NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Denkmal für Wehrmachtsopfer in Mittenwald

Datum: 23. März 2010 um 13:24 Uhr
Rubrik: Medien und Medienanalyse, Militäreinsätze/Kriege, Wertedebatte
Verantwortlich:

Ein Vorgang, der Seltenheitswert hat: In einer bayerischen Gemeinde mit erdrückender CSU-Mehrheit dankt der Bürgermeister einem antifaschistischen Arbeitskreis öffentlich dafür, dass dieser mit beharrlichen Einsatz bewirkt hat, dass es nun ein Denkmal für die NS-Verbrechen der Gebirgsjäger gibt. So geschehen am Sonntagnachmittag in Mittenwald, nahe der österreichischen Grenze. Von Rolf-Henning Hintze

Schon die Vorgeschichte der offiziellen Denkmalseinweihung ist bemerkenswert. Die Gemeinde Markt-Mittenwald (8.000 Einwohner) am Fuße des Karwendel ist überregional bekannt durch die hier seit 1957 jährlich stattfindenden Kameradschaftstreffen der Gebirgsjäger, einer Einheit, die sich in der NS-Zeit schwerster Verbrechen in Griechenland und Italien schuldig gemacht hat. Kurz nach Pfingsten vergangenen Jahres ließ die Gemeinde noch ein Denkmal abräumen, das an ein besonders grausames Verbrechen der Gebirgsjäger vom Juni 1944 in dem italienischen Dorf Falzano die Cortona erinnern sollte: Steine der Trümmer eines Hauses, in das über ein Dutzend Dorfbewohner eingesperrt wurden, bevor die Gebirgsjäger es in die Luft jagten. Das Denkmal zeigte Steine aus der Ruine in einer Glasvitrine auf einer Stahlstele, versehen mit Aufschriften zu den faschistischen Untaten. Der überregionale Arbeitkreis „Angreifbare Traditionspflege“ – der Name bezieht sich auf ein Zitat des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, der von „unangreifbarer Traditionspflege sprach – hatte das Denkmal über Nacht heimlich vor dem Bahnhof aufgestellt und dann in einer Feierstunde eingeweiht. Es wurde der Gemeinde als „Schenkung“ übergeben. Nur vier Tage später ließ die Gemeinde es entfernen.

Adolf Hornsteiner (CSU), mit 49 Jahren eher einer der jüngeren Bürgermeister in Bayern, plädierte jedoch für den Dialog mit dem Arbeitskreis, der nicht bereit ist, einen Mantel des Schweigens über die Verbrechen der Gebirgsjäger hinzunehmen. Hornsteiner teilt die Ansicht, dass eine sichtbare Erinnerung an diese Verbrechen in der Gemeinde nötig ist. Den Vorschlag, das Denkmal auf den Friedhof zu stellen, wies der Arbeitskreis allerdings sofort zurück. Hornsteiner selbst machte dann den Vorschlag, das Denkmal vor der Mittenwalder Grund- und Hauptschule aufzustellen, wo es nun seit einigen Tagen offiziell steht. An der Einweihung waren auch der Landrat, Geistliche der beiden Konfessionen und der ehemalige französische KZ-Häftling Maurice Cling beteiligt. Cling schilderte in seiner Rede, wie er als 16jähriger von Dachau auf den Todesmarsch geschickt, fortwährend um sein Leben fürchtete und in Mittenwald schließlich von alliierten Soldaten befreit wurde. Er erwähnte auch, dass ihm eine Frau in Mittenwald heimlich gegen den Hunger zwei Kartoffeln zusteckte.

Der politisch brisanteste Moment der Feierstunde bestand jedoch in einem Wort des Dankes des CSU-Bürgermeisters an den Arbeitskreis „Angreifbare Traditionspflege“. Ohne dessen Drängen würde es Denkmal heute nicht geben.
Die Lokalzeitung, das „Garmisch-Partenkirchner Tagblatt“, eine Nebenausgabe des „Münchner Merkur“, akzentuierte in ihrer Berichterstattung vor allem die Rede eines Sprechers des Arbeitskreises. Dieser hatte scharfe Kritik daran geübt, dass es „in ungebrochener Tradition“ weiterhin jährliche Kameradentreffen der Gebirgsjäger gebe. Rund zehn Teilnehmer verließen die Feierstunde daraufhin aus Protest. (Siehe auch merkus-online.de: Feierstunde mit Störfeuern)

Eine kleine Meldung der „Süddeutschen Zeitung“ vom 22. März belegt, wie dürftig die Berichterstattung auch angesehener Blätter häufig ist. Die SZ beschränkte sich darauf, im Bayernteil eine kurze dpa-Nachricht zu veröffentlichen, die gänzlich unterschlägt, dass das Denkmal vor wenigen Monaten noch auf Anweisung der Gemeinde abgeräumt wurde. Ebenso unerwähnt bleibt die Rede des ehemaligen französischen KZ-Häftlings, der in Mittenwald befreit wurde. Auf die Besetzung des Termins mit einem eigenen Mitarbeiter hat Redaktion vermutlich wegen personeller Einsparungen verzichtet. Den Schaden hat die Öffentlichkeit.

(Siehe dazu auch: Neues-Deutschland – Bewegender Moment)


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=4900