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Titel: Willy Wimmer: Es macht Sinn, sich in Deutschland nicht alles zumuten zu lassen.

Datum: 16. Februar 2017 um 11:28 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit, Bundestag, CDU/CSU, Militäreinsätze/Kriege
Verantwortlich:

Willy Wimmer

So kommentiert der frühere CDU-Abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium den vorläufigen Verzicht der Unionsfraktion auf die Abschaffung des Parlamentsvorbehalts gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die CDU/CSU-Fraktion hat das in der Großen Koalition verabredete Vorhaben aufgegeben – jedenfalls für die laufende Legislaturperiode. Siehe Bericht der Deutschen Welle. Willy Wimmer hat den Vorgang für die NachDenkSeiten kommentiert. Er hatte das Thema Parlamentsvorbehalt und den beabsichtigten Verzicht 2014 bei einem Pleisweiler Gespräch zum öffentlichen Thema gemacht. Wir hatten hier davon berichtet. Seitdem hat sich Willy Wimmer immer wieder gegen die Aufgabe des Parlamentsvorbehalts gewandt. Respekt und Gratulation zum vorläufigen Erfolg! Albrecht Müller.

Willy Wimmers Kommentar:

Das nennt man wohl “Frontbegradigung in letzter Minute” für ein Gesetzesvorhaben, auf das sich die jetzige Regierungskoalition im Koalitionsvertrag von 2013 festgelegt hatte. Ziel war es, nach dem faktischen Verzicht auf die Wehrpflicht wegen der Anforderungen aus der NATO auf die ebenso lästigen wie hinderlichen öffentlichen Debatten im Deutschen Bundestag zu verzichten. Deutschlands Beteiligung an Kriegs-und Konfliktbeteiligungen sollten fortan ohne öffentliche Aufmerksamkeit stattfinden.

Das Ziel sollte nicht erst mittels der politischen Feigenblätter, die eine gegen alle parlamentarische Regeln eingesetzte Kommission verschaffte, umgesetzt werden. Jetzt scheitern die weitere Beratung und endgültige Beschlussfassung des entsprechenden Gesetzentwurfes ausgerechnet an der CDU/CSU. Aus dieser Partei war über fast zwanzig Jahre hinweg wieder und wieder versucht worden, das umzusetzen, was die Große Koalition sich mit der Abschaffung der sogenannten “Parlamentsbeteiligung” zum Ziel gesetzt hatte.

Es muss sich nach der Einschätzung dieses Teils der jetzigen Regierungskoalition vor der im September stattfindenden Bundestagswahl um ein gefährliches Wespennest handeln. Sonst hätte die Bundeskanzlerin bei der Vorgeschichte entsprechender Absichten nicht auf das beabsichtigte neue Gesetz verzichtet. Es hat sich nach Ansicht der Bundeskanzlerin in dieser Legislaturperiode ohnehin zu viel angesammelt, was ihr seitens der Wählerinnen und Wähler bei dem Urnengang um die Ohren fliegen dürfte.

Die Zeit für parlamentarische Beratungen über die weitere Entmündigung des Deutschen Bundestages beim Einsatz der Bundeswehr dürfte unglücklicher nicht sein. Eine neue Zeit der Aufrüstung bricht derzeit an. Statt möglicher Verständigung und einer gemeinsamen Friedensordnung nach den Standards der “Charta von Paris” aus dem November 1990 in Europa, bewegt sich die NATO als globales Aggressionsbündnis an der russischen Westgrenze und der Stadtgrenze von St. Petersburg. Konflikt und Krieg in Europa sind wieder jederzeit möglich, wie es den Zielen des republikanisch-demokratischen Kriegsestablishments in Washington entspricht. Da will Frau Dr. Merkel kein “politisches Brennglas” im Deutschen Bundestag, an dem sich der aufflammende Unmut der deutschen Bevölkerung über die neue Kriegspolitik entzünden könnte.

Die Aufgabe entsprechender Gesetzgebungspläne durch die Bundesregierung auf Betreiben der CDU/ CSU beantwortet die Frage vieler Menschen im Lande, ob es überhaupt Sinn macht, sich für die eigenen Interessen “stark zu machen”, seine Rechte wahrzunehmen, auf die Straße zu gehen oder den mutmaßlichen Machthabern in Berlin oder Brüssel die “rote Karte” zu zeigen. Ja, es geht und macht Sinn. Es waren im Sommer 2014 die “Pleisweiler Gespräche” der “Nachdenkseiten”, die einer interessierten Öffentlichkeit aufzeigten, in welchem Maße durch die beabsichtigte Aufgabe des “Parlamentsvorbehaltes” die Bundeswehr in die alleinige Verfügungsgewalt des amerikanischen NATO-Oberbefehlshabers und damit des amerikanischen Präsidenten ausgeliefert werden sollte. Unsere Soldatinnen und unsere Soldaten für Präsident Trump? Gott bewahre.

Mit den “Pleisweiler Gesprächen” war der Geist einer “Bundeswehr nach dem Grundgesetz“ aus der Flasche und die Bundesregierung konnte dies nicht mehr zurückdrehen. Dazu haben auf der parlamentarischen Ebene die Abgeordneten Frau Dagdelen und Herr Dr. Neu in bemerkenswerter Weise beigetragen. Es macht Sinn, sich in Deutschland nicht alles zumuten zu lassen.


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