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Titel: Aktuelle Beobachtungen zu den Hauptlinien der Manipulation zur Entlastung der Regierungsparteien

Datum: 16. September 2009 um 14:33 Uhr
Rubrik: Manipulation des Monats, Medien und Medienanalyse, Wahlen
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Gestern erwies sich das ZDF wieder einmal als willfähriges Kampagnenmedium. In den Nachrichtensendungen (z.B. „heute“) wurde am Jahrestag des Zusammenbruchs von Lehman Brothers durchgehend dieses Ereignis als Beginn der Finanzkrise dargestellt. Für den nichtwissenden Zuschauer blieben keine Zweifel an diesem Zusammenhang, obwohl dies rundum nicht stimmt. Dazu gleich mehr. Die Botschaft des ZDF und vieler anderer Medien passt haargenau in das Kampagnenkonzept der großen Koalition. Albrecht Müller

Zwei wichtige Lernziele dieser Kampagne waren im Duell/Duett zwischen Merkel und Steinmeier am vergangenen Sonntag und eben gestern bei den Berichten und Bewertungen des Zusammenbruchs von Lehman Brothers zu erkennen:

Erstes Lernziel:
Wenn die Finanzkrise nicht gekommen wäre, dann wären wir wirtschaftspolitisch und finanzpolitisch fein raus. Wir hätten einen Boom und die Arbeitslosigkeit ginge zurück – dank der Agenda 2010-Politik und der umsichtigen Wirtschafts- und Finanzpolitik von Merkel, Steinmeier und Steinbrück.

Zweites Lernziel:
Für die Finanzkrise sind die deutsche Regierung und auch die deutschen Finanzinstitute nicht verantwortlich. Die Krise hat ihren Ursprung in den USA und wurde vom Zusammenbruch von Lehman Brothers ausgelöst.

Wenn diese beiden Botschaften gelernt sind, dann sind CDU-CSU und SPD aus der Verantwortung – und übrigens auch die an der rot-grünen Agenda 2010 beteiligten Grünen sowie die über den Bundesrat und parallel laufende Forderungen ebenfalls beteiligte FDP.

Was von der ersten Behauptung zu halten ist, haben wir in den NachDenkSeiten oft beschrieben, zuletzt im Beitrag vom 14. September, Ziffer 2 a.

Dass lange vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers die Finanzwirtschaft auch in Deutschland in einer Krise steckte und die Politik dieses wusste und sogar beförderte, beschreiben wir quasi seit Beginn unserer Arbeit in den NachDenkSeiten. Wichtige Hinweise finden sich in der Serie über die Finanzkrise, andere in früheren Beiträgen.

Hier einige Stichworte zu Ereignissen, die belegen, dass die (leider auch öffentlich-rechtlich verbreitete) Behauptung, die Finanzkrise habe mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers begonnen, schlicht die Unwahrheit ist:

  • Der Zusammenbruch der privaten Industriekreditbank (IKB). Das Desaster war im Sommer 2007 öffentlich sichtbar geworden, die IKB war lange vor dem Ende von Lehman Brothers mit staatlichen Milliarden gerettet worden.
  • Die Entwicklung der Aktienmärkte, die seit 1982 alles andere als ein Abbild realer Vorgänge war: hoch spekulativ, mit absurden Kurssprüngen nach unten und nach oben. Siehe dazu “Den Kapitalmarkt effizienter organisieren – Konversion ist angesagt (Teil I)“, dort insbesondere Ziffer 3. Diese Entwicklung der Aktienmärkte hat vielen Menschen hohe Verluste eingebracht, und sie hat auch Finanzinstitute in Schwierigkeiten geraten lassen.
  • Die Krise der HypoVereinsbank, bedingt vor allem durch Fehlspekulationen mit Hypotheken in Ostdeutschland und die Auslagerung der schlechten Risiken in die HRE.
  • Die Krise der HRE – bei weitem nicht erst durch Lehman Brothers verursacht. Die Parteien der großen Koalition wollen diese Zusammenhänge vertuschen und haben deshalb im HRE-Untersuchungsausschuss Fragen nach den weiter zurückliegenden Ursachen unterdrückt. Wenn Sie sich damit genauer beschäftigen wollen, hier ein Link auf die Protokolle.
  • Vertreter der Bundesregierung einschließlich des Bundeskanzlers Schröder trafen sich schon am 16.2.2003 mit den Spitzen der Finanzwirtschaft, also von Banken und Versicherungen, zu einem Krisengespräch. Schon damals wurde die Gründung einer Bad Bank mit staatlicher Stützung gefordert. Weil das Treffen der Öffentlichkeit bekannt geworden war, ließ man den Vorschlag offiziell fallen.
  • Auch die hohen, aus unverantwortlichen Spekulationen folgenden Verluste bei anderen privaten Instituten und bei öffentlichen Instituten wie den Landesbanken HSH Nordbank und WestLB waren lange vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers erkennbar.
  • Und so weiter und so fort.

ARD rettet den Ruf der Öffentlich-rechtlichen

Plusminus brachte gestern Abend ein wirklich aufklärendes Stück zur Lehman-Legende. Der Einführungstext und der Link dazu findet sich hier:

Die Lehman-Legende
Jahrestag der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers: Immer noch wird von vielen Bankern und Politikern an der Legende gestrickt, dass dieser Bankrott eine Wirtschaftskrise ohne Beispiel ausgelöst hat. Unsinn, denn die meisten deutschen Finanzhäuser gerieten schon viel früher in Schieflage.
Quelle: ARD/Plusminus

Bemerkenswert, gut und hilfreich.

Fazit:

Machen Sie bitte Menschen in Ihrem Umfeld auf die erkennbare und auf den Wahltermin zielende Manipulation des ZDF und anderer Medien aufmerksam. Spielen Sie zum Beispiel den kurzen Beitrag von Plusminus vor, das dauert nur 5 min und 40 s.
Und erinnern Sie dabei bitte auch an den Versuch von Merkel und Steinmeier, mit ihrem Auftritt beim Duell am Sonntag uns alle das erste Lernziel erreichen zu lassen: Alles wäre gut, wenn es die Finanzkrise nicht gegeben hätte. – Auch das ist schlicht die Unwahrheit: Millionen Menschen wären dennoch weiterhin arbeitslos oder in prekären Arbeitsverhältnisse. Millionen Menschen konnten schon vor der Krise mit dem von ihnen verdienten Geld ihre Familien nicht versorgen und müssen aufstocken. Ein großer Teil unserer Jugend hat nach wie vor keine guten, beruflichen Perspektiven.
Dafür gibt es ganz andere Gründe; mit der Finanzkrise und dem Zusammenbruch von Lehman Brothers hat das nichts zu tun.

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