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Titel: Deutschland, deine Bahnchefs

Datum: 21. September 2018 um 11:49 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Privatisierung öffentlicher Leistungen, Stuttgart 21, Verkehrspolitik
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Mit einem Beitrag über Heinz Dürr beginnt heute eine vierteilige Serie unseres Autors Winfried Wolf. Schon dieser erste Beitrag lässt darauf schließen, dass es spannend wird. Es wird spannend, aber nicht vergnüglich. Mit Dürr wurde von Bundeskanzler Kohl nämlich eine Person zum Bahnchef gemacht, die nicht die Interessen der Deutschen Bahn und im weiteren Sinn eines vernünftigen Verkehrssystems vertrat. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Dürr war eng mit der Autoindustrie verbunden, auch persönlich über sein Familienunternehmen, ein Zulieferer der Automobilindustrie.

Die Beiträge von Winfried Wolf beginnen mit einer Tabelle. Diese vermittelt einen schnellen Überblick über die “Leistung” der Bahnchefs. Es sieht schon bei Heinz Dürr so aus, als wäre er berufen worden, um mit dem Niedergang der Schiene die Geschäftsfelder der Konkurrenz zu erweitern.

Heinz Dürr war auch der Erfinder von Stuttgart 21. Bei ihm war dies wie auch bei anderen – glücklicherweise begrabenen – Projekten eng mit der Ausschlachtung von Immobilien der Bahn zugunsten privater Interessen verbunden.

In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, dass unser Autor Winfried Wolf der Initiator für einen neuen Schub gegen Stuttgart 21 ist – eine Aktion, die von den NachDenkSeiten unterstützt wird. Am 29. September erscheint zu diesem Zweck eine Anzeige in der FAZ. Wenn Sie zugunsten dieser Kampagne noch einen finanziellen Beitrag leisten wollen und können, siehe hier. Danke für Ihre Unterstützung.

Nun aber zum Beitrag von Winfried Wolf über den Bahnchef Heinz Dürr.

Deutschland, deine Bahnchefs [1990-2018]
Eine Serie von Winfried Wolf – Teil I // Heinz Dürr

Grunddaten zur Ära von Bahnchef Heinz Dürr (1991-1997)

Die dargestellte Tabelle finden Sie hier auch als PDF.
* Amtsantritt war der 1. Januar 1991; Ende seiner Amtszeit Juli 1997. Die Daten in der Tabelle beziehen sich in der Regel auf den 31.12.1990 bzw. auf den 31. Dezember 1997.
* * Hier als Addition der Beschäftigten in den Bereichen Fernverkehr + Nahverkehr [DB Regio] + Güterverkehr [DB Cargo] + Bahnhöfe [Station + Service] + Infrastruktur [DB Netz]

Kurzporträt

Heinz Dürr war der erste Bahnchef, der die Eisenbahn in Deutschland – nach mehr als 120 Jahren Existenz in staatlicher bzw. öffentlich-rechtlicher Regie – auf Privatisierungskurs brachte. Er war der erste Bahnchef, der eng mit Interessen DER mit der Schiene konkurrierenden Autoindustrie verbunden war. Heinz Dürr war schließlich der Bahnchef, der „Stuttgart21“ erfunden und der für dieses Monsterprojekt getrommelt hatte, ja er war ein Bahnchef, der in Deutschland mehr als ein Dutzend Großbahnhöfe der Immobilienspekulation zuführen wollte. Dürr war sodann ein Bahnchef, der – wie bis heute alle seine Nachfolger – als medialer Blender agierte, als „Modernisierer“ verkauft wurde, der jedoch in Wirklichkeit eine verheerende, zerstörerische Bilanz zu verantworten hat.

Bahnprivatisierung auf dem Altar der „Deutschen Einheit“

Mit der Ernennung von Heinz Dürr wurde die Wiedervereinigung Deutschlands und die damit verbundene Aufbruchsstimmung geschickt dazu genutzt, das Ziel einer Bahnprivatisierung – und damit ein weiteres Stück Abbau von Staat und Daseinsvorsorge – offensiv zu verfolgen. Dabei wurde der kritische Zustand der Deutschen Reichsbahn instrumentalisiert. Das erfolgte auf dieselbe Art und Weise, wie der kritische Zustand der DDR-Wirtschaft als Vorwand für eine Kahlschlag-Politik in Ostdeutschland genutzt wurde.

Insofern war es kein Zufall, dass Heinz Dürr nach der offiziellen Darstellung am 3. Oktober 1990 – also an dem Tag, der kurz zuvor zum „Tag der Deutschen Einheit“ gekürt worden war – vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl als zukünftiger Bahnchef gewonnen wurde. Der „Spiegel“ berichtete wie folgt: „Am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, war es dann soweit. Noch vaterländisch gestimmt vom Staatsakt in der Berliner Philharmonie, trafen sich der Kanzler [Kohl; W.W.] und sein Verkehrsminister [Friedrich Zimmermann; W.W.] mit dem vom Unternehmensberater Roland Berger [!] empfohlenen Kandidaten im Berliner Gästehaus der Bundesregierung. Bei süßem Wein wurde Dürr überredet. ´Die Eisenbahn ist wirklich etwas Schönes´, sagte der Kanzler, und nahm den Manager in die ´nationale Plicht´. […] Heinz Dürr, sonst stets zu Spott und Sarkasmus neigend, erlag der patriotischen Erpressung. ´Mein Land hat viel für mich getan´, ergab er sich mit Herz und Hand, ´jetzt muss ich wohl mal was für mein Land tun.´“[1] Wobei es dann am „Spiegel“ war, das Ganze als Show und Gedöns zu outen und mit Sarkasmus zu kommentieren.[2]

Wie wir das seither bei jedem neuen Bahnchef erleben, wurde Heinz Dürr als „Visionär“ gefeiert. Als ein Kumpel-Typ über den die „Stuttgarter Zeitung“ schrieb: „Er duzt die Welt und sie duzt zurück“. Es handle sich um einen Macher: „Von einer türkischen Journalistin nach seinem Erfolgsrezept gefragt, antwortete Dürr: ´Denke einfach und arbeite hart´. “[3] Ähnlich wie heute schwadroniert wird, die Probleme der Bahn ließen sich mittels einer „Digitalisierung der Schiene“ lösen, wurde vor achtundzwanzig Jahren Dürr als jemand gepriesen, der „über Verkehrsleitsysteme via Satellit nachdenkt“.[4] Dass in mehr als 150 Jahren Analog-Zeit der Satz „Pünktlich wie die Eisenbahn“ in der Praxis bestätigt wurde, ist im Zeitalter der elektronischen Verkehrsleitsysteme und der Digitalisierung den ignoranten „Visionären“ vom Schlag Heinz Dürr, Hartmut Mehdorn oder Rüdiger Grube nicht vermittelbar.

In Wirklichkeit ging es auch bei der Ernennung von Dürr zum Bahnchef nicht nebulös ums Vaterland, sondern um etwas höchst Handfestes, etwas was mit dem lateinischen Wort „privare = berauben“ gut auf den Punkt gebracht wird. Das wurde damals bereits, am Tag der Ernennung von Dürr als Bahnchef, auch so formuliert. Hier sei nochmals der „Spiegel“-Bericht zitiert: „Beim Anwerbegespräch war sich Dürr mit den Bonnern auch über das strategische Ziel der Sanierungsanstrengungen einig: Beim Bundesunternehmen Bahn soll privatisiert werden.“ Dass es dabei auch um eine brutale und weitreichende Form der Privatisierung gehen könnte, machte Dürr damit klar, indem er ausgerechnet die USA als Vorbild für die Entwicklung der Eisenbahn in Deutschland anführte: „Die Deutschen Bahnen können mit dem Zug nicht in jedes Tal fahren. […] Mit der Bahnreform lassen wir auf unserer Infrastruktur Dritte fahren, Schienenbusse privater Transportfirmen zum Beispiel. Wir müssen eine Dezentralisierung betreiben, wie vor allem die Amerikaner. Die Amerikaner haben in den letzten sieben, acht Jahren über 300 neue Eisenbahngesellschaften gegründet, die völlig anders organisiert sind als die große Eisenbahn und die gerade Nebenstrecken rentabel machen können.“[5]

Es zeugt von einer erstaunlichen Ignoranz oder Arroganz des Bahnchefs, solche Fake News in die Welt zu setzen – und von einer bemerkenswerten Ahnungslosigkeit oder falschen Zurückhaltung der Interviewer Mathias Greffrath und Rainer Lingenthal, an dieser Stelle nicht nachgehakt zu haben. In den USA lag der Marktanteil der Schiene im Personenverkehr damals, 1993, bereits bei 0,5 Prozent. Im vereinten Deutschland lag er damals bei knapp 10 Prozent. Heute liegt dieser Anteil in den USA bei 0,3 Prozent. Hierzulande sind es aktuell noch acht Prozent. Die „300 neuen Eisenbahngesellschaften“ wurden weitgehend halluziniert. Vor allem gibt es in den USA Eisenbahnverkehr auf „Nebenstrecken“ seit den 1970er Jahren nicht mehr.

Deutsche Einheit, aber keine Eisenbahn-Einheit

Alles sprach dafür, nach dem Anschluss des Reichsbahngebiets an Westdeutschland umgehend auch die beiden Eisenbahngesellschaften Bundesbahn und Reichsbahn in einer gemeinsamen Bahngesellschaft zusammenzuführen. So erfolgte es auch bei der Post, wo bereits im Einigungsvertrag das Zusammenführen von West-Post und Ost-Post festgelegt war. Nicht so bei der Eisenbahn. Heinz Dürr wurde zwar ein Jahr nach seiner Inthronisierung als Bundesbahn-Chef auch Reichsbahn-Chef. Doch die beiden Unternehmen blieben fast dreieinhalb Jahre lang zwei formell getrennte Unternehmen, auch wenn Geschäftsberichte veröffentlicht wurden, auf deren Deckblatt gedruckt stand „Die Deutschen Bahnen“. Es gab dieses Unternehmen „Die Deutschen Bahnen“ zu keinem Zeitpunkt.[6]

Die Folgen waren höchst negativ für die Schiene. Und höchst vorteilhaft für den Konkurrenten, die Straße. Die Synergieeffekte, die ein gemeinsames Bahnunternehmen gehabt hätte, wurden mehr als drei Jahre lang nicht genutzt. Der schlechte Zustand der Reichsbahn wurde förmlich zelebriert und dabei tausendfach dargelegt, wie groß die (rechnerischen) Verluste der Reichsbahn Jahr für Jahr seien. Der Abbau der Schieneninfrastruktur gepaart mit einem massiven Belegschaftsabbau nahm in den Jahren 1990 bis Ende 1993 enorm Fahrt auf. Gleichzeitig wurden auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Milliarden DM-Summen in den Straßenbau investiert. Die Erwartung vieler ehemaliger DDR-Bürger, die Einheit sei gleichzusetzen mit automobiler Freiheit und mit einer „Befreiung vom Zwangsdiktat Eisenbahn-Fahrplan“, wurde gezielt genährt und durch die materiellen Infrastruktur-Vorgaben in großem Maßstab befriedigt. Im Zeitraum 1990 bis Ende 1993 wurde das Schienennetz in Deutschland um 2000 Kilometer – von 42.500 auf 40.550 km Betriebslänge – abgebaut. Im gleichen Zeitraum wurde das Straßennetz um mehr als 50.000 km erweitert – von 174.000 km Gesamtlänge auf 226.300 km Gesamtlänge.[7]

Auch in der Verkehrsökonomie gilt: Das Sein bestimmt das Bewusstsein.

Bahnreform – Was hat Vorrang: Verfassung oder Aktiengesetz?

Im Zeitraum 1990 bis Ende 1993 wurde viel über die kommende Bahnreform diskutiert. Es erschienen tausende Artikel zu dem Thema; Heinz Dürr gab weit mehr als hundert Interviews, in denen er kundtat, wie sich demnächst „die Beamtenbahn“ in ein kundenfreundliches Unternehmen wandeln würde. Doch all das blieb Papier, war Agitation und Propaganda, hatte den Charakter des jahrelangen Hinhaltens. Im realen Verkehrsleben jedoch wirkte die materielle Kraft der beschriebenen Infrastrukturentwicklung. Der modal split, die Verteilung im Verkehrsmarkt, veränderte sich vor allem in den neuen Bundesländern drastisch in Richtung Straße und weg von der Schiene.

Anfang 1994 dann der Paukenschlag: Die Deutsche Bahn AG wurde gegründet – als ein – endlich vollzogener – Zusammenschluss von Bundesbahn und Reichsbahn. Heute wird dieser Akt in der Regel so dargestellt, dass damit der Schienenverkehr im Allgemeinen und der Bahnkonzern DB AG im Besonderen „dem Aktienrecht“ unterstellt und das Unternehmen DB AG bzw. der Verkehr im deutschen Schienennetz der Gewinnorientierung, wenn nicht der Profitmaximierung unterworfen worden sei. Das war sicher die Intention der „Operation Bahnreform“. Dies entspricht jedoch weder formell noch hinsichtlich der Eigendarstellungen den Fakten.

Formell gilt, dass im Fall der DB AG der Charakter einer Aktiengesellschaft erheblich dadurch eingeschränkt wird, als der gesamte Schienenverkehr in Deutschland durch einen neuen, speziellen Grundgesetzartikel, Artikel 87e, einen Sonderstatus erhielt. In diesem GG-Artikel wird festgehalten: „Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes […] sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird.“ Das heißt, dass sowohl der Infrastrukturbereich („Ausbau und Erhalt des Schienennetzes“) als auch die „Verkehrsangebote auf diesem Schienennetz“ der Gewinnorientierung entzogen sind; dass hier die Non-Profit-Zielsetzungen „Wohl der Allgemeinheit“ bzw. Bedienung der „Verkehrsbedürfnisse“ gelten. Dass der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) hier ausgeklammert ist, ändert daran nichts, da im Rahmen der Bahnreform vereinbart wurde, dass ab 1. Januar 1996 der SPNV Ländersache ist, wobei auch dieser Bereich dem Grundsatz der Gewinnorientierung entzogen wurde.[8] Es war dann Heinz Dürr selbst, der im Vorfeld der Bahnreform dutzendfach erklärte: „Erstes Ziel der Bahnreform ist es, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen und damit in allen Kerngeschäftsfeldern zu wachsen; also auch einen Beitrag zu einer ökologisch ausgerichteten Verkehrspolitik zu leisten.“[9]

Dem entsprach durchaus auch die Eigendarstellung. Im ersten Geschäftsbericht der Deutschen Bahn AG, demjenigen zum Geschäftsjahr 1994, veröffentlicht im Frühjahr 1995, findet sich im Vorwort des Bahnchefs nicht ein einziges Wort hinsichtlich einer Gewinnorientierung des neu gebildeten Unternehmens und kein einziger Bezug auf das Aktienrecht. Dürr erläutert dort ausführlich das „Zukunftskonzept des Dienstleistungskonzerns Deutsche Bahn AG“, dessen „Schlagzeilen“ allesamt einem reinen Gewinnstreben widersprechen. Heinz Dürr: „Unser selbstgestecktes Ziel: Mehr Verkehr auf die Schiene […] Attraktive Angebote, komfortable Züge, höchste Produktqualität, […] absolute Kundenorientierung […] Besonders umweltfreundlich […] Die Verkehrsstation Bahnhof im Zentrum der Städte, die einmalige Eigenschaft, große Mengen an Menschen und Gütern […] schnell, sicher und pünktlich zu transportieren und die Möglichkeit, im Nahverkehr einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt der Urbanität der Innenstädte zu leisten. Dies ist in groben Zügen die Vision von der Bahn der Zukunft.“[10] All diese Charakterisierungen sind gewinnschmälernd; widersprechen dem im Aktienrecht festgehaltenen Ziel des primären Gewinnstrebens.

Diese Formulierungen scheinen heute, im Rückblick, wie einem Märchenbuch entstammend. Der „Kernbereich“ des DB-Konzerns ist heute nur noch bedingt die Schiene; 50 Prozent des Umsatzes der Deutschen Bahn AG werden im Ausland und außerhalb des Bereichs Schiene generiert. Personal wurde vor allem dort abgebaut, wo der Kontakt zur Kundschaft stattfindet. 90 Prozent der Bahnhöfe sind verwahrlost. Die DB AG leistete einen massiven Beitrag zum Abbau der Urbanität der Innenstädte. Die Pünktlichkeit hat – just im August 2018 mit weniger als 70 Prozent – einen historischen Tiefstand erreicht.

Die Gewinne der DB AG als Folge eines Bilanz-Betrugs

Im 1997er Geschäftsbericht, dem letzten, den Heinz Dürr als Bahnchef zu verantworten hatte, heißt es: „Jedes Geschäftsjahr wurde mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen, seitdem die Deutsche Bahn, von den Fesseln des öffentlichen Dienst- und Haushaltsrechts befreit, unternehmerisch handeln kann.“[11] Vergleichbares kann man in allen Geschäftsberichten nach 1997 lesen; auch 2018 mache, so der aktuelle Bahnchef Richard Lutz, die DB AG Gewinn, nur würde dieser „unter den Erwartungen“ liegen. Das trifft nicht zu. Und es trifft für kein einziges Geschäftsjahr seit Gründung der DB AG zu. Jeder Vergleich mit den Bundesbahn-Zeiten verbietet sich. So schrieb es Heinz Dürr auch noch im Vorwort des 1994er Geschäftsberichts.[12] Mit der DB AG gab im Vergleich zu den Bundesbahn-Zeiten drei wesentliche Veränderungen:

Erstens. Der Schienenverkehr in Deutschland wird seit der Bahnreform Jahr für Jahr durch staatliche Unterstützungszahlungen in Höhe von (umgerechnet) 10 bis 15 Milliarden Euro kofinanziert. Im Zeitraum 1994 bis 1998 flossen diese Zahlungen zu 95 Prozent dem Konzern DB AG zu. Heute sind es noch rund zwei Drittel dieser Summen, die an die DB AG gehen; ein Drittel geht an private Dienstleister. Wobei Vergleichbares, wenn auch nicht in diesem Umfang, auch auf den Schienenverkehr vor der Bahnreform zutraf. Die Bahn muss sich dieser Zuzahlungen nicht schämen. Sie sind absolut gerechtfertigt. Sie sind zum größten Teil auch deshalb erforderlich, weil die Verkehrsmarktordnung hierzulande die Straße und den Flugverkehr bevorzugt (und im Übrigen auch das Binnenschiff massiv bezuschusst). Dennoch ist es absurd, von „Gewinnen“ der DB AG zu reden, wenn bis zu einem Drittel des Umsatzes dieses Konzerns aus solchen staatlichen Zuzahlungen bestehen.

Zweitens. Im Zuge der Bahnreform wurden 110.000 Beamte, die bei der Bundesbahn – einige wenige auch bei der Reichsbahn – im Dienst standen, einer neu geschaffenen staatlichen Struktur, dem Bundeseisenbahnvermögen (BEV), überstellt. Diese Bahnbeschäftigten erhalten seither vom BEV – also faktisch vom Bund – ihre alten Gehälter, die entsprechend der allgemeinen Entwicklung auch weiter ansteigen. Diese Personen arbeiten aber weiterhin im Bahnkonzern und für denselben. Die DB AG überweist dem BEV für deren Arbeitsleistungen „Zahlungen in Höhe der Aufwendungen, die sie für neu einzustellende Arbeitnehmer unter Einbeziehung der Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung sowie der betrieblichen Altersversorgung erbringen müsste.“ Dadurch sparte der Bahnkonzern ab Mitte der 1990er Jahre und bis 1999 pro Jahr offiziell zwischen 4 und 4,5 Milliarden Euro (real waren es deutlich mehr [12]). Heute ist die Zahl der Bahnbeamten naturgemäß deutlich geringer; sie liegt aktuell bei rund 25.000. Doch auch im laufenden Jahr liegt die damit erzielte Einsparung an Personalkosten bei rund einer Milliarde Euro.

Drittens. Schließlich ereignete sich in der Nacht vom 31. Dezember 1993 auf den 1. Januar 1994 ein echtes Wunder. Wie durch Zauberhand wurde damals in einer gedanklichen Sekunde der Wert von Schieneninfrastruktur, Bahnhöfen, Loks, Reisezugwagen, Triebfahrzeugen, Güterwaggons und anderen bahneigenen Immobilien von 99,223 Milliarden DM auf 25,263 Milliarden DM oder auf ein Viertel geschrumpft. Die Begründung, die dafür schmallippig geliefert wurde, lautete: Das Anlagevermögen sei „überbewertet“ gewesen. Hier habe es eine „Neubewertung des Sachanlagevermögens“ gegeben. Das ist Unfug. Schließlich gab es eine vergleichbare Bereinigung des Anlagevermögens in der offiziellen Verkehrsstatistik, im vom Bundesverkehrsministerium herausgegebenen Zahlenwerk „Verkehr in Zahlen“, bis heute nicht. Mehr noch: Dort wuchs von 1993 auf 1994 das Anlagevermögen nochmals – um 4,2 Milliarden DM. Was ja Gründe hatte – so wurde damals die Neubaustrecke Hannover – Stendal – Berlin in Betrieb genommen. Und dies ging dann so weiter.[13]

Diese Schrumpfung des Bahnvermögens hat eine enorme Bedeutung – bis zum heutigen Tag. Damit reduzierten sich die Abschreibungen auf das Anlagevermögen von 4,8 Milliarden DM im Jahr 1993 auf schlanke 1,1 Milliarden DM 1994. Geringere Kosten tragen natürlich zu geringeren Verlusten bei. Beziehungsweise das Ergebnis wechselt plötzlich seine Farbe von rot auf schwarz. Berichtet wird nun von deutlichen Gewinnen.

Diese wundersame Reduktion von Vermögen und Abschreibungen wurde dann ab dem Jahr 1997 nochmals gesteigert, indem seither und bis heute grundsätzlich alle neuen Schienenverkehrswege, die der Bund finanziert, nicht in den Bahnbilanzen auftauchen. Dabei werden diese natürlich genutzt; mit dieser Schieneninfrastruktur werden Einnahmen eingefahren. Auch diese veränderte Bilanzierung war nie und nimmer geplant; im Gegenteil. 1992 schrieb Heinz Dürr: „Da die Deutsche Bahn AG die vom Staat vorfinanzierten Investitionen über die Abschreibungen verdienen muss, wird das wirtschaftliche Kriterium für Aus- und Neubauten in Zukunft eine weit wichtigere Rolle spielen als heute.“[14]

Entsprechend wurden in den ersten Jahren der Existenz der DB AG die vom Bund geleisteten Zahlungen für die Infrastruktur als „zinslose Darlehen“ verbucht; damit waren sie Teil der Bilanz. Die DB AG musste entsprechende Abschreibungen vornehmen. Die Neuregelung von 1998, wonach diese Zahlungen in keiner Form mehr in der Bilanz auftauchen, heißt damit – im Umkehrschluss des von Dürr 1992 Geschriebenen – auch, dass das Kriterium der Wirtschaftlichkeit bei Neubaustrecken keine Rolle mehr spielt. Just so ist es in der Praxis.

Thilo Sarrazin schrieb in seiner Zeit als Finanzsenator der SPD: „Die Investitionen der Bahn in die Infrastruktur werden im Wesentlichen vom Bund in Form von Investitionszuschüssen getragen. Diese Zuschüsse […] tauchen in der Sachlagenrechnung der Bahnbilanz gar nicht mehr auf. Seit der Bund 1997 die Finanzierung der Investitionen von Darlehen auf Zuschüsse umstellte, sind der Bahn Zuschüsse in Höhe von knapp 41 Milliarden Euro zugeflossen. Für deren Wertverzehr trifft die Bahn keinerlei Vorsorge. Schon eine jährliche Abschreibung von 2,5 Prozent auf die der Bahn seit 1997 zugeflossenen Baukostenzuschüsse bedeutet eine jährliche Kostenbelastung von mehr als einer Milliarde Euro und lässt zusammen mit dem unterlassenen Unterhalt den Gewinn der Bahn 2006 ins Negative kippen.“[15]

Bahnimmobilien und Stuttgart 21

Bei der Bahnreform war vorgesehen – und wurde 1993 im Eisenbahnneuordnungsgesetz festgelegt – dass die Deutsche Bahn AG nur die „bahnnotwendigen Immobilien“ erhalten solle. So stand es auch in den letzten Geschäftsberichten der Bundesbahn und im ersten Geschäftsbericht der DB AG. Alle „nichtbahnnotwendigen“ Immobilien sollten an das BEV gehen, um damit für den Bund einen Ausgleich zu schaffen für die Übernahme der Schulden von Reichsbahn und Bundesbahn und für die beschriebenen hohen Ausgaben im Fall der übernommenen Bahnbeamten.[16] Diese Regelung machte deutlich, dass der Gesetzgeber „eigentlich“ die Gefahr erkannt hatte, dass die Bahnprivatisierung sich zu einer großangelegten Immobilienspekulation entwickeln könnte.

Bis Ende der 1990er Jahre kam es zu dem umgekehrten Vorgang: Alle Immobilien von Bundesbahn und Reichsbahn landeten bei der DB AG; ein eher symbolisches Paket mit Bahnimmobilien wurde dem BEV übereignet. Dieser unerhörte Vorgang – man könnte ihn als den größten Immobilien-Klau des 20. Jahrhunderts bezeichnen – wurde durch eine trickreiche versteckte Konstruktion im zitierten Eisenbahnneuordnungsgesetz ermöglicht.[17]

In der „Tageszeitung/taz“ bilanzierte Hermann Abmayr: „Sieger im Bahnmonopoly ist Heinz Dürr.“ Abmayr bezeichnete darin Dürr zurecht als „neuen Immobilienhai“.[18] Denn genau auf diese Weise begann ein gigantisches Monopoly um wertvolle Bahnimmobilien, die der Spekulation zugeführt wurden. Dies bildet seither die Basis für eine große Zahl von Immobilienspekulationsgeschäften, bei denen die Deutsche Bahn AG eine zentrale Rolle spielt. Aktuell z.B. in Hamburg im Fall des Vorhabens, das Bahnareal des Fernbahnhofs Hamburg-Altona dort an die Stadt zu verkaufen und diesen Bahnhof von Altona nach Diebsteich – in die Pampa – zu verlegen.

Dies bildete die Basis für ein Dutzend geplanter Bahnhofsgroßprojekte wie „München21“ und „Frankfurt21“, die in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre geplant waren (und die am Ende nicht umgesetzt werden konnten). Und es bildet die Grundlage für das Projekt Stuttgart21. Dieses Projekt wurde wenige Wochen nach dem Inkrafttreten der Bahnreform u.a. von Heinz Dürr öffentlich vorgestellt. Inzwischen lässt sich dokumentieren, dass an dem Projekt seit 1991 bahnintern gearbeitet wurde – also ab dem Zeitpunkt, seit Heinz Dürr Bahnchef war.[19]

Einer der Dürr´schen Tricks, die öffentliche Meinung für Stuttgart 21 zu gewinnen, bestand darin, dieses Vorhaben als für Stuttgart und Baden-Württemberg kostenfrei zu präsentieren. Heinz Dürr beschrieb diese eierlegende Wollmilchsau 1994 wie folgt: „In diesem Zusammenhang ein Wort zu Stuttgart21: Die Grundidee ist der Aufbau eines optimalen integrierten Verkehrssystems. Die Voraussetzung dafür wird geschaffen durch den Bau eines neuen, unterirdischen Durchgangsbahnhofs anstelle des heutigen Kopfbahnhofs. Durch die gleichzeitige Anbindung des Stuttgarter Flughafens ist eine optimale Verknüpfung von Nah- und Fernverkehr der Schiene sowie von Luftverkehr und Schiene garantiert. Das oberirdische Bahnareal von rund 80 Hektar wird von uns komplett aufgegeben und steht für die weitere Stadtentwicklung zur Verfügung. Aus den voraussichtlichen Verkaufserlösen des Geländes kann die neue Verkehrsstation finanziert werden.“[20]

Damit wurde gesagt: Stuttgart 21 finanziert sich mit dem Verkauf des freiwerdenden Bahngeländes – das ja zu diesem Zeitpunkt, da als „nicht bahnnotwendig“ definiert, nicht einmal der DB AG zuzurechnen war oder nur in Teilen der DB AG hätte zugerechnet werden dürfen. Tatsächlich kaufte die Stadt Stuttgart später der DB AG das entsprechende Bahnareal ab und bezahlte dafür 450 Millionen Euro. Die Kosten für Stuttgart 21 liegen inzwischen allerdings offiziell bei 8,7 Milliarden Euro; laut Bundesrechnungshof kostet S21 knapp 10 Milliarden Euro. Stuttgart21 verhindert aufgrund des damit verbundenen Kapazitätsabbaus ein „integriertes Verkehrssystem“. Und 25 Jahre nach der Projektvorstellung wird auch eine Anbindung des Flughafens in Frage gestellt.

Satz für Satz die Unwahrheit. Doch die Verantwortlichen in Bund, Land und Stadt und die maßgeblichen Medien folgten bereitwillig Dürrs Argumentation.

Eine zerstörerische Bilanz

Betrachtet man – wie in der Tabelle dargestellt – die objektive Bilanz des Bahnchefs Heinz Dürr, dann fällt diese deutlich negativ und über weite Strecken verheerend aus. Das Schienennetz wurde in dessen Amtszeit um knapp 10 Prozent, die Gleislänge um 16 Prozent, die Zahl der Weichen um 35 Prozent abgebaut. Die Zahl der Gleisanschlüsse – eine wichtige Struktur, um den Güterverkehr auf die Schiene zu bringen – wurde sogar von 15.000 auf 7500 halbiert. Allein mit diesem letztgenannten Infrastrukturabbau wurde der Lkw-Verkehr massiv befördert und dem Daimler-Konzern als dem weltweit größten Lkw-Hersteller erhebliche Aufträge zugeschanzt.

Ebenso brutal war auch der Abbau der im Bereich Schiene Beschäftigten. Während Bahnchef Dürr 1992 im zitierten Geschäftsbericht der „Deutschen Bahnen“ als „Ziel“ formuliert hatte, „den Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern eine langfristige berufliche und persönliche Perspektive zu geben sowie das Unternehmen für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktiv zu machen“, wurde in seiner Amtszeit die Zahl der im Bereich Schiene Beschäftigten um 50 Prozent abgebaut.

Die in allen Geschäftsberichten in der Amtszeit des Heinz Dürr als DB-AG-Chef erwähnten Zuwächse bei den Verkehrsleistungen gibt es dann nicht, wenn korrekterweise als Basis das Jahr 1990 (und nicht 1994) gewählt wird. Bei einer solchen Rechnung stagnierten die Leistungen im Personenverkehr weitgehend. Im Schienengüterverkehr gab es einen Abbau um 40 Prozent.

Aufwärts ging es nur bei den Bezügen des Bahnchefs. Er startete mit 290.000 DM und erhielt in seinem letzten Jahr als Bahnchef 800.000 DM – das 2,7fache.

So gesehen hat Heinz Dürr die einmalige Chance, die es mit der deutschen Einheit und mit der Bildung einer neuen Bahngesellschaft gab, nicht genutzt. Die Infrastruktur der Schiene wurde massiv abgebaut; der Schienenpersonenverkehr in absoluten Zahlen nicht gesteigert. Der Schienengüterverkehr deutlich abgebaut.

Damit wurde die Position der Schiene im gesamten Verkehrsmarkt weiter geschwächt. Womit wiederum vor allem die Straße und die Autolobby gestärkt wurden.

Nur in diesem Sinn war Heinz Dürr erfolgreich.

Heinz Dürr – die Konkurrenz in der Herzkammer der Bahn

Heinz Dürr war und ist Mehrheitseigentümer der Dürr AG, dem laut Eigendarstellung „weltweit führenden Anbieter von Lackieranlagen für die Automobilindustrie“. Er wurde 1980 Chef des Elektrokonzerns AEG; unter seiner Führung musste AEG 1982 Insolvenz anmelden und wurde zwei Jahre später von Daimler übernommen. Heinz Dürr blieb Chef der Sparte AEG und rückte zugleich in den Vorstand der Daimler AG auf. Dort verblieb er bis zu seiner Ernennung als Bahnchef. Seine Bande zum Daimler-Konzern blieben auch danach erhalten. Im Übrigen hatte der damalige Daimler-Konzernchef Edzard Reuter bereits vor dem 3. Oktober 1990 mit Bundeskanzler Kohl über die Personalie Heinz Dürr gesprochen und Dürr als neuen Bahnchef ins Gespräch gebracht oder auch weggelobt.[21]

Vor allem blieb Heinz Dürr in seiner gesamten Amtszeit Haupteigentümer der erwähnten Dürr AG; er war dort in dieser Zeit auch als Aufsichtsratsvorsitzender tätig. Die Dürr AG und Daimler waren traditionell eng verbunden – u.a. in der NS-Zeit, als sie in engem Verbund als Rüstungsunternehmen agierten. In Dürrs Amtszeit als Bahnchef war Hans Dieter Pötsch Vorstandsvorsitzender der Dürr AG´. Der Mann war später für Porsche aktiv. Er ist heute VW-Chef.

Heinz Dürr als Bahnchef – das wurde damals, 1990, durchaus als klares Signal eines Endsiegs der Autoindustrie über die Schiene verstanden. So begann ein Bericht im Magazin „Stern“ wie folgt: „Auf dem Höhepunkt des Streits, ob Daimler-Benz [in den 1980er Jahren; W.W.] den Rüstungskonzern MBB schlucken darf, flachste IG Metall-Chef Franz Steinkühler im STERN, Daimler solle doch lieber die Bundesbahn übernehmen. Das würde mehr Sinn machen. Nun ist es [mit der Ernennung von Dürr zum Bahnchef; W.W.] fast soweit…“[22]

Persönliches: Eine Anfrage an die Bundesregierung und ein ND-Gebäude auf Bahngrund

Im April 1996 formulierte ich mit meinem MdB-Büro-Team eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung mit der Überschrift „Interessenskonflikte des Bahnmanagements“. In dieser wurde u.a. gefragt: „Hält die Bundesregierung die wirtschaftliche Tätigkeit des Heinz Dürr als maßgeblicher Eigentümer und als Aufsichtsratsvorsitzender des […] Autolackierkonzerns Dürr mit seiner Aufgabe, als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG einen […] attraktiven Schienenverkehr sicherzustellen, für vereinbar?“ Die Kleine Anfrage war eher eine große und enthielt einen langen Vorspann, in dem der Interessenkonflikt dokumentiert wurde, und ein Dutzend Fragen.

Doch die Führung der PDS-Fraktion mauerte; die Kleine Anfrage wurde nicht auf den Weg gebracht. Es gab eine Reihe heftiger Zusammenstöße in der für den Bereich Verkehr zuständigen AG und mit deren Leiterin. Im Juli, kurz vor der Sommerpause, wurde ich dann von Gregor Gysi zu einem abendlichen Umtrunk und einem Gespräch unter vier Augen eingeladen. Der Fraktionschef sagte sinngemäß, wir könnten eine solche Anfrage als PDS unmöglich in der bislang formulierten Form in den Bundestag einbringen, weil sich das Verlagsgebäude der Zeitung Neues Deutschland am Franz-Mehring-Platz in Ostberlin auf dem ehemaligen Gelände der Deutschen Reichsbahn – und damit in dieser Zeit im Eigentum der Deutschen Bahn AG (hier stellte sich das Thema „nichtbahnnotwendig“ in höchst pikanter Form) – befände.[23] Die Partei könne sich „einen Konflikt mit der Deutschen Bahn einfach nicht leisten.“

Die Kleine Anfrage wurde bis zur Unkenntlichkeit verwässert und schließlich mit Datum 7. August 1995 als Drucksache 13/5396 eingebracht.[24]


[«1] Bundesbahn – Mit Herz und Hand, in: Der Spiegel 42/1990.

[«2] Dort ist im Weiteren zu lesen: „Warum auch nicht – auf seinem bisherigen Job kam Dürr nicht mehr recht voran. Die Sanierung des Elektrounternehmens, das 1986 in den Daimler-Konzern eingegliedert wurde, ist bislang nicht geglückt. […] Im Daimler-Vorstand wird der Abgang des AEG-Chefs deshalb auch nicht nur mit Bedauern zur Kenntnis genommen.“

[«3] Journal Frankfurt, Heft 3/1991. Dort auch das Zitat aus der Stuttgarter Zeitung.

[«4] Christiane Oppermann und Herbert Uniewski, Auf dem Feuerstuhl, in: Stern 43/1990.

[«5] „Die letzte große Innovation ist 150 Jahre her“, ein Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bahn, Heinz Dürr, in: Wochenpost Nr. 1, 20. Dezember 1993.

[«6] So das Deckblatt des 1992er Geschäftsberichts. Der Begriff wird nirgendwo erläutert; da die Anfangsbuchstaben Großbuchstaben sind, wird suggeriert, es handle sich um eine Firma und um einen Markennamen. Das war nicht der Fall. Im Impressum des Geschäftsberichts 1992 heißt es dann: „Herausgeber: Die Vorstände der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn“. Es sind eine Adresse in Frankfurt am Main (= Bundesbahn) und eine in Berlin (= Reichsbahn) angegeben. Beherrscht wird das auf dem Papier vereinte Unternehmen Heinz Dürr I, der gewissermaßen durch Einheirat in die Reichsbahn „Vorstandsvorsitzender der Vorstände der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn“ ist.

[«7] Angaben nach: Verkehr in Zahlen, herausgegeben vom Bundesverkehrsministerium und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Ausgabe 1995, S. 53 und 113. Angaben zu den unterschiedlichen Verkehrsstrukturen nach: Winfried Wolf, Neues Denken oder neues Tanken. DDR-Verkehr 2000, Köln 1990.

[«8] In § 1 des damals neu verabschiedeten „Regionalisierungsgesetzes“ heißt es: „Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge.“

[«9] Hier zitiert nach dem Geschäftsbericht „Die Deutschen Bahnen 1992“, S.6.

[«10] Vorwort Geschäftsbericht DB AG 1994, S. 3.

[«11] Geschäftsbericht DB AG 1997, S.4.

[«12] „Ein Vergleich dieses (1994er; W.W.] Ergebnisses mit den Bilanzen der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn in den Vorjahren ist wegen der völlig unterschiedlichen Bilanz- und Kostenstrukturen nicht möglich.“ Geschäftsbericht Deutsche Bahn AG 1994, S. 16.

[«13] Vgl. Verkehr in Zahlen 1998, a.a.O., S. 41.

[«14] Heinz Dürr, Geschäftsbericht Die Deutschen Bahnen 1992, a.a.O., S.9. Hervorgehoben von W.W.

[«15] Siehe Bernhard Knierim und Winfried Wolf, Bitte umsteigen-! 20 Jahre Bahnreform, Stuttgart 2014, S. 22f.; Bundesrechnungshof, Bericht über Haushaltsbelastungen und –risiken des Bundes aus der Übernahme der Personalkosten der ehemaligen Bundesbahn vom 6. Juni 1995, S. 11.

[«15] Thilo Sarrazin, Manuskript vom 23. April 2006; hier nach: Knierim/Wolf, a.a.O., S. 20f.

[«16] „Die nicht bahnnotwenigen Liegenschaften verbleiben beim Bundeseisenbahnvermögen. Bei Verwertungen erzielte Erlöse sollen für die Abtragung der Altschulden von Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn, die der Bund im Zuge der Bahnreform übernommen hat, verwendet werden.“ Geschäftsbericht Deutsche Bahn AG 1994, S.11.

[«17] Nach heftigem Streit über die Bahnimmobilien einigten sich Ende 1996 Bundesregierung und Deutsche Bahn AG auf einen politisch motivierten Großdeal. Sie nahmen dabei Bezug auf einen völlig unscheinbaren, aber zweifellos höchst gezielt in das Eisenbahn-Neuordnungsgesetz einmontierten Passus, der lautet: „Vergleiche sind zulässig; wird ein Vergleich [beim Thema Bahnimmobilien; W.W.] geschlossen, ergeht ein dem Vergleich entsprechender Bescheid.“ (§23, (6)). Im Rahmen eines solchen „Vergleichs“ wurde dem BEV ein Immobilienpaket im (behaupteten) Wert von 13,6 Milliarden Mark übereignet – alles anderen Bahnimmobilien, gleichgültig ob „bahnnotwendig“ oder „nichtbahnnotwendig“, verblieben bei der Deutschen Bahn AG. Der Bundesrechnungshof rügte: „Das Kriterium der Bahnnotwendigkeit ist damit weitgehend in den Hintergrund getreten“.

[«18] Hermann Abmayr, Bahnchef wird Immobilienhai, in: Tageszeitung vom 24. Oktober 1996.

[«19] Siehe Winfried Wolf, abgrundtief + bodenlos. Stuttgart21, sein absehbares Scheitern und die Kultur des Widerstands, Köln 2018, S. 49, dort vor allem Anmerkung 57.

[«20] Statement Heinz Dürr, Bilanzpressekonferenz Berlin, 26. Mai 1994, S. 20 (Originalmanuskript). Im eigentlichen Geschäftsbericht findet sich zu Stuttgart 21 kein Wort.

[«21] Siehe hier.

[«22] Stern 43/1990.

[«23] „Da es sich [das ND-Verlagsgebäude; W.W.] auf dem ehemaligen Gelände der Deutschen Reichsbahn befindet, gab es von 1995 bis 2005 einen Rechtsstreit um die Immobilie zwischen dem Verlag des Neuen Deutschland und der Deutschen Bahn als Rechtsnachfolger der Reichsbahn. In dieser Zeit zog die Druckerei aus und die Deutsche Bahn benutzte das Gebäude als Möbellager. Anschließend wurde es saniert und der Verlag Neues Deutschland zog wieder ein.“ Siehe hier.

[«24] Unabhängig vom parlamentarischen Betrieb veröffentlichte ich ein Jahr später die – gemeinsam mit Bernhard Strowitzki und Henrik Paulitz verfasste – Broschüre „DB AG – Deutsche Bahn Abwicklungsgesellschaft. Ein alternativer Bericht über die Geschäfte der Deutschen Bahn AG“. In dieser Publikation gingen wir ausführlich auf die Interessensverflechtung bei maßgeblichen Personen in Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG – nicht zuletzt bei Heinz Dürr – mit der Autolobby und Luftfahrtbranche ein. Diese Schrift war verbunden mit einem „Manifest der 1435 Worte“ (1435mm = Standardspurweite der Eisenbahn), das zum gleichen Zeitpunkt von mir verfasst wurde und das sich gegen die Bahnprivatisierung und die Weiterungen der Bahnreform richtete. Das Manifest stieß auf breite Unterstützung bei Verkehrsinitiativen, bei prominenten Grünen und bei einzelnen SPD-MBs (so bei Hermann Scheer).


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