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Titel: Der Offenbarungseid der taz

Datum: 21. März 2018 um 12:34 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik, Militäreinsätze/Kriege
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Kriege werden zwar von den Generalstäben geplant; um sie zu beginnen, braucht es jedoch die Federn aus Stahl – Journalisten, die der Öffentlichkeit wortgewandt erklären, warum man mit Diplomatie nicht weiterkommt und die die gesellschaftlichen Koordinaten verschieben. So geschehen 1999, als Deutschland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg im Kosovo führte, nachdem die Medien die Öffentlichkeit darauf eingeschworen hatten, man müsse „ein zweites Auschwitz verhindern“. So geschehen vor 15 Jahren, als die USA und Großbritannien 2003 den Irak überfielen, nachdem die Medien die Öffentlichkeit mit erfundenen irakischen Massenvernichtungswaffen auf den Völkerrechtsbruch einschworen. Ein wackerer Kämpfer für die Verschiebung der Koordinaten ist der taz-Auslandschef Dominic Johnson. Er trommelte 1999 für den Krieg und erklärte 2003 gar das Völkerrecht für ungültig. Aktuell trommelt der unbelehrbare Falke in der taz gegen Russland und zeigt dabei einmal mehr, wes Geistes Kind er ist. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Lesen Sie dazu bitte auch den Artikel „Kriegstreiber in Latzhosen“ vom 30. September 2016, in dem ich mich hauptsächlich mit Johnsons Getrommel für einen Eintritt in den Krieg in Syrien beschäftigte.

Johnson ist natürlich kein Dummkopf, der mit dem Stetson wedelnd „Horray!“ ruft und es für süß und ehrenvoll hält, für das Vaterland zu sterben. Nein, Dominic Johnson ist ein moderner Falke, der es vor allem auf die Koordinaten des linksliberalen Bürgertums abgesehen hat. Und in diesem Klientel kommen schießwütige Cowboys nicht gut an. Darum arbeitet Johnson auch so gerne mit Vergleichen und Metaphern. Um den Angriffskrieg gegen Serbien herbeizuschreiben, griff er beispielsweise zu dem geradezu widerwärtigen Mittel, die Serben in eine Reihe mit den Hutu in Ruanda zu stellen und die NATO-Luftangriffe als Lehre aus dem Völkermord an den Tutsi umzudeuten. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg, der damals der erste Krieg war, der seit 1939 wieder mit von deutschem Boden ausging, war für ihn daher auch ein „zivilisatorischer Fortschritt“. Es gehört schon viel menschliche Niedertracht dazu, ausgerechnet die ermordeten Tutsi für einen Angriffskrieg zu instrumentalisieren. Bemerkenswert auch: Johnson hat die Lügen, mit denen die NATO den Krieg vorbereitet hat, nicht etwa hinterfragt, sondern vollkommen ohne Not noch mit seinem dreisten Ruanda-Vergleich verstärkt.

Im Vorfeld des Irakkriegs war es das mörderische kambodschanische Pol-Pot-Regime, mit dem Johnson wie üblich komplett geschichtsvergessen für Bushs und Blairs Irakkrieg getrommelt hat. Diesmal geiferte er gleich noch offen gegen „die Kriegsgegner“ und stellte die häufigen Regimewechsel durch Angriffskriege in Afrika allen Ernstes als Vorbild für die internationale Diplomatie dar. „Das Völkerrecht gilt nicht“, so Johnson. Stattdessen seien die „Menschenrechte“ der Test, ob ein Krieg gerechtfertigt sei oder nicht … Der Text entstand wohlgemerkt über ein Jahr nach der Eröffnung von Guantanamo. Ein Krieg ist nach den Vorstellungen eines Dominic Johnson dann gerecht, wenn er die Menschenrechte stärkt. Über die Rechtfertigung der vietnamesischen Invasion in Kambodscha leitet er dann die Rechtmäßigkeit des Westens her, in den Irak einzumarschieren. Das ist schon besonders starker Tobak. Wer nun denkt, dass die ehemals linke taz doch eigentlich kein Platz für einen kriegslüsternen Schreibtischtäter ist, kennt die taz nicht. Johnson wurde 2011 sogar zum Auslandschef der taz ernannt.

In dieser Position trommelt er seitdem für ein „hartes Vorgehen“ gegen Russland. Mit welchen Mitteln er dabei arbeitet, zeigt sein jüngstes Elaborat. Um den taz-Lesern den Anschlag auf den russischen Doppelagenten Sergej Skripal in seinem Sinne zu erklären, greift Johnson wieder einmal zu einer mehr als schrägen Metapher, bei der es um einen einschlägig vorbestraften Autohalter geht, mit dessem Wagen zwei Menschen überfahren wurden und der sich nun mit fragwürdigen Ausflüchten herauszuwinden versucht, um der Strafverfolgung zu entgehen.

Eine schönere und einseitigere Metapher hätte sich Dominics Namensvetter Boris Johnson sicher auch nicht ausdenken können. Der Autohalter – also der Russe – ist also einschlägig vorbestraft? Warum? Hat Russland je Chemiewaffen eingesetzt? War es denn nicht Russland, das von der OPCW ausdrücklich für die zertifizierte Zerstörung seiner C-Waffen gelobt wurde, während die USA sich dafür noch bis 2023 Zeit lassen wollen und Israel die Chemiewaffenkonvention noch nicht einmal ratifiziert hat. Aber was interessieren einen Dominic Johnson schon Fakten. Bereits das Grundkonstrukt seiner Metapher ist schließlich schräg, denn warum sollte ausgerechnet Russland der Autohalter in seiner Geschichte sein? Johnson hinterfragt die offizielle britische Erklärung nicht, sondern überholt Westminster in Sachen Bellizismus sogar noch in Lichtgeschwindigkeit.

Wie wenig Dominic Johnson verstanden hat und wie korrumpiert er ist, zeigt die zweite Hälfte seiner Metapher. Darin stellt ja wohl Großbritannien die Rolle der Polizei dar. Und spätestens an dieser Stelle wird es komplett absurd. Offenbar hat Johnson bereits die komplette Vorgeschichte des Irakkriegs vergessen – die von Blairs Kommunikationsdirektor Alastair Campbell in Umlauf gebrachten Februar- und September-Dossiers, die von vorne bis hinten gefälscht waren und auf deren Basis der Irakkrieg der Öffentlichkeit schmackhaft gemacht wurde. Natürlich kann auch der, wer einmal gelogen hat, die Wahrheit sprechen; aber gerade als Journalist sollte man doch aus den Lügen der Vergangenheit lernen.

Um bei Johnsons Metapher zu bleiben, wäre der Polizist ja gerade eben der Vorbestrafte, der schon mehrfach aktenkundig Beweismittel gefälscht hat. Und schon bricht Johnsons Märchen vom vermeintlichen Rechtsstaat zusammen. Aber mit dem Rechtsstaat hat der Mann, der das Völkerrecht ausdrücklich nicht anerkennt, auch ansonsten seine Probleme. Zumindest dann, wenn es um Russland geht. Erst vor einer Woche wütete Johnson mal wieder über die seiner Meinung nach zu laschen „Antworten“ der von ihm ansonsten ja sehr geschätzten Theresa May. „Kalter Krieg reicht nicht“ so Johnson, der allen Ernstes vorschlägt, „russisches Kapital“ vom „Londoner Immobilien-, Finanz- und Rohstoffmarkt“ anzutasten. Auf welcher rechtlichen Basis das vonstatten gehen soll, verschweigt er freilich. Erinnert nur mich das an die „Requirierung jüdischen Kapitals“ im Dritten Reich?

Wie es so weit kommen konnte, dass Teile des deutschen Volkes sich vor nicht einmal 80 Jahren einen Krieg geradezu herbeigesehnt haben, beschreibt Sebastian Haffner in seinem sehr lesenswerten Buch „Von Bismarck zu Hitler“ sehr anschaulich. Wie viele andere Historiker schreibt auch Haffner den Journalisten einen großen Teil der Verantwortung zu. Sollte es wirklich zu einem neuen Krieg mit Russland kommen, werden Historiker mit Sicherheit Schreibtischtäter vom Schlage eines Dominic Johnson zur Rechenschaft ziehen. Er trägt dazu bei, die Koordinaten der Öffentlichkeit zu verschieben und tritt dabei in die Fußstapfen der unseligen Vertreter der Zunft, die Haffner nicht einmal mit dem Allerwertesten angesehen hätte. Auch dies ist ein Zeichen des beängstigenden gesellschaftlichen Wandels, den wir momentan in der gesamten westlichen Welt durchleben.


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