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Titel: Asymmetrie zu Lasten der SPD – und sie wehrt sich nicht

Datum: 3. August 2009 um 20:49 Uhr
Rubrik: einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medien und Medienanalyse
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„Nahles für Neuregelung der Dienstwagen-Verordnung“, meldete dpa am 2.8.09. Das mag ja sinnvoll sein. Aber es ist eine defensive Reaktion auf die Dienstwagengeschichte der Gesundheitsministerin. Mal abgesehen davon, dass die Sozis nicht wissen, wie man mit den Medien umgeht, ist dieses Einknicken auch die Folge der hoffnungslosen Einseitigkeit der mächtigen Medien. Haben die Medien zum Beispiel beim Ski-Unfall von MP Althaus gefragt, wie der hinter Althaus fahrende Sicherheitsbeamte auf die Piste kam? Zu Fuß von Erfurt nach Österreich? Oder mit dem Dienstwagen? Haben sie gefragt, ob Althaus zurecht sicherheitsgefährdeter ist als Schmidt? Ein bisschen Recherche würde Erkenntnisse und viele Fragen hinterlassen. Albrecht Müller

Althaus wird anders behandelt als Schmidt

Althaus hatte einen Sicherheitsbeamten mit beim Skilaufen
Ist der Ministerpräsident von Thüringen beim Skilaufen in Österreich mehr gefährdet als die Bundesgesundheitsministerin in Spanien? Welche Fahrzeuge waren mit den Sicherheitsbeamten und Althaus nach Österreich unterwegs? Wie lange und zu welchen Kosten?
Quelle: FAZ

Althaus wurde selbstverständlich mit dem Dienstwagen von der Rehabilitation in Salem abgeholt [PDF – 348 KB]. Ich würde persönlich das ja sogar noch für vernünftig halten und für eine Zumutung gegenüber den Steuerzahlern von Thüringen, die man ertragen muss. Aber warum nicht bei Schmidt in Spanien? Warum die Einseitigkeit?

Althaus durfte schon als Landesminister seinen Dienstwagen privat nutzen

Die Recherchen im Fall Althaus würden auch noch ein sehr schönes anderes einschlägiges Bonbon zu Tage fördern [PDF – 224 KB]. Am 14. Oktober 1999 hat die Landesregierung von Thüringen eine mündliche Anfrage des Abgeordneten Dittes beantwortet. Sie betraf eine Einlassung des damaligen Abgeordneten der CDU und früheren Mitglieds der Landesregierung, Dieter Althaus, zur Nutzung von Dienstwagen. Althaus meinte damals laut Thüringer Allgemeinen vom 2. Oktober 1999: „Wenn wir mal in den Urlaub wollen, darf ich den Dienst-BMW benutzen, das ist dann ein 7-er.“
In den Antworten auf die mündliche Anfrage wird klar, dass es in Thüringen Usus war und vermutlich auch noch ist, dass auch Landesminister (nicht nur Ministerpräsidenten) ihren Dienstwagen auch im Urlaub benutzen.
Wir erfahren außerdem, dass eine Genehmigung der Nutzung des Dienstwagens für Privatreisen nach den Richtlinien des Freistaates Thüringen grundsätzlich nicht erforderlich ist oder war..

Warum geht die SPD so defensiv mit der einseitigen Behandlung in den Medien um?

Was dem Landesminister Dieter Althaus gestattet war, dürfte eigentlich bei der Bundesministerin Ulla Schmidt nicht zum Tage lang debattierten Skandal hochgespielt werden. Dass dies dennoch geschieht, hat damit zu tun, dass die Sozialdemokraten rundum zahnlos geworden sind und dass sie offenbar nicht begriffen haben, was ein Wahlkampf ist. Wenn der stellvertretenden Vorsitzenden Nahles nichts besseres einfällt, als neue Regeln zu fordern, womit sie die Behandlung des Themas verlängert, statt es durch einen offensiven Schritt zu entschärfen, dann kommt die SPD nicht aus der Defensive heraus.

Die SPD hat offensichtlich ein grundsätzliches Problem im Umgang mit dem auch gegen sie gerichteten Kampagnenjournalismus.

Sie nutzt selbst diese perverse, undemokratische Art von Journalismus im Kampf gegen die Linkspartei. Da ist jedes Mittel recht. Sie übersieht dabei, dass sie erstens ebenfalls Kampagnen ausgesetzt ist (siehe Dienstwagenaffäre) und dass zweitens die Kampagnen gegen die Linkspartei auch ihr selbst schaden. Sie wird nämlich vom konservativen Teil der Gesellschaft und von der Mehrheit der Medien verdächtigt, im Notfall doch mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten. Also überträgt sich das von der SPD geschürte Misstrauen und die Stigmatisierung der Linkspartei auch auf die SPD selbst.
In jedem Fall wird das Wählerpotenzial links von Schwarz-gelb auf diese Weise dezimiert. So viel strategisches Unvermögen war selten in Wahlkämpfen.

Deshalb zwei Anregungen an Mitglieder und Freunde/innen der SPD:

  1. Drängen Sie bei SPD-Mandatsträgern und Vorständen darauf, dass diese dafür sorgen, endlich die Medienbarriere zu thematisieren, die es auch gegenüber der SPD gibt.
  2. Und werben Sie dafür, dass die SPD ihren unsinnigen Kampf gegen alles Linke aufgibt. Wie ich höre, ist sogar Gerhard Schröder schon zu der Einsicht gekommen, dass die SPD ohne die Zusammenarbeit von Rot-Grün-Rot keine Machtperspektive mehr hat.

Nachtrag mit zwei ergänzenden Artikeln zur Medienbarriere die Linke betreffend:

Linkspartei: Mit rotem Kopf
Die Linkspartei sieht sich von den Medien ausgegrenzt – jetzt soll es dagegen sogar Mahnwachen geben.
Von Matthias Meisner
Berlin – Meinungsmache, Diffamierung, systematische Ausblendung von Inhalten – mit diesen Vorwürfen greift eine im Dienste der Linkspartei gegründete Wählerinitiative jetzt massiv die Medien in Deutschland an. Die Aktivisten sehen Oskar Lafontaine und seine Partei ausgegrenzt, weil sich die Linke mit ihren Forderungen nach sozialer Sicherheit und gegen den Krieg in Afghanistan „gegen die herrschende Meinung in den Medien und gegen die Interessen der Medieneigentümer“ stelle, wie es im Aufruf heißt. Als Schirmherren der Initiative treten auf: Peter Sodann, Schauspieler und jüngst Bundespräsidentenkandidat der Linken, der Bildhauer Alfred Hrdlicka, der Musiker Manfred Maurenbrecher sowie der Kabarettist Dietrich Kittner.
Quelle: Tagesspiegel

Erzengel und Belzebub
Rudolf Stumberger 03.08.2009
Lafontaine und die groteske Kampagne der Medien
“Einmal muss Schluss sein!” Das hat sie, die Redakteurin der Frankfurter Rundschau (FR), ganz eigenverantwortlich beschlossen, “ohne Rücksprache mit irgendeinem Vorgesetzten”. Schluss mit was? Mit den inzwischen 14-Seiten-langen Kommentaren zu einem FR-Artikel über Maybritt Illners Sendung “Illner Intensiv” mit Politikern der Linken, darunter Oskar Lafontaine. Die Kommentare äußern sich in der Regel kritisch zu dem Artikel und einige beklagen einen politischen Kurswechsel der Zeitung.
Quelle: Telepolis


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