Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Tanzen die Geheimdienste der Bundesregierung auf der Nase herum? Offensichtlich.
Datum: 14. Oktober 2025 um 15:01 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Bundesregierung, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Albrecht Müller
Heute erschien der oben abgebildete Artikel als Aufmacher auf der ersten Seite der Regionalzeitung Die Rheinpfalz. Wenn so etwas in der Kanzler-Zeit von Helmut Schmidt oder Willy Brandt passiert wäre, dann hätten die Puppen getanzt. Ich war bei Brandt und Schmidt insgesamt zwölf Jahre lang Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt und habe damit auch jeden Werktagmorgen an der morgendlichen Lagebesprechung teilgenommen. Der Regierungssprecher – bei Helmut Schmidt die meiste Zeit Klaus Bölling – berichtete jeweils zu Anfang der Sitzung kurz über bemerkenswerte Ereignisse und Meldungen in den Medien. Wenn er von einer ähnlichen Meldung wie der oben abgebildeten berichten hätte müssen, dann wäre vom Chef des Bundeskanzleramts mit Zustimmung der gesamten Runde eine deutliche Rüge an die Dienste und die Weisung ergangen, solche Eingriffe in die Außenpolitik künftig zu unterlassen. Albrecht Müller.
Der für die Geheimdienste zuständige Kollege hätte keinerlei Rechtfertigungsversuch unternommen, er hätte die Rüge sofort nach der Sitzung an die Dienste weitergegeben.
Wahrscheinlich können die heutigen Geheimdienste davon ausgehen, dass der jetzige Bundeskanzler Merz die oben beschriebene Medienarbeit seiner Geheimdienste eher wohlwollend betrachtet und schon deshalb eine Rüge nicht zu befürchten ist. Dass das so ist, zeigt die Schwäche der jetzigen Bundesregierung.
Außerdem ist der Vorgang im Blick auf den Regierungspartner SPD interessant. Die in dem Artikel deutlich erkennbare Stimmungsmache gegen Russland ist das Gegenteil dessen, was mit der von der SPD in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts begonnenen und dann umgesetzten Entspannungspolitik betrieben worden ist. 1963 verlautbarten Willy Brandt und Egon Bahr bei der Evangelischen Akademie in Tutzing „Wandel durch Annäherung“, sie versprachen damit unserem Volk, im damaligen kommunistischen Osten einschließlich der DDR könne ein innerer Wandel in Gang gesetzt werden, wenn die Konfrontation zwischen West und Ost abgebaut wird. Wie recht sie hatten! – In seiner ersten Regierungserklärung im Oktober 1969 erklärte der neu gewählte Bundeskanzler Brandt (SPD): „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein“.
Dass der heutige Bundesverteidigungsminister, ausgestattet mit dem SPD-Parteibuch, in diesen Zeiten erklären kann, wir sollten kriegstüchtig werden, ist allerdings ein Zeichen dafür, dass neue, schlimme Zeiten angebrochen sind. Mir scheint, die Rüstungslobby ist jetzt auf die Ministersessel geklettert. Armes Deutschland! Die Geheimdienste prägen die Außenpolitik. Und die Rüstungswirtschaft bestimmt über den Rüstungsetat. Die Behauptung, Russland plane einen Angriff auf den Westen, auch jenseits der Ukraine, ist eine dieser durchschlagenden Behauptungen, die die Rüstungsindustrie braucht, um ihre Auftragsbücher zu füllen.
Titelbild: Rheinpfalz
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=140586