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Titel: Leserbriefe zur Sammlungsbewegung #Aufstehen

Datum: 23. August 2018 um 12:00 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Leserbriefe, Soziale Bewegungen
Verantwortlich:

Zur neu gegründeten Sammlungsbewegung und den Berichten auf den Nachdenkseiten darüber:

haben sich wieder viele Leser ihre eigenen Gedanken gemacht, von denen einige nachfolgend zu finden sind. Zusammengestellt von Moritz Müller.


1. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller, liebes Team der Nachdenkseiten,

zunächst einmal vielen Dank für Ihre Arbeit! Ich schätze Ihr Engagement für eine kritische Öffentlichkeit sehr. Die von Ihnen bereitgestellten Informationen ermöglichen mir einen greifbaren Einblick in Vorgänge in unserer Gesellschaft und auf unserem Planeten. Sie bringen mich der Wahrheit ein Stück näher.

Nun aber zum Anlass meiner Nachricht: Dem Gespräch mit Frau Wagenknecht zu Ihrer Sammlungsbewegung. Ein paar Worte vorweg: Jene Medienkritik, die insbesondere von Herrn Müller sehr stark an einzelnen Personen aufgehängt wird, kann ich oft nicht teilen. Ein systematischer Zugang bietet in meinen Augen die Möglichkeit die breite Basis an Mechanismen besser besser darzustellen, welche umgekehrt nötig sind, um eine Verbesserung herbeizuführen. So sind die Missstände des Journalismus allgegenwärtig. Dazu möchte ich positiv an den Artikel erinnern, in dem auch die unterschiedlichen Ansichten zur diesem Thema innerhalb Ihrer Redaktion angesprochen wurden.

Umso mehr überraschten mich die freundlichen Fragen an Frau Wagenknecht.

Denn Kritik an Ihrer Sammlungsbewegung ist berechtigt und notwendig. Ich habe noch nicht viele Informationen zu dem Thema gesammelt, habe mir aber erwartet, dass über die Vorstellung der Idee hinaus, Herr Müller nach der Existenzberechtigung einer Bewegung außerhalb der Parteienstruktur fragen wird. Die von mir hoch geschätzte Frau Wagenknecht hätte diese Fragen im Gegenzug nach meiner Erwartung mit Bravour beantwortet. So jedoch kam mir der Begriff „Gefälligkeitsgespräch“ in den Sinn und tatsächlich war es ja als Gespräch angekündigt. So möchte ich fragen, ob das Konzept eben keine kritische Befragung war und, falls dies zutrifft, weshalb die Nachdenkseiten ein solches Format überhaupt führen.

Mit Wohlwollen,
Armin Danner

Anmerkung der Redaktion: Zum einen machen die NachDenkSeiten keinen Hehl aus ihrer grundsätzlichen Sympathie gegenüber der neuen Sammlungsbewegung „Aufstehen“. Das schließt Kritik an dem Projekt natürlich nicht aus – diese wird bei gegebenem Anlass auch von uns angebracht werden. Zum anderen empfinden wir das Interview nicht als „gefällig“ – wir denken, dass wir jene Fragen gestellt haben, die viele Menschen aktuell interessieren.


2. Leserbrief

Sehr geehrte Redaktion,

ja, es war klar, dass sofort aus allen Rohren gegen die Sammlungsbewegung geschossen werden würde. Am “interessantesten” fand auch ich den Beitrag von Frau Habermalz im deutschlandfunk. Da ist mehrmals von “Sozialromantik” die Rede. Kann jemand bitte mal der Dame das Grundgesetz, Artikel 20 vorlesen? Am besten ein Richter, denn hier wird das Grundgesetz verhöhnt.

Zitat Artikel 20 Satz 1: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

Auch für die SPD und CSU wäre dieser Artikel von Interesse. Die haben diesen Begriff sogar im Namen der Partei.

Gruß R.B.


3. Leserbrief

Sehr geehrte Redaktion der Nachdenkseiten,
sehr geehrter Herr Berger,

Sie haben unbedingt recht, es stockt einem der Atem! Natürlich könnte man zunächst fragen, weshalb die Sammlungsbewegung von Wagenknecht und Co. eine relativ breite Bühne in den Mainstream-Medien bekommt, vielleicht nachdenkenswert. Aber absolut fassungslos macht eine man möchte fast sagen linke Hetze, die ich besonders in den verlinkten Äußerungen der jW-Autorin Bonath erblicke. Als regelmäßigen jW-Leser macht mich das schon betroffen, da ich das Blatt bisher für das einzige wirklich im herkömmlichen Sinne linke Presseorgan gehalten habe. Über Wolffsohn muß man sicher nicht reden, da ist die Verortung klar, aber die junge Welt? Im Gastbeitrag bei KenFM entlarvt sich die Schreiberin allerdings am Anfang gleich selbst und vielleicht sollte man dann das Folgende darunter subsumieren. Sie zitiert Wagenknecht mit den Worten: “Die Leute würden sich nicht mehr von der Politik abwenden, wenn sie …” und unterstellt dieser daraufhin daraufhin, “Wagenknecht will also nicht, dass sich die Menschen vom System abwenden.” Klares Eigentor, Sie hatten insoweit schon auf Bonaths Vulgärmarxismus hingewiesen. Nur leider ist es nicht so schnell erledigt, denn jede mit einiger Resonanz getane Äußerung in diesem Sinne richtet erheblichen Schaden an. So ist es auch hier und man kann auch ganz klar eine Zielrichtung erkennen, nämlich um keinen Preis eine SAMMLUNGSBEWEGUNG entstehen zu lassen. Die SPD hat das in der Geschichte mit sehr schmerzhaften Folgen immer verhindert, dass aber jetzt auch “progressive”, “linke” oder sonstwie zu verortende Kräfte außerhalb des Establishments danach verfahren, das ist neu. Sicher, man kann dem Ansatz dieser Bewegung so manches nachreden, keine Programmatik, keine umstürzlerischen Tendenzen usw. Aber darauf kommt es doch zunächst überhaupt nicht an. Wichtig ist doch die Sammlung aller gegen den gesellschaftlichen Niedergang im weitesten Sinne vorhandenen Kräfte. Wer dagegen hetzt wie Frau Bonath, der muß sich schon fragen lassen, wessen Geschäft er eigentlich besorgt. Und es ist doch so billig, mangels Argumenten die Millionärskeule zu schwingen. Das hat vor einiger Zeit schon Jacob Augstein im Gespäch mit Tilo Sarrazin getan und Herr Maas hat die gegen Mesut Özil eingesetzt, alles vollkommen niveaulos und Ausdruck der eigenen Bedürftigkeit!

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Keller


4. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

ich verstehe den Journalismus in unserem Deutschland nicht mehr.

Der Historiker Dr. Wolffsohn hat laut journalistenwatch.com dem Phoenix-Moderator Stephan Kulle ein Interview gegeben, worin er Gauland von der AfD als nich antisemitisch und auch nicht als Nazi bezeichnet.

Soweit komme ich noch mit, aber wenn jetzt die Aufstehbewegung in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt wird, und das noch in BILD, der Nr. 1 unter den Hetzblättern. (Warum gibt ein Professor in BILD seine Meinung kund?)

Der Herr Maas, unser Außenminister macht das zwar auch, aber der ist ja Politiker.

Dieser Beitrag von Herrn Wolffsohn in BILD ist doch professorale Wortklauberei.

Und dann schreibt er noch, wissen das Wagenknecht und ihre Mit- plus Nachläufer nicht?

Dieser Professor ist doch genauso gefährlich, wie er es von anderen behauptet. Merkt er das nicht?

mit freundlichen Grüßen
Arnold Dreis


5. Leserbrief

Sehr geehrtes Team der Nachdenkseiten,

ich möchte mit zwei Anmerkungen zur Diskussion um die Sammlungsbewegung “Aufstehen” beitragen. Genauer gesagt handelt es sich um einen affirmativen Gedanken und einen mich verblüffenden Skeptizismus zum Thema.

Dem Einwand, es handelt sich um eine Bewegung ‘von oben’, läßt sich sozusagen proaktiv entgegenhalten, dass es sich vielmehr um eine notwendige und ersehnte Handreichung von oben handelt. Haben die kritischen Bürger der BRD in den letzten Jahren nicht mehrfach versucht eine Bewegung ‘von unten’ aufzubauen (Occupy, Blockupy, NuitDebout, Anti-Gipfel-Bewegungen, Anti-Freihandelsverträge, Mahnwachen für den Frieden, Stopp Ramstein, etc.)? Und wurden diese von den MSM nicht alle gleichsam entweder stiefmütterlich mit Nichtbeachtung behandelt oder gar als linksextremistisch bzw. rechts-unterwandert und querfrontlerisch dargestellt, so daß der ‘normale Bürger’ den Kontakt und das Engagement unterließ? Sinnbildlich gesprochen erhielten diese Bewegungen nie die notwendige, positive Aufmerksamkeit, da ihnen die prominenten, bürgerlichen Unterstützer fehlten. Genau hier setzt nun die Sammlungsbewegung an. Mit entsprechend prominenten und populären Unterstützern zeigt man, dass einem die Themen und Sorgen der scheinbar gescheiterten Bewegungen genauso wichtig sind – man reicht die Hand von oben und gibt den Bewegungen von unten Halt und Solidität.

Der verblüffende Moment entstammt einem Gespräch mit einen Bekannten über die Sammlungsbewegung. Dieser Bekannte ist im besten Sinne ein ‘Linker’. Er musste in den 70er-Jahren als Parteimitglied und Gewerkschafter aus Südamerika fliehen und war dann immer den links-progressiven Parteien verbunden (inkl. heute).

Er glaubt nicht, dass eine linke Sammlungsbewegung in Deutschland eine Chance hat, da Deutschland ein strukturkonservatives Land war und ist (was ich auch so sehe) und linke ‘Revolutionen’ bzw. linke Themen/Politik keine Mehrheiten haben. Das Projekt wäre zum Scheitern verurteilt – es sei denn, die Bewegung schafft es über manipulative Meinungsmache, eine Meinungshoheit zu suggerieren und Opportunisten und Mitläufer zur Wahl linker Parteien zu verführen.

Neben einem nachvollziehbaren Fatalismus ist jedoch der alternative Gedanke der Meinungsmache im Dienste der Bewegung wiederum gefühlt unmoralisch und methodisch anti-links, so dass ich darin nur die verzweifelte Hoffnung eines Menschen erkenne, der den Glaube an grundlegende, politische Änderungen in Deutschland aufgegeben hat.

S. K.


6. Leserbrief

Lieber Herr Berger,

gern höre ich Ihnen zu oder lese Ihre Artikel, spricht doch so häufig Vernunft und gute Recherche.

Die Sammelbewegung von Sarah Wagenknecht…hmmm, ich habe keine Angst davor und suche auch keinen Streit mit anderen Linken.
Ich halte das eher für eine (weitere Luftnummer)
Politisch würde ich mich eher dem anarchistischen Lager zuordnen und wirtschaftlich gehöre ich zu den Überflüssigen (AkademikerInnen).

Ich komme aus armen Verhältnissen, ich durfte Abitur machen,  eine Ausbildung absolvieren, studieren mit Uni-Diplom.
Ich erzähle Ihnen das, weil ich mich nicht für die Ausnahme halte, sondern für Teil einer verstummten, verzweifelten Masse. Ich habe es nicht geschafft. Mein digitaler Arbeitsplatz bringt 3-4€ Stundenlohn und immer lauter höre ich die Diskussionen gut situierter Südwestberliner Witwen, dass man meinesgleichen zusammen mit Flüchtlingen, Zigeunern und anderem Hartz-Gesockse in Lager stecken, durch die Straßen peitschen u.a. sollte.

Ich habe 1998 die Grünen gewählt. Ich war selten wählen, doch da dachte ich wohl,..keine Ahnung. Ich hab übersehen, dass die Grünen Teil der reichen Elite sind, halt mit Birkenstockschlappen, die zu jedem Öko-Lebensmittel 5 Fragen stellen.

attac war noch so eine Adresse, toll die ersten Jahre und dann saß plötzlich Heiner Geißler auf dem Podium und faselte von Vollbeschäftigung und Wirtschaftswunder.

Jetzt eine Millionärin, Bundestag, fettes Einkommen, ja in der linken Partei, gut für die Karriere. Was will sie? Frau Merkel ablösen und selbst regieren?

Wenn Sie auf diese Seite gehen…”aufstehen”, keine Infos,…mensch soll sich registrieren…für was? Facebook und Co. unterstütze ich nicht, also gibts in der Totalüberwachungsindustrie mehr Infos?

Jede NGO, die mir bekannt ist, hat in erster Linie immer denen gedient, die sie gegründet haben.
Die, die der Afd hinterherlaufen, werden wohl kaum zu Frau Wagenknecht wechseln und ich glaube ihr nicht. Damit gebe ich Frau Bonath teilweise Recht.

Vielleicht ist eine Millionärsherrschaft ggü. einer Milliardärsherrschaft ein Vorteil. Ich aber habe die Schnauze voll von Psychopathen, die mir erzählen wie es geht…..das gute Leben und die mich für ihre Zwecke verwerten wollen.

Ein Aufruf zum Generalstreik das wäre ein Silberstreif, Millionen zum Reichstag, um die Menschenrechte wieder einzusetzen, Herrschaft, Totalüberwachung abzuschaffen…aber ne Sammelbewegung?? Familie Mohn als Initiator der Agenda2010 braucht sich da wohl keine Sorgen zu machen und die Medien können die nächste Sau durchs Dorf treiben.

Herzliche Grüße aus der Unterschicht
Martha Janson


7. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,

kürzlich war bei den Hinweisen des Tages eine Kontroverse bei zeit.online zu lesen, bei der Yannik Haan (SPD) aus Berlin seine Ablehnung der Sammlungsbewegung „Aufstehen“ darlegte und begründete.

Da seine Argumentation typisch für viele in der SPD und womöglich auch bei den Grünen ist, habe ich mir die Mühe gemacht, sie einer kritischen Analyse zu unterziehen, die ich Ihnen als Anhang zur freien Verwendung zusenden möchte.

Gruß und Glück auf!
Engelbert Volks

Sehr geehrter Herr Haan,

ich habe Ihren Kommentar “Wir brauchen starke linke Parteien, keine Sammlungsbewegung” bei zeit.online gelesen und möchte dazu ein paar kritische Anmerkungen machen.

Zu meiner Person: Ich bin seit mehr als 40 Jahren Mitglied der SPD und seit vielen Jahren Fraktionsvorsitzender im Velener Stadtrat, bin daher nicht mehr Teil einer “Jugendbewegung”, sondern wirke in Ihren Augen wahrscheinlich eher “alt, groß und schwerfällig”.

Ich bin allerdings der Meinung, dass “jung, weiblich, bunt” nicht zwingend Kriterien für politische Qualifikationen und Qualität darstellen.

Nun jedoch zu Ihren Aussagen und Argumenten, die Sie zu einer Ablehnung der Sammlungsbewegung “Aufstehen” veranlassen. Sie schreiben: “Das alte politische Schema von links und rechts löst sich langsam auf und es wird immer unklarer, wofür die politischen Parteien noch stehen. Gerade bei meiner Partei, der SPD, verwischt das Profil in der zum Dauerzustand gewordenen Großen Koalition zusehends.”

Dies sind sehr seltsame Formulierungen, denn das Schema von links und rechts löst sich nicht von selbst auf, sondern es wurde und wird bewusst aufgelöst und das politische Profil der SPD verwischt nicht wie von Geisterhand, sondern es wurde und wird bewusst verwischt, und das nicht erst in den so genannten Großen Koalitionen der letzten Jahre. Die SPD hat nach dem Wahlerfolg 1998 durch die Hartz-Gesetze, die steuerliche Begünstigung der Unternehmen, die Öffnung für die Finanzmärkte, die Übernahme neoliberaler Wirtschaftspolitik und die Teilnahme am völkerrechtswidrigen Jugoslawien-Krieg das linke Profil nachhaltig beschädigt, Glaubwürdigkeit, Mitglieder und Wählerstimmen in erheblichem Umfang verloren. Die Großen Koalitionen sind daher nicht Ursache, sondern logische Folge dieser Entwicklung, was sich an der Karriere von Olaf Scholz deutlich ablesen lässt, der nun die Politik Schäubles als Finanzminister konsequent fortsetzt.

Doch Sie möchten ja eine neue linke Agenda der SPD und schreiben dazu: “Ich sehe hier vor allem das linke politische Lager in der Pflicht. Wir müssen nicht nur die Parteistrukturen ändern, sondern auch wieder eine progressive linke Agenda entwickeln.” Und: “Uns fehlt einfach eine Vision für die Umwälzung der Gesellschaft.” Wenn ich derartige Floskeln und Worthülsen lese, fällt es mir schwer, ernst zu bleiben, denn ich kenne die Sprüche schon zu lange. Auch nach den verlorenen Wahlen 2009, 2013 und 2017 waren sie immer wieder zu hören: das Profil schärfen, besser kommunizieren, klare Kante zeigen, das Gespräch mit dem Bürger und der Bürgerin suchen, personelle, strukturelle und programmatische Erneuerung usw. usw.

Eine linke Sammlungsbewegung, die sich einsetzt für bessere Renten, höhere Löhne, bessere Pflege, bezahlbare Mieten, eine bessere Bildung und Ausbildung, mehr Investitionen in die Infrastruktur, einen Abbau der Einkommens- und Vermögensschere sowie Abrüstung und Friedens- und Entspannungspolitik, kommt da schon weit konkreter daher und Sie schreiben ja auch: “Vordergründig spricht also einiges für eine linke Sammlungsbewegung.”

Doch anschließend legen Sie dar, warum Sie diese Sammlungsbewegung ablehnen: “Das Ziel dieser neuen linken Sammlungsbewegung ist es nicht, das linke Lager wieder zusammenzuführen, sondern dieses weiter zu spalten.” Um ein “linkes Lager” spalten zu können, müsste es zunächst einmal ein solches “linkes Lager” geben. Der Begriff “linkes Lager” kommt in Ihrem Text sechs Mal vor und ist für Sie als künftige Machtoption offensichtlich wichtig. Aber dieses “linke Lager” gibt es nicht. Allerdings gab es Machtoptionen für ein Bündnis von SPD, Grünen und Linkspartei, z.B. in Hessen nach dem Wahlsieg von Andrea Ypsilanti, sie wurden zerstört von den Führungskadern der SPD, z.B. Herrn Clement, und heute regiert die CDU mit den “linken” Grünen und die SPD liegt in Hessen vor der Landtagswahl bei gut 20 Prozent in den Umfragen. Die Machtoption gab es auch im letzten Bundestag, in dem SPD, Grüne und die Linke eine Mehrheit hatten, aber die Führungskader der SPD wollten viel lieber mit der CDU/CSU regieren und scheuten eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei wie der Teufel das Weihwasser. So reichte es nur für das Gesetz der “Ehe für alle” am Ende der Legislaturperiode, und auch das erst, nachdem Mutti Merkel zuvor via Brigitte-Interview ihr Placet signalisiert hatte.

Auch der Kanzlerkandidat Martin Schulz wollte zunächst im Sinne der “Zeit für mehr Gerechtigkeit” diese Machtoption nicht grundsätzlich ausschließen, doch nach erster Kritik durch Medien und die Union, zuckten er und seine Mitstreiter in der Führungsetage sogleich zurück und beteuerten, dass sie natürlich viel lieber mehr soziale Gerechtigkeit mit der FDP durchsetzen möchten. Über die Linkslastigkeit der Grünen möchte ich hier nichts weiter ausführen, da reicht es, nach Hessen, nach Schleswig-Holstein, auf die Jamaika-Verhandlungen und auf das Führungspersonal zu schauen. Wo, bitte, ist also das von Ihnen so oft beschworene linke Lager? In der gegenwärtigen Parteienlandschaft jedenfalls nicht!

Aber in Ihrer Argumentation geht es ja auch gar nicht um linke Inhalte, sondern um Personen: “Deren führende Köpfe – Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine oder der Abgeordnete Marco Bülow – sind Politiker ….”, “Bei Wagenknecht und Co. handelt es sich nicht um Unterdrückte, sondern um Menschen mit einem Parlamentsmandat. Menschen, die ständig in Talkshows sitzen. Menschen, die innerhalb ihrer Parteien hohe Ämter bekleiden. Ihnen geht es vor allem um ihre eigene Bekanntheit und Bedeutung. Doch wer das eigene Ego über die linke Idee stellt, der hat nicht verstanden, was Linkssein im Kern heißt.” Hier sinkt das Niveau Ihrer Argumentation unter den Gefrierpunkt und Sie schreiben – mit Verlaub – schlicht Unfug, denn

  1. gehören zu “Wagenknecht und Co.” auch Künstler und Wissenschaftler und viele andere, auf die all das gar nicht zutrifft, was Sie salopp unterstellen;
  2. ist es widersprüchlich, “Wagenknecht und Co.” einerseits bewegungsinkompatible Bedeutung (Parlamentsmandat) und Bekanntheit (Talkshows) zu unterstellen, um ihnen andererseits zugleich die Gier des eigenen Ego nach ebendieser Bekanntheit und Bedeutung vorzuwerfen.

Weit wichtiger jedoch als solche simplen Widersprüche erscheint mir Ihr Verzicht auf jegliche inhaltliche Auseinandersetzung und die Konzentration auf Personen und deren Herabsetzung.

Gleiches findet man auch bei dem von Ihnen als Argument herbeigezogenen Beispiel der Bewegung “La France Insoumise”, die Sie in trauter Gemeinschaft mit vielen Medien und konservativen bis rechten Politikern als “linkspopulistisch” bezeichnen und damit diskreditieren möchten. Dieser Bewegung werfen Sie die Spaltung des linken Lagers in Frankreich vor und geben ihr die Schuld daran, dass es zu einer Stichwahl zwischen dem “liberalen Macron” und Marine le Pen gekommen sei. Einmal abgesehen davon, dass die Führungsriege der SPD Herrn Macron ja geradezu bejubelt hat und bis heute hofiert, dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass die sozialistische Partei im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen mit ihrem Kandidaten bei allen Umfragen unter 10 Prozent lag, also völlig aussichtslos war, wohingegen Mélenchon bei knapp 20 Prozent landete. Hätte also der Kandidat der PS zugunsten von Mélenchon verzichtet, wäre es höchstwahrscheinlich zu einer Stichwahl zwischen diesem und Macron gekommen und Frau le Pen wäre aus dem Rennen gewesen. Nun frage ich Sie, wer hat das linke Lager gespalten und eine Kandidatin le Pen ermöglicht? Also ist auch das Beispiel Frankreich als Argument für ihre These völlig ungeeignet.

Bliebe noch die SPD, die als echte linke Volkspartei eine Sammlungsbewegung überflüssig machen könnte. Wie aber müsste sich die SPD Ihrer Meinung nach verändern, damit sie wieder eine richtige linke Volkspartei wird?

Sie müsste nach Ihren Worten etwas entwickeln, und zwar “eine Vision von Europa, für eine humane Flüchtlingspolitik”, “ein Konzept der Weltoffenheit und der Währung der Minderheitenrechte”, die Änderung ihrer “Strukturen”, “ein klares weltoffenes Profil” sowie ein “Konzept für die Zukunft”. Und sie sollte womöglich eine „Jugendbewegung“ sein. Das alles klingt hübsch und ist dem Politikerbaukasten für sinnleere Worthülsen entnommen. Eines jedoch fällt bei aller Phrasenhaftigkeit auf: Flüchtlingspolitik und Minderheitenrechte stehen klar im Vordergrund, die wachsende soziale Ungleichheit, die Wohnungsnot, die Steuergerechtigkeit sowie Frieden und Abrüstung scheinen dabei keine Rolle zu spielen. Und ach ja, zigtausende junger Leute begeistern sich für die Ideen und Visionen von Bernie Sanders und Jeremy Corbyn in den USA und Großbritannien, obwohl diese doch alte Männer sind mit Parlamentsmandaten und großer Medienpräsenz!

Fazit der Kritik an Ihrem Kommentar: Wer solches und so schreibt, ” der hat nicht verstanden, was Linkssein im Kern heißt.”

Gruß und Glück auf!
Engelbert Volks


8. Leserbrief

Liebe NDS-Redaktion,

“Aber: Die gönnerhafte öffentliche Darstellung durch den politischen Gegner als „normalisiert“, also „gezähmt“, kann für die LINKE eigentlich nicht wünschenswert sein.”

wünschenswert für die Links-Partei ist das wohl nicht, zeichnet aber schon ein wirklichkeitsnahes Bild. Die Linkspratei ist in weiten Teilen eben nicht mehr links, sondern neoliberal (light). Man gibt sich noch einen leicht fortschrittlichen Anstrich. Da kann man nur hoffen, dass die Sammlungsbewegung ein voller Erfolg wird – die restliche Partei ist für abhängig Beschäftigte, Rentner, Arbeitslose, Alleinerziehende politisch völlig bedeutungslos.

VG Michael Wrazidlo


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