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Titel: Nachträge zu unseren letzten Beiträgen zur Wahl

Datum: 26. September 2009 um 19:35 Uhr
Rubrik: Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, SPD, Wahlen
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Der Wahlkampf endet mit ein paar leicht erkennbaren Kampagne-Elementen. Albrecht Müller

  1. Hans-Ulrich Joerges versucht noch schnell, der SPD beim Wahlziel auf die Sprünge zu helfen: Pro Große Koalition und Steinbrück Scholz und Co.

    Ein Leser der NachDenkSeiten macht uns auf ein gut gemachtes Video aufmerksam. Hier seine Mail:

    Liebe Nachdenkseiten-Redaktion,
    leider hatten Sie wieder einmal recht bezüglich der düsteren politischen Aussichten nach der Wahl. Falls es für schwarz-gelb nicht reicht wird die Meinungsmachemaschinerie bereits warm gefahren. Man darf sicher sein, dass die Herren Steinmeier, Steinbrück & Co sich nicht zweimal bitten lassen werden. Auch wenn dies, das endgültige Aus für die SPD als ernst zunehmende politische Kraft bedeutet. Hier:
    Genossen, steht zu Schwarz-Rot!
    Frank-Walter Steinmeier wird Kanzler? Glaubt doch kein Mensch mehr. Die SPD muss offensiv für eine Große Koalition werben – mit den Herren Steinbrück, Scholz und Gabriel.
    Sagt Hans-Ulrich Jörges.

  2. Der Stern hatte übrigens schon am Donnerstag auf die zu erwartende Wahlinterpretation („Ab 30 Prozent würde Steinmeier die Niederlage glattweg bestreiten.“) hingewiesen. Ein lesenswerter Beitrag:

    “Merkeln” durch das Wahlkampf-Finale
    Angela Merkel ist so entrückt, dass selbst Helmut Kohl nichts Originelles einfällt. Sie weilt auf dem Gipfel in Pittsburgh, Steinmeier in der Provinz. Es sind die letzten Tage des Wahlkampfs. stern-Redakteure bewerten die Auftritte.
    […]
    Merkel trifft am Sonnabend in Pittsburgh Obama, Frank-Walter Steinmeier trifft am Sonnabend in Detmold Guntram Schneider. Der letzte Tag des Bundestagswahlkampfes 2009 bringt die ganze Veranstaltung noch einmal auf den Punkt: Merkel ist die Nummer 1, Steinmeier die Nummer 2, sie ist Kanzlerin, er ist Vizekanzler. Steinmeier kommt einfach nicht an Merkel vorbei. Er hat keine Partner, mit deren Hilfe er die gute Frau aus ihrem Amt verdrängen kann. Offen ist nur noch, mit welchem Ergebnis die SPD die Wahl verliert: mit 24 Prozent (GAU), 26 Prozent (Katastrophe) oder 28 Prozent (Problem). Ab 30 Prozent würde Steinmeier die Niederlage glattweg bestreiten.
    Während Merkel also in den USA auf dem G-20-Gipfel über die Rettung der Welt verhandelt, beendet Steinmeier seinen aussichtslosen Wahlkampf in seiner Geburtsstadt Detmold mit einer Veranstaltung auf dem Theaterplatz. An der Kundgebung teilnehmen wird unter anderem der SPD-Bundestagskandidat Guntram Schneider aus dem benachbarten Bielefeld. Wenn Steinmeier allerdings könnte, wie er wollte, würde er seinen Wahlkampf einfach fortsetzen. Er ist ja plötzlich auf den Geschmack gekommen. Er fühlt sich jetzt als richtiger Politiker. Er träumt sogar von einer Karriere als Parteipolitiker.
    Fans, Unterstützer und Mitglieder der SPD, hinsetzen und tief durchatmen: Frank-Walter Steinmeier ist offenbar entschlossen, neuer Parteivorsitzender und neuer Fraktionschef im Bundestag zu werden. Nein, nein, kein Scherz! Das ist der Zustand der SPD im Herbst 2009 nach einem denkwürdigen Wahlkampf.
    […]
    Quelle: Stern

  3. Rundum unkritisch wird der Auftritt und angebliche Erfolg der deutschen Seite in Pittsburgh berichtet und interpretiert.

    Steinbrück hatte vor dem Gipfel einen Konflikt mit den Briten und den USA inszeniert. (Siehe dazu unsere früheren Beiträge, z.B. hier) Jetzt stellen sich Merkel und Steinbrück als vereinte Sieger dar, übrigens auch mit der hoch problematischen Forderung nach einer „Exit-Strategie“ aus den Beschäftigungsprogrammen. Sie tun so, als wäre unser Problem, dass wir demnächst eine boomende Wirtschaft haben werden. Sie setzen ganz auf die in Deutschland übliche Inflationsangst. Diese beiden Personen haben wirklich in wirtschaftspolitischen Dingen keinen Hang zum sachlich notwendigen. Die zu erwartende Erhöhung der Arbeitslosigkeit durch Entlassungen nach der Wahl bedrückt unser Führungspersonal nicht.

  4. In mehreren Printmedien wird noch einmal die Behauptung unterfüttert, es sei richtig gewesen, die HRE vollständig zu retten.
    Hier zum Beispiel in der Frankfurter Rundschau gleich drei Artikel:

    Chronologie der HRE-Rettung
    “Ansonsten steht am Montag keine deutsche Bank mehr”
    Die Hypo Real Estate wurde buchstäblich in letzter Minute gerettet. Aus einem 16-seitigen Vermerk der Finanzaufsicht Bafin, welcher der FR vorliegt, geht die Dramatik des Verhandlungs-Wochenendes hervor.
    Quelle: FR

    Fragen und Antworten zur HRE
    Die Profiteure haben Namen
    Von Antje Schüddemage und Bernd Salzmann
    Quelle: FR

    HRE-Verstaatlichung
    Der Stützungsfall
    Von Thomas Magenheim und Bernd Salzmann
    Politik, Aufsicht und Finanzindustrie hatten vor genau einem Jahr die Wahl. Sollten sie, wie wenige Tage zuvor in Übersee mit der US-Investmentbank Lehman Brothers geschehen, eine große Bank in Deutschland pleitegehen lassen oder sie in einer konzertierten Aktion retten. Wegen unkalkulierbarer Risiken für das gesamte Finanzsystem entschieden sie sich in letzter Minute dafür, die Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) mit Milliardenbeträgen zu stützen. Zwölf Monate später sorgen die Münchner immer mal wieder für negative Schlagzeilen. Doch so langsam kommen sie mit Hilfe des Staates wieder auf die Beine.
    Quelle: FR

    Kommentar: Das ist alles nicht sonderlich neu. Und der mit kritischen Daten gefüllte kurze Artikel zu den Profiteuren hätte eigentlich auch die Frage auslösen können, ob die Behauptung, am Montag stehe keine deutsche Bank mehr, wenn die HRE in die Insolvenz gehen würde, richtig gewesen sei. Wegen 1,81 Milliarden € verlorener Forderungen an die HRE wäre die Deutsche Bank nicht eingegangen, die Postbank nicht wegen 0,98 Milliarden, die Bayern LB nicht wegen 2,12 Milliarden und die italienische UniCredit nicht wegen 2,02. Das war Panikmache zulasten von uns Steuerzahlern.
    Im Artikel mit dem Titel „Stützungsfall“ wird aus meiner Sicht trotz aller Skepsis zu viel Hoffnung gemacht, dass die Rettung gut gehen könnte und uns letztlich nicht so viel kosten würde. Eines der hohen Risiken wird in einen ziemlich lapidaren Absatz gepackt. Da wird über die Tätigkeit und Sanierungsstrategie des HRE-Chefs Axel Wieandt, eines Zöglings von Ackermann, berichtet und dann heißt es:

    „Nach knapp 5,5 Milliarden Euro Verlust 2008 erwartet PWC dieses Jahr vor Steuern zunächst weitere 2,6 Milliarden Euro Miese bei der HRE. Für 2010 und 2011 kalkulieren die Experten nochmals mit jeweils 1,6 Milliarden Euro Defizit. Für die folgenden Jahre bis 2019 kalkulieren die Prüfer mit addiert 3,4 Milliarden Euro Gewinn.

    Voraussetzung dafür ist unter anderem die Bildung einer eigenen Bad Bank, die die HRE noch 2009 beim Soffin anmelden will, um Risikopapiere aus der 389 Milliarden Euro schweren Bilanz auszulagern. Ein Portfolio, bestehend aus Wertpapieren und Immobilienkrediten im Volumen von 200 Milliarden Euro oder mehr, könnte in der Bad Bank landen, schätzen Insider. Wie die Endbilanz der HRE einmal aussehen könnte, kann derzeit niemand seriös abschätzen.“

    So lautet der Text in der elektronischen Fassung. In der gedruckten Fassung ist es noch ein bisschen lapidarer. Interpretieren wir diesen Text einmal: Da wird eine Prognose über einen Gewinn von 3,4 (!) Milliarden € bis 2019 gemacht und im nächsten Absatz berichten sie dann, Voraussetzung dafür sei aber, dass 200 (!) Milliarden € schlechte Risiken in eine Bad Bank ausgelagert werden. Im Kern zulasten des Staates. Wenn das so geht, dann möchten wir doch alle Bankiers sein.
    Schade dass die Frankfurter Rundschau – wie andere Blätter auch – so oberflächlich über diese Fakten hinweg huscht. Ziel ist offensichtlich, unsere finanzpolitische Führungsspitze um Merkel und Steinbrück in einem guten Licht erscheinen zu lassen. Sie haben uns schließlich die Milliardenlast der HRE eingebrockt.
    Eine rühmliche Ausnahme war bei diesem Thema der Berliner Tagesspiegel. Siehe unseren Beitrag dazu.

  5. Wahlumfragen
    Merkel muss um Schwarz-Gelb zittern

    Die Bundestagswahl am Sonntag gerät zum Kopf-an-Kopf-Rennen, der schwarz-gelbe Vorsprung vor Rot-Rot-Grün schmilzt stetig. Einer neuen Umfrage zufolge könnte es sogar einen Gleichstand zwischen den Lagern geben.
    Berlin – Unmittelbar vor der rechnet die Mehrzahl der Wahlforscher und Experten mit einem knappen Wahlausgang. Nach den letzten Befragungen der großen Institute gehen Union (um 35 Prozent) und FDP (13 bis 14) mit einem Vorsprung in die Wahl. SPD (24 bis 26), Linke (10 bis 11,5) und Grüne (10 bis 11) liegen addiert allerdings nicht weit dahinter.
    Nach dem am Freitag veröffentlichten Forsa-“Wahltrend” für RTL und “Stern” könnte es sogar einen Gleichstand geben: Union und FDP liegen demnach gemeinsam nur noch bei 47 Prozent und damit gleichauf mit SPD, Grünen und Linkspartei, die zusammen ebenfalls mit 47 Prozent rechnen könnten.
    Nach der neuen Forsa-Umfrage verliert die Union im Schlussspurt zwei Punkte und kommt auf 33 Prozent. Die FDP legte erneut einen Punkt auf 14 Prozent zu. Die SPD verliert im Vergleich zum Wochenanfang einen Punkt und liegt bei 25 Prozent. Die Grünen büßen einen Punkt auf 10 Prozent ein. Hingegen legt die Linkspartei um zwei Punkte auf 12 Prozent zu. 26 Prozent der Wähler seien noch unentschlossen, für wen sie am Wahltag stimmen sollten, teilte RTL mit.
    Lediglich die für das ZDF arbeitende Forschungsgruppe Wahlen ging am Freitag fest von einem Sieg für Union und FDP aus. “Es gibt keine Trendumkehr”, sagte Institutschef Matthias Jung dem “Tagesspiegel”. Schwarz-Gelb werde eine knappe, aber sichere Mehrheit gewinnen, die SPD dagegen mit maximal 25 Prozent ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis im Bund einfahren.
    Quelle: SpiegelOnline

    Kommentar AM: Durchweg Kaffeesatzleserei. Man fragt sich, was für einfältige Medien wir haben. Sie machen dieses Spiel immer wieder neu und unentwegt mit. Am Wahlabend stellen sie dann stets fest, dass sich die Umfrageinstitute leider getäuscht haben.


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