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Titel: Der neoliberalen Ideologie mangelt es auch an ökonomischer Effizienz.

Datum: 28. Januar 2010 um 17:23 Uhr
Rubrik: Denkfehler Wirtschaftsdebatte, Neoliberalismus und Monetarismus, Privatisierung, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Die folgenden Gedanken sind als eine Anregung für NDS-Leserinnen und -Leser gedacht, die sich wie wir mit der herrschenden Ideologie auseinandersetzen.
Meist beklagen wir ja, dass die Neoliberalen die Werteorientierung verloren haben und insbesondere das Gebot sozialer Gerechtigkeit verletzen. Das ist richtig. Aber die Auseinandersetzung mit der neoliberalen Plage könnte um vieles effektiver sein: die Umsetzung der Rezepte Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung sowie die Zerstörung sozialer Sicherungssysteme hat zu einer maßlosen Verschwendung von Ressourcen geführt. Albrecht Müller

Dazu ein paar Stichworte:

  1. Wenn sich die Banken auf die eigentliche Funktion des Kapitalmarktes beschränken, zwischen dem angesammelten Sparkapital incl. Krediten der Zentralbanken und dem Investitionsbedarf zu vermitteln, und ansonsten den Zahlungsverkehr zu sichern, dann kommt dieser Wirtschaftszweig mit sehr viel weniger Ressourcen zu Recht, als das bei gleichzeitigem Betrieb eines Finanzcasinos nötig ist. Der Finanzsektor ist heute weit überdimensioniert; wir haben ein echtes Konversionsproblem; das ist eine Folge der Deregulierung und Förderung des Casinobetriebs durch die neoliberal eingefärbte Politik. Siehe dazu auch den Beitrag Finanzkrise I vom 7. Januar 2009. Symptomatisch für die Verschwendung von Ressourcen in diesem Bereich ist der Anteil des Finanzsektors am Bruttoinlandsprodukt in einschlägigen Ländern. In Großbritannien zum Beispiel war er auf 10 % des BIP gestiegen. Dieser Anstieg folgt teilweise aus den ungeheuer hohen Vergütungen in diesem Bereich, teilweise aber auch aus den für den Casinobetrieb gebrauchten menschlichen Ressourcen. Intelligente junge Leute tummeln sich auf einem gesamtwirtschaftlich betrachtet unproduktiven Sektor – in der Spekulation.
  2. Die Altersvorsorge wurde teilprivatisiert. Das macht das System um vieles teurer als zuvor. Zur Bewirtschaftung der gesetzlichen Rente werden nur knapp über einem Prozent der Beiträge gebraucht; zum Betrieb und Vertrieb der Riester-Rente und der Rürup-Rente sind zwischen 10 und 20 % des Prämienaufkommens fällig. Hier wie in anderen Fällen macht es zum besseren Verständnis Sinn, die Vorgänge aus einer güterwirtschaftlichen Perspektive zu betrachten, anders ausgedrückt: in real terms zu denken. Die Privatvorsorge verlangt den Einsatz von Versicherungsagenten und Werbeagenturen, von Konzernbossen, Börsen und so weiter.
  3. Bei der Krankenkostenvorsorge wird auch mehr und mehr privatisiert. Das einigermaßen funktionierende System der gesetzlichen Krankenkassen wird zusehends destabilisiert. Es soll Wettbewerb geben, was gut klingt. Die dahinter steckenden Ideologen stellen sich vermutlich auch vor, dass die Menschen genügend Informationen und auch die nötige Freiheit und persönliche Sicherheit haben, um sich angesichts verschiedener zusätzlicher Beiträge für eine andere Krankenkasse zu entscheiden. Das ist eine ziemlich abwegige Vorstellung. Die meisten Menschen sind sehr unsicher und können beim besten willen nicht richtig beurteilen, ob ein Umstieg auf eine andere Krankenkasse Sinn macht. – Hinzu kommt, dass auch hier wie bei der Altersvorsorge ein Wust von neuen Bürokratien bei privaten Versicherungsgesellschaften geschaffen wird. Lauter verschwendete Ressourcen.
  4. Durch die de facto Privatisierung der Telekom, der Energiewirtschaft, der Bahn und anderer öffentlicher Unternehmen wurde es nötig, Regulierungsbehörden zu schaffen. Man weiß oder man merkt, dass man in der Gefahr steht, ein öffentliches Monopol durch ein privates Monopol oder Oligopol zu ersetzen. Um dennoch Monopolpreise zu vermeiden, versucht man Aushilfe über Regulierungsbehörden zu schaffen. Und dann entscheidet ein Beamter über Trassenpreise usw. Soll das eine Verbesserung sein? In der Regel ist es eine Verschwendung von Ressourcen.
  5. Die Privatisierung des Paketdienstes ist ein besonders gutes Beispiel. Wieso soll es volkswirtschaftlich von Nutzen sein, wenn drei Lieferwagen verschiedener Paketzusteller nacheinander täglich die gleichen Straßen befahren, um Pakete auszuliefern.
  6. Teilprivatisierung öffentlicher Unternehmen und Einrichtungen über PPP, also über Private Public Partnerschaft ist eine Vergeudung von Ressourcen. Es werden Unternehmen tätig, die alle zusätzlich daran verdienen wollen.
  7. Der Handel mit Emissionsrechten ist ebenfalls ein Beispiel für die Verschwendung von Ressourcen.
  8. Die Ergänzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, also des Fernsehens und Hörfunks, durch kommerzielle Sender hat uns ein Mehr an Programmen gebracht und ansonsten eine Anpassung nahezu aller Sender an das niedrigste Niveau und an die gängigen Propagandalinien. Soll das ein Vorteil sein? Was haben wir von zu vielen Programmen? Was haben wir von ihrer Kommerzialisierung? Die Versorgung mit Fernsehen und Hörfunk war vor dem „Urknall“ im Jahr 1984, als die Regierung Kohl die Kommerzialisierung zuließ und förderte, keinesfalls schlechter. Heute ist dieser Wirtschaftszweig überdimensioniert und verbunden mit allerlei Nachteilen für die Gesellschaft und die Demokratie.

Das waren einige von vielen möglichen Beispielen für Ressourcenverschwendung und mangelnde Effizienz einer Gesellschaft, die sich an den neoliberalen Glaubenssätzen orientiert. Oft sind die neoliberalen Glaubenssätze auch nur vorgeschoben, oft geht es nur darum, Spezies Geschäftsfelder zu eröffnen. Beispiele und Belege für diese These kommen heutzutage fast täglich auf den Tisch. Und dabei wird die Rolle der FDP als Partei der Geschäftemacher und der Ressourcenverschwendung in besonderer Weise sichtbar.

Es gibt gute Gründe, die herrschenden Ideologen genau auf dem Feld zu attackieren, dass sie meinen, besonders’ gut zu beackern.


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