NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Trump droht mit Frieden – Eine einmalige Chance

Datum: 22. Dezember 2025 um 9:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Friedenspolitik
Verantwortlich:

Im Jahr 2015 hat der amerikanische Stratege George Friedman in Chicago eine Rede gehalten, in der er die Politik der Vereinigten Staaten in Europa wie folgt beschrieb: „Das primäre Interesse der USA, wofür wir seit einem Jahrhundert Kriege führen – Erster und Zweiter Weltkrieg und Kalter Krieg –, waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Denn vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann, und unser Interesse war, immer sicherzustellen, dass das nicht eintritt.“ Auch Henry Kissinger hat sich in seinem 1994 veröffentlichten Standardwerk „Diplomacy“ ähnlich geäußert. Von Oskar Lafontaine.

Aufatmen? Weit gefehlt

In der neuen „Nationalen Sicherheitsstrategie“ der USA lesen wir zu unserer Überraschung jetzt das Gegenteil. So, als hätte es den Gründungskonsens der NATO, „die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten“, nie gegeben, heißt es im neuen Dokument des US-Präsidenten jetzt: „Die Gestaltung der europäischen Beziehungen zu Russland erfordert ein erhebliches diplomatisches Engagement der USA, sowohl um die strategische Stabilität auf der eurasischen Landmasse wiederherzustellen als auch um das Risiko eines Konflikts zwischen Russland und europäischen Staaten zu mindern. Es ist ein zentrales Interesse der Vereinigten Staaten, eine rasche Beendigung der Kampfhandlungen in der Ukraine auszuhandeln, um die europäischen Volkswirtschaften zu stabilisieren, eine unbeabsichtigte Eskalation oder Ausweitung des Krieges zu verhindern und die strategische Stabilität mit Russland wiederherzustellen.“ Die USA wollen die Europäer scheinbar zu ihrem Glück zwingen.

Nun sollte man meinen, es ginge ein Aufatmen durch Europa und vor allem durch Deutschland, weil jetzt auch Donald Trump — wie schon Otto von Bismarck, Charles de Gaulle oder Willy Brandt — erkannt hat, dass es Frieden in Europa nur geben kann, wenn die europäischen Staaten in guter Nachbarschaft mit Russland leben. Aber weit gefehlt. Bundeskanzler Friedrich Merz, der den für den Westen längst verlorenen Krieg in der Ukraine mit Waffenlieferungen und deutschen Steuermilliarden verlängern will, maulte: „Ihr braucht auf der Welt auch Partner, und einer der Partner kann Europa sein, und wenn ihr mit Europa nix anfangen könnt, dann macht wenigstens Deutschland zu eurem Partner.“ Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, den die „Tagesschau“ einen überzeugten Transatlantiker nannte, meinte, es sei „die bittere Wahrheit, dass die USA seit einigen Wochen zum ersten Mal nicht mehr an der Seite Europas stehen in Fragen von Sicherheit, Krieg und Frieden“.

Dabei zeigen die neuen außenpolitischen Leitlinien Washingtons, dass die Vereinigten Staaten zumindest in einer zentralen Frage der Geostrategie zum ersten Mal „an der Seite Europas stehen“, weil mit China eine neue Weltmacht auf dem eurasischen Kontinent die Bühne betreten hat, die die Führungsmacht des Westens herausfordert und sie zwingt, sich den geänderten Machtverhältnissen auf der Welt anzupassen. Was die Europäer nicht begriffen haben, ist: Das „divide et impera“ war schon immer und ist auch heute noch die Konstante der US-Außenpolitik. So, wie der ehemalige US-Präsident Truman einst sagte: „Wenn Hitler gewinnt, müssen wir den Russen helfen, und wenn die Russen gewinnen, müssen wir Hitler helfen“, so will Trump heute Russland zu seinem Partner machen, um den eigentlichen Konkurrenten China zu schwächen. Die europäischen Vasallen stören dabei und erkennen nicht, dass sich hier eine Gelegenheit bietet, um zu einer eigenständigen Außenpolitik zu finden. Sie wirken orientierungslos und laufen Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Das große Wort führen mit Merz, Macron und Starmer drei Politiker, die das Vertrauen ihrer Bevölkerung längst verloren haben und die, was noch viel schlimmer ist, die tektonischen Verschiebungen in den Machtstrukturen der Welt nicht registriert haben. Wir führen faktisch Krieg gegen Moskau, verärgern China, die größte Wirtschaftsmacht der Welt, und legen uns mit unserem wichtigsten Verbündeten an, der, nachdem er unsere Gasleitung Nord Stream zerstört und die Deindustrialisierung Deutschlands eingeleitet hat, jetzt — zumindest auf dem Papier — verspricht, unsere Volkswirtschaft zu stabilisieren und die strategische Kooperation mit Russland wiederherzustellen.

Reform ist unabdingbar

Die Selbstbehauptung Europas fordert die konsequente Vertretung europäischer Interessen. Europa braucht gute Beziehungen zu Washington, Peking und Moskau. Voraussetzung sind mit der Geschichte unseres Kontinents vertraute und selbstbewusste Politiker, die nicht korrupt sind und nicht auf der Lohnliste der Waffenindustrie, der großen Tech-Konzerne, der Energiewirtschaft, der Finanzwirtschaft oder der Pharmaindustrie stehen oder als Young Global Leader wie viele deutsche Spitzenpolitiker eher amerikanische Interessen vertreten. Das jetzige europäische Führungspersonal, das, um die eigenen Irrtümer nicht zugeben zu müssen, den Ukraine-Krieg endlos verlängern will, beweist, dass eine Reform unabdingbar ist, wenn sich die Dinge zum Besseren wenden sollen: Auf europäischer und nationalstaatlicher Ebene muss es Gesetze geben, nach denen Politiker durch Volksbegehren vorzeitig abgewählt werden können, wenn sie großen Schaden anrichten.

Titelbild: Joshua Sukoff/shuttestock.com

Dieser Artikel erschien zuerst in der Weltwoche Nr. 51.25.


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=144001