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Titel: „Kapitalanlage- und Zerstörungsunternehmer“ vs. Wertschöpfungsunternehmer – Oder: Wie lange lässt sich die deutsche Wirtschaft noch für Hasardeure einspannen?

Datum: 12. April 2007 um 11:52 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Ungleichheit, Armut, Reichtum, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Wenn ein Unternehmer oder Manager zusammen mit seinen Mitarbeitern/innen, seinen eigenen Fähigkeiten und dem investierten Kapital Güter oder Dienstleistungen produziert und dabei Gewinne macht – aus meiner Sicht kein Problem. Aber dieser Typ von Unternehmer verschwindet in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen hinter solchen Typen, die mit Vermögenswerten handeln, und zum Beispiel wie der 33jährige Hedgefonds-Manager John Arnold 2006 fast zwei Milliarden Dollar Gehalt einstreichen. Heute werden die großen Gewinne beim Handel mit Vermögenswerten und nicht bei der Wertschöpfung gemacht. Was da geschieht, nennt sich zwar harmlos „Auflösung der Deutschland AG“, ist über weite Strecken aber reines Zerstörungswerk. Siehe dazu den Beitrag im „Tagesspiegel“ von heute: Die Piranha-Strategie. Albrecht Müller.

“Firmen kaufen und plündern: Das tun Heuschrecken. Heuschrecken kaufen und plündern: Das ist neu. Doch auch dafür gibt es schon einen Namen. Und ein Beispiel aus Leverkusen.“ So beginnt der Beitrag von Harald Schumann über einen Fall in Leverkusen, auf den ein Leser der NachDenkSeiten schon vor länger Zeit aufmerksam gemacht hatte. Siehe auch Hinweise von heute. Hier wird ein reines Zerstörungswerk dokumentiert; vom Autor wird mit Recht daraufhingewiesen, dass dieses Beispiel Nachahmer finden wird.
Der im Vorstand der Deutschen Bundesbank für die Aufsicht über die Kreditinstitute und die Finanzmarktstabilität zuständige Edgar Meister, zugleich Leiter des Banking Supervision Committee, in dem alle Bankaufsichtsbehörden in der EU zusammenarbeiten, hält es zwar für nötig, Hedge-Fonds stärker unter die Lupe zu nehmen, aber zugleich spricht er von einem positiven Beitrag der Hedge-Fonds. Wörtlich in einem Interview mit der FAZ vom 13.2.2007: „Es ist wichtig, dass die Finanzminister den positiven Beitrag von Hedge-Fonds für das weltweite Finanzsystem anerkannt haben und derzeit keine Regulierung der Hedge-Fonds anstreben.“ (Da Meister einmal Finanzminister beim rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck war, ist nicht auszuschließen, dass seine verharmlosende Meinung auch den SPD-Vorsitzenden beeinflusst.)

Dieser Haltung kann ich nicht mehr nachvollziehen, denn hier werden die Augen verschlossen vor der Zerstörung vieler Unternehmen und der finanziellen Existenz unzähliger Arbeitnehmer. Siehe dazu auch einen Beitrag in der Neuen Züricher Zeitung vom 3.4.2007:

Auswüchse im Private-Equity-Markt
In der Private-Equity-Branche purzeln die Rekorde im Tagesrhythmus. Inmitten der Euphorie ist aber unübersehbar, dass die hohen Zuflüsse zu Auswüchsen und Widersprüchen am Private-Equity-Markt geführt haben. Sowohl die weitgehende Finanzierung der «Deals» über Schulden, welche meist den übernommenen Unternehmen aufgebürdet werden, als auch die zunehmende Zahl an schwarzen Schafe ist besorgniserregend.
Quelle: NZZ

Die bewunderten hohen Gewinne der so genannten Heuschrecken folgen aus zerstörerischen Aktivitäten:

  • Unternehmen werden überschuldet und mit Zinsen belastet und damit ausgesogen.
  • Arbeitnehmer werden verschärft ausgebeutet, betriebliche soziale Leistungen werden gestrichen.
  • Alles wird auf die Verschiebung der Gewinne in Steueroasen und damit auf Steuerflucht angelegt.
  • Damit und mit einer Erpressung der öffentlichen Hand wie im konkreten Fall von Leverkusen entziehen sich diese Unternehmen immer mehr dem Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben.

Das alles wird dann auch noch öffentlich gefördert, im konkreten Fall vor allem mit der Steuerbefreiung realisierter Gewinne beim Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen durch die Regierung Schröder zum 1.1.2002.
Der Handel mit Vermögenswerten wird öffentlich weiter durch spezielle Gesetze forciert. Bestes Beispiel: das ÖPP-Beschleunigungsgesetz vom Sommer 2005. Siehe zum Beispiel NachDenkSeiten vom 20. September 2006 und andere Artikel, die Sie über die Suchfunktion leicht finden. Außerdem ein Auszug aus „Machtwahn“, den Sie auch in NachDenkSeiten finden. In meinem Buch „Machtwahn“ habe ich die Verschiebung der unternehmerischen Tätigkeit hin zum Handel mit Vermögenswerten eingehend beschrieben.

Dass die Mehrheit der wertschöpfenden Unternehmer das Treiben der Akteure auf den Kapitalmärkten zumindest durch ihr Schweigen decken, kann ich nicht mehr verstehen. Dass maßgebliche politische Kräfte einschließlich des Zuständigen bei der Bundesbank die Augen verschließen, kann ich verstehen aber nicht würdigen. Verstehen und erklären kann ich es damit, dass die Profiteure des Handels mit Vermögenswerten – die maßgeblichen Banken, Investmentgesellschaften, Berater und Publicrelations Firmen – die politische Willensbildung inzwischen weit gehend beeinflussen. Sie haben um vieles mehr in der politischen Willensbildung zu sagen, als die viel zahlreicheren wertschöpfenden Unternehmer. Mehr als die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften sowieso.

Es besteht dringender Regulierungsbedarf. Da die öffentliche Meinung von den Interessierten am jetzigen Zustand maßgeblich beeinflusst wird, ist dies ein spezieller und wichtiger Fall für die Notwendigkeit zum Aufbau einer Gegenöffentlichkeit. Deshalb meine Anregung: Nutzen Sie die beiden Beiträge im Tagesspiegel und in der Neuen Zürcher Zeitung zur Aufklärung auch im unternehmerischen Milieu, soweit Sie Zugang dorthin haben.


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