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Titel: Wer hat Angst vor den NachDenkSeiten?

Datum: 3. Mai 2017 um 9:07 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
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Die Faktenfinder der Tagesschau können es nicht lassen. Auch gestern gerieten die NachDenkSeiten wieder ins Visier eines sogenannten „Faktenchecks“. Es sollte um die Rettung der Ehre des Spekulanten und Philanthropen George Soros gehen. Die NachDenkSeiten werden von den Faktenfindern dabei indirekt als Beispiel herangezogen, dass Soros von einigen Seiten im Netz für die Flüchtlingsströme im letzten Jahr verantwortlich gemacht werde. Das ist ziemlich grotesk, denn sowas haben wir nie auch nur angedeutet und in unserem Artikel, den die Faktenfinder als Beweis verlinken, geht es um etwas ganz anderes: Nämlich um mögliche Interessenkonflikte, wenn die Bundesregierung wichtige Aufgaben der Exekutive an externe Dienstleister ausgliedert, die finanziell auch von ausländischen Unternehmen und Think Tanks finanziert werden. Darauf gehen die Faktenfinder jedoch nur am Rande ein. Ganz nach dem Motto: „Du musst den Gegner nur ausgiebig mit Dreck bewerfen, irgendwas bleibt davon immer hängen.“ Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

[…] Eine weitere Behauptung gegen Soros lautet, er wolle Europa mit Flüchtlingen “überfluten” und diktiere die Flüchtlingspolitik. Angeführt wird dazu das EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei. Auf den Nachdenkseiten steht zum Beispiel, das Abkommen beruhe “1:1 auf einem Strategiepapier”, das vom internationalen Think Tank ESI entworfen worden sei. Finanziert werde dieser unter anderem von Soros’ Open Society Institute. Kommentierend heißt es dazu: “Hony soit qui mal y pense, ein Schuft, wer Böses dabei denkt.”
Tagesschau-Faktenfinder, am 2. Mai 2017

Dieser kleine Absatz, in dem die NachDenkSeiten als Negativbeispiel herausgesucht wurden, ist ein echtes Meisterwerk der Rabulistik. Lesen Sie sich dazu bitte zuerst unseren Artikel vom 9. März letzten Jahres durch und schauen sich dann noch einmal den besagten Absatz an. Zum Einen fällt auf, dass es in unserem Artikel überhaupt nicht um die Frage geht, ob irgendwer Europa mit Flüchtlingen „überfluten“ würde. Es geht vielmehr ganz explizit um die Geschichte des „Merkel-Plans“, der dem Publikum damals – auch von der Tagesschau – faktenwidrig als ein Plan des türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu verkauft wurde.

Zum Anderen geht es im Artikel auch gar nicht um George Soros. Sein Think Tank Open Society Institute wird lediglich zusammen mit drei anderen Think Tanks als einer der Auftraggeber des ESI genannt, das die Vorlage zum Merkel-Plan erstellt hat. Anhand dieser Konstellation fragen wir zum Ende des Textes:

  • Wer hat den Plan beauftragt?
  • Wer hat das ESI für diese Arbeit bezahlt? Ist die Bundesregierung nicht auch der Meinung, dass eine Interessenkollision vorliegt, wenn sie sich Konzepte von einem Think Tank erarbeiten lässt, der auch von amerikanischen Interessengruppen finanziert wird?
  • Meint die Bundesregierung, dass es der demokratischen Praxis entspricht, bei derartig weitreichenden Weichenstellungen nicht nur den Bundestag, sondern auch die deutsche Öffentlichkeit an der Nase herumzuführen?

Wir haben also für Menschen, die des Lesens mächtig sind, sogar die wichtigsten Fragen, die sich aus dem Artikel ergeben, zusammengefasst und enden mit der zentralen Frage: „Warum liest, hört und sieht man davon nichts in unseren Qualitätsmedien?“ Wie die Faktenfinder nun darauf kommen, uns in die Nähe rechtsextremer Realitätsbeuger zu rücken, ist ein offenes Rätsel. Oder doch nicht?

Die Behauptung, Soros habe geplant, Europa mit Flüchtlingen zu „überfluten“, gehört schließlich zum Standardrepertoire der extremen Rechten. Ausgerechnet die NachDenkSeiten da als „Fallbeispiel“ herauszusuchen, ist eine groteske Unterstellung, die eigentlich nur den Zweck haben kann, die NachDenkSeiten in die Nähe der Rechtsextremen zu rücken. Das Schlimme daran: Diese ruchlose Methode hat immer wieder Erfolg.

Die ganze Story ist jedoch nicht nur ein moralischer, sondern auch ein professioneller Offenbarungseid der Tagesschau. Schließlich ging es uns ja damals um Interessenkonflikte und -kollisionen, die entstehen, wenn die Bundesregierung derart wichtige Papiere wie den „Merkel-Plan“ nicht selbst, sondern von Dienstleistern entwickeln lässt, für die finanziell auch Unternehmen und Stiftungen aus dem Ausland verantwortlich sind. Dass die Tagesschau eine derartige Praxis reflexhaft verteidigt, ist eigentlich nur noch traurig und ein Offenbarungseid für den gesamten Berufsstand.

Wir sehen uns nicht als Feinde, sondern als Korrektiv von Tagesschau und Co. In einer besseren Welt hätten die Kollegen unsere oben zitierten Fragen ernsthaft reflektiert und wären diesen Punkten selbst nachgegangen. Das ist schließlich die Aufgabe des Flaggschiffs des öffentlich-rechtlichen Journalismus. Offenbar sind die Kollegen aber eher in einem Freund-Feind-Denken verfangen, bei dem kritische Alternativmedien natürlich der Feind sind. Ich kann mich nur wiederholen: Wenn Tagesschau und Co. unsere konstruktive Kritik nicht annehmen und stattdessen wie im Kindergarten mit ihrem Schäufelchen unsere Sandburgen zerschlagen wollen, dann wünschen wir ihnen viel Glück … und etwas mehr Treffsicherheit. Denn bislang hauen sich die Racker aus Hamburg mit den Schäufelchen nur selbst auf die Füße.

P.s.: Und wenn die Faktenfinder der Tagesschau einmal ein wenig Hilfe beim Finden von Fakten zu George Soros benötigen – wir stehen gern kollegial zur Hilfe.


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