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Titel: Medien im Propagandarausch: Der Militarismus sitzt in den Redaktionen

Datum: 27. August 2025 um 10:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik
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In vielen Redaktionen sitzt der Stahlhelm stramm. Das Feindbild Russland ist ausgemacht, der russische Angriff auf die NATO wird regelrecht herbeiberichtet. Der Bayerische Rundfunk führt sogar einen Experten an, für den klar ist, dass ein russischer Angriff mit „100 Prozent Wahrscheinlichkeit“ kommt. Der exemplarische Blick in die Medien zeigt: Der Rausch der Propaganda hat sich im Journalismus ausgebreitet. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Russischer Angriff auf Nato: „100 Prozent Wahrscheinlichkeit“ – mit dieser Überschrift wagt sich der Sender BR24 an die mediale Öffentlichkeit heran. Die Aussage stammt aus einem Interview, das BR24 mit dem Militärexperten Gustav Gressel geführt hat. Schon im Vorspann geht es weiter zur Sache: Der Experte warne „vor einem russischen Angriff auf die Nato“, denn „Europa sei völlig unvorbereitet“ und „Deutschland würde zum Kriegsschauplatz.“

Dass Deutschland bei einem Krieg mit Russland im wahrsten Sinne des Wortes mittendrin statt „nur“ dabei wäre, dazu braucht es gewiss keinen Militärexperten. Spätestens seit dem Bekanntwerden des NATO-Planspiels Wintex/Cimex von 1989, bei dem die Bundesregierung unter Helmut Kohl ihren Gehorsam verweigerte, weil klar wurde, dass Deutschland atomar zerstört würde, ist bekannt: Ein NATO-Krieg mit Russland wird Deutschland nicht bekommen. Doch darum geht es ja nicht. Es geht nicht um Planspiele, es geht um einen realen Krieg, den Politiker, Journalisten und Experten regelrecht herbeireden. Allein Überschrift und Vorspann dieses BR24-Medienbeitrags führen in den Abgrund einer „Berichterstattung“, die Angst erzeugt, Stimmung schürt und realitätsbefreit Feindbildkonstruktion betreibt. Mit anderen Worten: Keine Berichterstattung liegt vor, sondern Propaganda.

Da redet Gressel davon, dass es Putins Ziel sei, die „europäische Sicherheitsordnung zu zerschlagen“, die russische Bevölkerung in drei baltischen Staaten würde dabei „ausradiert“ werden.

Die „kritische“ Nachfrage des Interviewers Dominic Possoch zu den Ausführungen des Militärexperten lautet:

Das klingt drastisch. Sind wir dafür gewappnet?

Den Aussagen Gressels, die aus journalistischer Sicht dringend propagandistisch zu entkernen wären, wird eine realitätserzeugende Wirkung zuteil. Entkernt werden müsste, dass der ‚neutrale‘ Experte zum European Council on Foreign Relations gehört, also dem europäischen Ableger der gleichnamigen US-amerikanischen Denkfabrik. Doch das bleibt gegenüber der Leserschaft unerwähnt.

Und so geht es Tag für Tag hoch und runter in den Medien. Da heißt es in einem aktuellen Zeit-Artikel zum Thema „Deutsche Truppen in der Ukraine“ in der Überschrift:

Wir müssen gewillt sein, im Ernstfall den Nahkampf zu führen“.

Im Vorspann ist zu lesen:

Stehen bald deutsche Soldaten in der Ukraine? Militärexperte Franz-Stefan Gady erklärt, wie ein Friedenseinsatz aussehen könnte – und welche Risiken dieser hätte.

Die Zeit fragt den Experten zu Beginn des Interviews:

Herr Gady, könnte Deutschland bald Bundeswehrsoldaten in die Ukraine schicken, um das Land vor Russland zu verteidigen?

Allein schon in der Frage spiegelt sich die gesamte Komplexitätsreduktion wider, die weite Teile der deutschen Kriegsberichterstattung umgibt. Es geht um „verteidigen“ – die tiefenpolitischen Interventionen des Westens, die geostrategischen Interessen westlicher Kriegstreiber: ausgeblendet. Weder der Militärexperte noch der Interviewer bringen den Begriff Stellvertreterkrieg über die Lippen.

Dass Gady auf die ihm gestellte Frage antwortet: „Genau das ist die entscheidende Frage“, rundet die Groteske sofort zu Beginn des Gesprächs harmonisch ab.

Noch ein Beispiel: Als Lars Klingbeil dieser Tage in die Ukraine reiste, sagte der Vizekanzler: „Deutschland wird seiner Verantwortung gerecht werden.“ Die Aussage haben Medien unkritisch wiedergegeben, anstatt sie im Sinne eines kritischen Journalismus zu zerlegen.

Würde Deutschland seiner Verantwortung gerecht: Seine politische Führung nähme die Menschenfängerei in den Straßen der Ukraine nicht hin. Die Repräsentanten der Bundesrepublik, die doch für die unveräußerlichen Grund- und Menschenrechte stehen sollten, sprächen sich etwa laut gegen die Rekrutierungspraxis von wehrpflichtigen Ukrainern auf. Diese Positionierung wagt sich aber keine Redaktion eines großen Mediums in Deutschland. Wobei, nein, es ist noch schlimmer: Es geht nicht um ein Wagen, sondern um ein Nichtwollen.

Der Propagandaforscher Jonas Tögel hat diese Woche folgende Zeilen auf seinem Kanal auf der Plattform X veröffentlicht:

Viele Menschen haben mich gefragt: Gibt es Kriegspropaganda in der Tagesschau?

Um diese Fragen zu beantworten, habe ich mir vorgenommen, 1 Woche die Tagesschau anzuschauen und meine Ergebnisse in einem Vortrag zu analysieren – ich musste jedoch aufgrund der Fülle an Material, das ich gefunden habe, den Untersuchungszeitraum auf 3 Tage verkürzen.“

Das passt ins Bild und untermauert die Beobachtungen. Viele Medien ergeben sich in einem Rausch der Propaganda, teilweise ist sogar eine regelrechte Kriegsgeilheit zu beobachten. Mit welch einer Penetranz, mit welch einem Nachdruck Medien das Feindbild Russland aufbauen und den großen Krieg an den Haaren herbeiziehen, zeigt: Der Militarismus sitzt in den Redaktionen. Und er breitet sich immer weiter aus.

Titelbild: Jose Luis Carrascosa / Shutterstock


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