit immer weiter ausgebaut. Ich denke an Besuche der französischen Hauptstadt. Geht man in Paris an den dunkelblau bis schwarz Uniformierten der Police oder der Gendarmerie vorbei, spürt man, wie die sich ihrer Furcht erzeugenden Wirkung bewusst sind. Ich fragte mich, wen die da beschützen, sind sie doch unser aller Freund und Helfer.

Was ich dagegen resümiere: der Gesamtauftritt der Polizei trägt die Botschaft: Wer nicht spurt, hat die Härte der Gesetze der Obrigkeit und deren Anmaßung zu ertragen. Ganz praktisch erlebbar ist somit auch die Umsetzung von Macrons aktuellem Geschwätz: „In dieser Welt muss man gefürchtet sein, um frei zu sein, und um gefürchtet zu sein, muss man mächtig sein.“ Nein, es braucht keine Furcht, es braucht keine Macht, dann sind wir frei. Nehmt Macron und seinesgleichen die Macht, dann endet die Furcht und es beginnt die Freiheit. Welch schöner Gedanke …

Titelbild: Federico Pestellini / Shutterstock


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