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Titel: Der Fall Hammarskjöld 3/3

Datum: 10. Februar 2019 um 11:45 Uhr
Rubrik: Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Länderberichte
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Wurde Aids von einer SöIdnertruppe bewusst in Süden Afrikas verbreitet? Am letzten Januarwochenende hatte beim Sundance Film Festival der Dokumentarfilm “Cold Case Hammarskjöld” von Mads Brügger und Andreas Rocksen Premiere. Die beiden Filmemacher recherchierten über den mysteriösen Flugzeugabsturz, bei dem der UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld 1961 in Afrika ums Leben kam. Dabei stießen sie auf sensationelle Informationen, bei denen die geheime Miliz SAIMR eine wichtige Rolle spielt. Ihre Blutspur zieht sich durch den ganzen afrikanischen Kontinent.  Der britische Guardian berichtet in mehreren Artikeln darüber. Von Emma Graham-Harrison, Andreas Rocksen und Mads Brügger. Aus dem Englischen von Josefa Zimmermann.

Lesen Sie dazu auch den ersten und zweiten Teil der Hammarskjöld-Trilogie.

Einer in Südafrika stationierten Söldnertruppe wird von ehemaligen Mitgliedern vorgeworfen, in den 1980er und 1990er Jahren versucht zu haben, Aids in Südafrika zu verbreiten. Diesen Vorwurf äußert Alexander Jones in dem Dokumentarfilm Cold Case Hammarskjöld, der am letzten Januarwochenende beim Sundance Film Festival Premiere hatte. Er sagte, er habe vor drei Jahrzehnten als Geheimdienstoffizier beim South African Institute for Marine Research (SAIMR) gearbeitet, einer Organisation, die vor allem in Staatsstreiche und andere Gewalthandlungen in ganz Afrika verwickelt war.

Der Film befasst sich auch mit dem ungeklärten Mord an einer jungen SAIMR-Mitarbeiterin, deren Familie überzeugt ist, dass sie wegen ihrer Arbeit an einem Aids-Projekt, das von SAIMR in Südafrika und Mosambik durchgeführt wurde, ihr Leben ließ.

Und der Film zeigt, dass der damalige Führer der Söldnertruppe auf eine rassistische, apokalyptische Weise von Aids / HIV geradezu besessen war. Keith Maxwell schrieb über die Seuche, von der er hoffte, dass sie die schwarze Bevölkerung dezimieren, die weiße Herrschaft zementieren und konservative religiöse Werte wiedererstarken ließe, heißt es in den Dokumenten der Filmemacher.

Maxwell hatte keinerlei medizinischen Qualifikationen, aber er leitete Kliniken in armen Gebieten mit überwiegend schwarzer Bevölkerung in der Nähe von Johannesburg und behauptete, Arzt zu sein. Dadurch erhielt er die Möglichkeit, unheilvolle Experimente durchzuführen, sagt Jones in dem Film. Die Filmemacher recherchierten über SAIMR, weil die Truppe sich verantwortlich erklärt hatte für den mysteriösen Flugzeugabsturz im Jahr 1961, bei dem der damalige UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld getötet worden war. „Wo ist es einfacher, an Versuchskaninchen zu kommen, als in einem Apartheidsstaat?” sagt Jones in dem Film. „Schwarze Menschen haben keine Rechte, aber sie brauchen ärztliche Behandlung. Dann kommt ein weißer „Philanthrop” daher und sagt: ” Wisst ihr, ich werde diese Kliniken eröffnen und ich werde euch behandeln”. Und in Wirklichkeit ist er der Wolf im Schafspelz.“

Ein Schild mit der Aufschrift „Dokotela Maxwell” hängt noch immer an der Seite eines Gebäudes in Putfontein, wo sich die Einheimischen an einen angesehenen Mann erinnern, der gewissermaßen das Monopol auf die Gesundheitsfürsorge der Region hatte. Er bot seltsame Behandlungsmethoden an. Dazu gehörte, Patienten in „Röhren“ zu schieben, die ihm erlaubten, in ihren Körper zu sehen. Er gab auch “falsche Spritzen”, sagte Ibrahim Karolia, der auf der anderen Straßenseite einen Laden besaß.

In der Öffentlichkeit zeigte Maxwell sich besorgt über Aids. Claude Newbury, ein Arzt und Abtreibungsgegner, der den Söldnerführer kannte, bestätigte, dass er keine medizinischen Qualifikationen besaß, beschrieb ihn aber als engagierten Menschenfreund. „Er war gegen Völkermord und versuchte, ein Heilmittel gegen HIV zu finden”, sagte Newbury den Filmemachern.
Ein bizarres Interview in der Johannesburg Sunday Times mit einer SAIMR-Rekrutin im Teenager-Alter, Debbie Campbell, vom August 1989 zeigt das Foto einer jungen Frau mit krausen Haaren, die die Wasserverschmutzung misst und die dann auch über die Suche nach einem Heilmittel für HIV / Aids spricht. Aber das freundliche Bild hat einen dunklen Beigeschmack. Sie beschreibt, dass sie im Alter von 13 Jahren direkt von der Schule rekrutiert wurde, und man kann sich eigentlich nicht vorstellen, welches harmlose Interesse eine internationale Söldnertruppe an der Rekrutierung von Mädchen im pubertären Alter haben könnte.

Die von den Filmemachern gesammelten Dokumente zeigen offenbar, dass sich Maxwells private Ansichten sehr von seinen öffentlich geäußerten unterschieden. Die Papiere deuten auf seine perfide Freude über das Auftreten von Epidemien hin. In einem Dokument schreibt er: „Mit einer weißen Bevölkerungsmehrheit kann Südafrika bis 2000 Wahlgleichheit erreichen und eine Rückkehr der Religion in ihrer konservativen, traditionellen Ausprägung. Abtreibung auf Wunsch, Drogenmissbrauch und all die anderen Exzesse der 1960er, 70er und 80er Jahre werden keinen Platz mehr in einer Welt nach Aids haben.“

Die Papiere klingen wie der Fiebertraum eines Mannes, der sich als der Josef Mengele Südafrikas fühlt. Es gibt detaillierte, wenn auch teilweise unvollständige Berichte über seine Vorstellungen darüber, wie der HI-Virus isoliert, verbreitet und zur Dezimierung von Schwarzafrikanern eingesetzt werden könnte. Weniger klar ist, ob er die Sachkenntnis oder das Geld hatte, seine albtraumhaften Visionen zu verwirklichen. Der Ex-Mitarbeiter von SAIMR, Jones, behauptet, genau das sei aber geschehen. „Wir waren in Mosambik damit beschäftigt, das Aids-Virus durch medizinische Programme zu verbreiten,“ sagt er.

Zumindest eine SAIMR-Mitarbeiterin hatte offenbar Bedenken geäußert hinsichtlich der medizinischen Programme der Organisation. Dagmar Feil war Meeresbiologin und wurde durch ihren Freund in die Organisation gebracht. 1990 wurde sie vor ihrem Haus in Johannesburg ermordet. Ihre Verwandten glauben, dass der Mord mit ihrer Mitarbeit bei der Arbeit im Aids-Programm von SAIMR zusammenhängt.

“Meine Schwester kam zu mir und sagte, sie müsse sich mir anvertrauen”, erkläre ihr Bruder Karl Feil den Filmemachern. “Sie saß bei mir und erzählte, dass sie um ihr Leben fürchtet “. Sie sagte, drei oder vier andere in ihrem Team seien bereits ermordet worden, aber auf die Frage, um welches Team es sich handelt, antwortete sie, das könne sie mir nicht sagen.”

„Das Thema Aids-Forschung wurde mehrmals erwähnt, so nebenbei in Gesprächen, aber ich habe nie eins und eins zusammengezählt“, sagt Feil in dem Film. Stattdessen bat Dagmar ihren Bruder, mit ihr in die Kirche zu gehen, damit sie „mit Gott ins Reine komme“. Wenige Wochen später war sie tot.

Jones sagt, er kannte Dagmar Feil und behauptet, sie sei nach einer Reise nach Mosambik getötet worden, eine Reise, mit der der Grundstein für die medizinischen Versuche der Truppe gelegt wurde. Sie wurde für medizinische Forschung eingestellt, sagte er. Sie war erfolgreich und stieg in den inneren Zirkel auf bei dieser Operation. Sie ging nach Mosambik, um ihre beruflichen Pflichten zu erfüllen, und… es wurde bekannt, dass sie vorhatte, auszusagen. “

Feils Familie hat jahrelang versucht herauszufinden, was mit ihr passiert war, aber die Polizei zeigte wenig Interesse, sagt ihr Bruder. Während dieser Zeit teilte die Familie mit, dass sie von einem anderen SAIMR-Mitglied Dokumente erhalten habe, von denen angenommen wird, dass es sich um Maxwells Memoiren und seinen Bericht über SAIMR handelt. Diese Dokumente überließ die Familie später den Filmemachern.

Dagmar Feils Mutter sprach mehrmals bei der Kommission für Wahrheit und Versöhnung in Südafrika vor, sagte Karl Feil. Sie bat um die Untersuchung des Mordes an ihrer Tochter als Teil einer größeren Verschwörung, wurde jedoch abgewiesen.

Die Kommission bestätigte zwar erstmals öffentlich die Existenz von SAIMR, war aber überfordert und mit falschen Geständnissen konfrontiert. Die Hoffnung der Familie auf Aufdeckung der Wahrheit wurde zerschlagen.

„Sie hörten sie einfach nicht an,“ sagt Karl Feil. „Sie wollten dieses Thema überhaupt nicht diskutieren.”

Andreas Rocksen war Co-Produzent und Mads Brügger führte Regie bei dem Dokumentarfilm Cold Case Hammarskjöld.

Titelbild: Cold Case Hammarskjöld


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