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Titel: Guter aber kommentierungswürdiger Monitor-Beitrag zum Freihandelsabkommen

Datum: 31. Januar 2014 um 15:02 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Strategien der Meinungsmache, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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In seiner gestrigen Sendung hat sich das WDR-Magazin Monitor dankenswerterweise einmal mit den sogenannten Studien beschäftigt, auf deren Basis dem kommenden europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen TTIP sagenhafte Auswirkungen zur Wirtschafts- und Arbeitsplatzentwicklung zugeschrieben werden. Die NachDenkSeiten haben sich bereits im letzten Juni ausführlich mit der Bertelsmann-ifo-Studie beschäftigt, die nun auch Monitor aufgespießt. Seltsamerweise belässt es Monitor jedoch bei einer Kritik an der Politik und fasst die Autoren der Studie mit Glacéhandschuhen an. Von Jens Berger


Monitor-Beitrag „Freihandelsabkommen: Das Märchen vom Jobmotor“

[…] In Deutschland werden trotzdem beeindruckende Zahlen in Umlauf gebracht. Jobschwemme, ein ungeheurer Effekt auf dem Arbeitsmarkt. Doch kaum jemand hat bisher hinterfragt, was hinter den schönen Zahlen steckt. Wie kommen Wissenschaftler dazu? Da wird zum Beispiel vorausgesetzt, dass der Handel mit den USA um fantastische 80 Prozent zunimmt, dass es keine Wechselkursschwankungen gebe. In einer Studie wird sogar ein völlig unrealistisches Binnenmarktszenario zu Grunde gelegt, so, als würden die USA alle europäischen Gesetze übernehmen.
Und jetzt kommt es: Der Hauptautor sämtlicher deutschen Studien, Gabriel Felbermayr vom ifo-Institut, hält unterm Strich die Effekte des Freihandelsabkommen selbst für gar nicht so groß.
Prof. Gabriel Felbermayr, ifo-Institut: „Die Grundbotschaft, die auch da schon klar sein musste für jeden, der das liest, ist, dass a) die Beschäftigungseffekte nicht negativ sein werden, in allen Szenarien sind sie positiv. Und dass sie b) auch im optimistischsten Szenario klein sind. Da reden wir von 0,4 Prozent der Beschäftigung.“
Moment! Der Hauptautor der Studien gibt zu, dass das Abkommen wenig bringt? Ja, sagt er, aber es sei die Politik, auch das Wirtschaftsministerium, die die kleinen Zahlen als „Jobwunder“ verkauft.
Prof. Gabriel Felbermayr, ifo-Institut: „Werfen Sie dem Bundesministerium ruhig vor, dass die Informationspolitik nicht so ausbalanciert ist, wie sie hätte sein können. Das können Sie auch der Kommission vorwerfen, da würde ich sagen, ja, hinter einem solchen Vorwurf steckt was.“
Aus dem Monitor-Beitrag „Freihandelsabkommen: Das Märchen vom Jobmotor“

So, so, Professor Gabriel Felbermayr wirft dem Bundeswirtschaftsministerium also eine „nicht so ausbalancierte Informationspolitik“ vor. Wer würde ihm da wiedersprechen? Aber wie sieht es mit den Verantwortlichen für die Studie selbst aus?

Auf der eigenes von der Bertelsmann-Stiftung ins Leben gerufenen Internetseite GEDShort, auf der kräftig für das Freihandelsabkommen getrommelt wird, wird ebenfalls vollkommen undifferenziert aus dem Rechenbeispiel zitiert, das ich in meinem Artikel als „Ultra-Szenario“ bezeichne und das auf komplett abstrusen Annahmen beruht. Vor allem, wenn es um die angeblich entstehenden Arbeitsplätze geht, berufen sich die Macher der Studie in ihren bunten Imagefilmchen auf eben dieses Szenario. Auch in der Pressemeldung, die ungefiltert von den meisten Medien nachgeplappert wurde (und wird), bezieht man sich auf dieses Szenario.

Die Studie rechnet mit 160.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in allen Qualifikationsgruppen, falls EU und USA sich darauf einigen, Handelshemmnisse umfassend abzubauen.
Pressemeldung Bertelsmann-Stiftung

Mit anderen Worten: Wenn das Bundeswirtschaftsministerium eine „nicht so ausbalancierte Informationspolitik“ verfolgt, dann gilt dies genau so für die Macher der Studie. Auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist, kann es ja durchaus sein, dass Gabriel Felbermayr seinen eigenen „Forschungsergebnisse“ nicht traut und keineswegs glücklich über die Interpretation seiner Zahlen ist. Dann wäre es jedoch seine Pflicht, offen zu widersprechen. Mir ist jedoch kein Fall bekannt, in dem Felbermayr oder ein anderer ifo-Forscher sich öffentlich gegen die abstrusen Zahlen aus der eigenen Studie ausgesprochen hat.

Schade, dass Monitor hier keine Kritik übt. Nicht nur die Politik, sondern auch und vor allem die Auftragsforschungen von Think Tanks á la Bertelsmann-Stiftung und Wirtschaftsforschungsinstituten á la ifo sind dafür verantwortlich, dass bei der Diskussion um das Freihandelsabkommen mit manipulierten Zahlen operiert wird.


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