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Titel: Sind die linken lateinamerikanischen Präsidenten Maulhelden? Ich kann mich diesem Urteil nicht anschließen.

Datum: 7. Juli 2013 um 21:46 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Erosion der Demokratie, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech
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Manchmal gibt es Meinungsunterschiede zwischen den Machern der NachDenkSeiten. So kann ich dem Beitrag von Jens Berger vom 6. Juli in seinen wesentlichen Aussagen nicht folgen. Wir sind uns einig in der Sorge um Snowden. Siehe meinen Artikel vom 25.6. über den Hass auf den Boten des Unheils. Aber mein Urteil über das Verhalten der lateinamerikanischen linken Führer ist zunächst einmal geprägt von der unmittelbaren Erfahrung mit dem Putsch und der Ermordung Allendes durch die Mordbuben des chilenischen Generals und Diktators Pinochet und seiner Hintermänner in den USA. Auch die heutigen lateinamerikanischen linken Präsidenten müssen damit rechnen, verfolgt und eines Tages ermordet zu werden. Sie erleben, wie gegen sie mit orangenen Revolutionen mobil gemacht wird. Sie stehen unter wirtschaftlichem Druck der USA und wahrscheinlich auch der US-Gefolgsleute in Europa. Wenn sie ängstlich sind im Umgang mit den USA und damit auch mit Hilfen für Snowden, dann kann ich das verstehen. Von Albrecht Müller

Jedenfalls kann es nicht die Aufgabe der NachDenkSeiten sein, die Stimmung gegen die so genannten und damit diffamierten „Linkspopulistischen“ in Südamerika und Mittelamerika weiter anzuheizen. Das sollten wir der rechten Presse in Deutschland, in Europa und in der Welt und den US-Amerikanern überlassen.

Ich bewundere die linken Präsidenten und sonst wie engagierten Menschen in Süd- und Mittelamerika. Immerhin haben sie es geschafft, Mehrheiten für ihre Linie zu erringen. Wo ist etwas Ähnliches in Europa möglich geworden? Wo sind die linken Präsidenten und Regierungschefs in Europa? In Frankreich, o.k., aber sehr zaghaft. Wo ist die Linke in den USA?

Es gibt noch ein paar andere Ungereimtheiten in der Kritik des NachDenkSeiten-Beitrags vom Samstag: Selbst wenn Snowden im Flugzeug eines lateinamerikanischen Präsidenten mit in sein Land genommen worden wäre, wie sicher ist er dort? Ist es diesen Ländern möglich, ihm eine zweite Identität zu verschaffen? Ist es den Gastgebern möglich, Snowden vor dem Zugriff der amerikanischen Geheimdienste und Militärs zu sichern?

Im übrigen: Maulhelden sind eher wir. Wir leben in Goslar, in Köln und in Pleisweiler in der Südpfalz, jedenfalls nicht in unmittelbarer Gefahr, vergiftet oder erschossen zu werden. Und bei aller Aversion mancher Zeitgenossen gegen die NachDenkSeiten haben wir es noch recht gemütlich.


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